Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð

»Warum nicht?«

»Erstens mal«, sagte Aloysius gedehnt und beim Sprechen seinen lokalen Akzent absichtlich stark betonend, »wrde ich als Zeuge auftreten mssen. Und es gibt kein Gericht in unserem souvernen Staat Louisiana, das der Aussage eines Negers in einem Fall versuchter Notzucht unter Weien Glauben schenkt. Nein, Sir, und schon gar nicht, wenn vier aufrechte junge weie Gentlemen behaupten, da der Nigger lgt. Auch wenn Miss Preyscott die Aussage des Negers besttigt, wrde das Gericht sie ihm nicht abnehmen. Und ich bezweifle stark, ob ihr Daddy ihr das erlauben wrde, wenn man bedenkt, welch ein Aufhebens die Zeitungen davon machen wrden.«

Peter legte den Hrer wieder auf. »Manchmal scheinen Sie's frmlich darauf anzulegen, die Dinge unntig zu komplizieren«, sagte er. Aber er wute, da Royce recht hatte. Seine Augen schweiften zu Marsha hinber. »Sagten Sie >Miss Preyscott<?«

Royce nickte. »Ihr Vater ist Mr. Mark Preyscott. Der Preyscott. Stimmt's, Miss?« Marsha nickte unglcklich.

»Miss Preyscott«, sagte Peter, »kennen Sie die jungen Leute, die fr den Zwischenfall verantwortlich sind?«

Die Antwort war ein kaum vernehmbares: »Ja.«

Der junge Neger erklrte: »Sie gehren alle zum Alpha Kappa Epsilon, glaube ich.«

»Ist das wahr, Miss Preyscott?«

Sie nickte bejahend.

»Und sind Sie mit ihnen zusammen hierhergekommen - in diese Suite?«

»Ja«, flsterte sie.

Peter musterte Marsha forschend. Nach einer Weile sagte er: »Es liegt bei Ihnen, Miss Preyscott, ob Sie Anzeige erstatten wollen oder nicht. Wozu immer Sie sich auch entscheiden, das Hotel wird Sie dabei untersttzen. Aber ich frchte, Royce hatte mit dem, was er sagte, nicht so unrecht. Die Affre wrde zweifellos ziemlich viel Staub aufwirbeln.« Er fgte hinzu: »Den Ausschlag gibt natrlich Ihr Vater. Finden Sie nicht, da ich ihn anrufen und herbitten sollte?«

Marsha hob den Kopf und sah Peter zum erstenmal offen an. »Mein Vater ist in Rom. Er darf nichts davon erfahren -niemals! Sagen Sie ihm bitte nichts.«

»Ich bin sicher, da man privat etwas unternehmen kann. Meiner Meinung nach haben die Schuldigen einen Denkzettel verdient.« Peter ging um das Bett herum und war bestrzt, als er sah, wie kindlich sie noch war und wie wunderschn. »Kann ich irgendwas fr Sie tun?«

»Nein... ja, ich wei nicht.« Sie fing wieder an zu weinen, aber weniger heftig.

Zgernd holte Peter ein Taschentuch hervor und reichte es ihr. Marsha wischte sich die Trnen ab und putzte sich die Nase. »Besser?«

Sie nickte. »Danke.« Sie war eine Beute verschiedenartigster Gefhle: Scham, Demtigung, Zorn. Sie hatte das Verlangen, sich zu rchen, was immer auch die Folgen sein mochten, und sehnte sich danach, von liebevollen, schtzenden Armen umschlungen zu werden, ein Wunsch, der sich, wie sie aus Erfahrung wute, nicht erfllen wrde. Aber strker s alle Gefhle war ihre krperliche Ermattung.

»Ich glaube, Sie sollten sich ein bichen ausruhen.« Peter McDermott schlug die Decke des unberhrten Bettes zurck, und Marsha schlpfte darunter. Die Leinentcher waren angenehm khl.

»Ich mchte nicht hier bleiben«, sagte sie. »Ich halte es hier nicht aus.«

Er nickte verstndnisvoll. »Wir bringen Sie bald nach Haus.«

»Nein! Bitte nicht! Knnte ic nicht woanders... hier im Hotel

»Tut mir leid.« Er schttelte den Kopf. »Das Hotel ist voll.«

Aloysius Royce war ins Bad gegangen, um sich die Blutspuren vom Gesicht zu waschen. Nun kam er zurck und blieb in der Verbindungstr stehen. Er stie einen leisen Pfiff aus, als er das Durcheinander im Salon genauer in Augenschein nahm, die berquellenden Aschenbecher, verschobenen und umgekippten Sessel, verschtteten Flaschen und zerbrochenen Glser.

Als McDermott zu ihm trat, meinte er: »Die Party hatte es in sich, schtz' ich.«

»Tjah, scheint so.« Peter machte die Tr zwischen Salon und Schlafzimmer zu.

»Aber es mu doch noch irgendeine Schlafgelegenheit im Hotel geben«, bettelte Marsha. »Ich kann jetzt einfach nicht nach Hause gehen.«

Peter blickte Royce unschlssig an. »Da wre noch die Nummer 555.«

Zimmer 555 war ein kleiner Raum, der dem stellvertretenden Direktor zur Verfgung stand. Peter benutzte ihn selten, auer zum Umkleiden. Im Moment war er frei.

»Dann ist ja alles in Ordnung«, sagte Marsha. »Nur mte jemand bei mir zu Hause anrufen und Bescheid sagen. Verlangen Sie Anna, unsere Haushlterin.«

»Wenn Sie wollen, hole ich den Schlssel«, bemerkte Royce.

»Ja, danke. Und bringen Sie auf dem Rckweg meinen Morgenrock mit. Wir sollten wohl ein Zimmermdchen rufen.«

»Wenn Sie jetzt hier ein Mdchen reinlassen, wei es morgen die ganze Stadt.«

Peter berlegte. In diesem Stadium war der Klatsch nicht mehr aufzuhalten. Bei derartigen Zwischenfllen sickerte stets etwas durch, und Gerchte verbreiteten sich ber die Hintertreppe so schnell wie mit einem Dschungeltelegrafen. Und es war vermutlich nicht unbedingt ntig, den Schwtzern noch mehr Stoff zu liefern.

»Gut. Dann bringen wir beide Miss Preyscott im Personalaufzug hinunter.«

Als der junge Neger die Tr zum Korridor ffnete, wurde er von einem vielstimmigen Wortschwall empfangen und mit neugierigen Fragen berschttet. Peter hatte die im Korridor versammelten Gste zeitweilig vergessen. Er hrte Royces beschwichtigende Antworten, und dann wurde es allmhlich still.

Mit geschlossenen Augen murmelte Marsha: »Sie haben mir noch nicht gesagt, wer Sie sind.«

»Verzeihung, das htte ich Ihnen natrlich gleich sagen mssen.« Er nannte seinen Namen und erklrte ihr seine Stellung im Hotel. Marsha lauschte, ohne zu antworten; wichtiger als die Worte war ihr der ruhige trstliche Klang seiner Stimme, von dem sie sich sanft einlullen lie. Nach einer Weile begannen ihre Gedanken schlaftrunken zu wandern. Undeutlich nahm sie war, da Aloysius Royce zurckgekehrt war, da man ihr aus dem Bett half, sie in einen Morgenmantel hllte und schnell und leise einen menschenleeren Korridor entlangfhrte. Dann kam ein Lift, wieder ein Korridor und ein Bett, auf das man sie legte. Die trstliche Stimme sagte: »Sie ist vllig erschpft.«

Das Gerusch flieenden Wassers. Eine Stimme, die ihr sagte, ein Bad wre eingelassen. Sie raffte sich so weit auf, um in das Badezimmer zu tappsen, wo sie sich einschlo.

Auf einem Hocker lag ein Pyjama sorgsam ausgebreitet, und Marsha zog ihn an. Er war von einem Mann, dunkelblau und viel zu gro. Die rmel rutschten ihr ber die Hnde, und auch als sie die Hosenbeine umschlug, brachte sie es kaum fertig, nicht ber sie zu stolpern.

Sie kehrte ins Zimmer zurck, wo behutsame Hnde ihr ins Bett halfen. Als sie sich unter das khle frische Laken kuschelte, hrte sie wieder Peter McDermotts ruhige trstliche Stimme. Es war eine Stimme, die sie mochte, dachte Marsha - auch der Besitzer der Stimme gefiel ihr. »Royce und ich gehen jetzt, Miss Preyscott. Die Zimmertr hat ein Schnappschlo, und der Schlssel liegt neben Ihrem Bett. Niemand wird Sie stren.«

»Danke.« Sie fragte verschlafen: »Wem gehrt der Pyjama?«

»Mir. Tut mir leid, da er so gro ist.«

Sie versuchte den Kopf zu schtteln, war aber zu mde dazu. »Macht nichts... er gefllt mir...« Sie war froh darber, da der Pyjama ihm gehrte. Er war wie eine sanfte beschwichtigende Umarmung.

»Gefllt mir«, wiederholte sie leise. Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie einschlief.

8

Peter wartete allein in der fnften Etage auf den Lift. Aloysius Royce war mit dem Personalaufzug zum fnfzehnten Stockwerk hinaufgefahren, wo er neben der Privatsuite des Hotelbesitzers ein eigenes Zimmer hatte.

Es war ein ereignisreicher Abend gewesen, dachte Peter, mit einem gerttelten Ma an Unannehmlichkeiten, obwohl das bei einem groen Hotel nichts Ungewhnliches war. Das Leben bot sich hier oft in dramatischer Zuspitzung dar, und Hotelangestellte gewhnten sich mit der Zeit an das Schauspiel.

Als der Lift vor ihm hielt, sagte er zu dem Fahrstuhlfhrer: »Halle, bitte.« Dabei fiel ihm ein, da Christine im Zwischengescho auf ihn wartete. Aber sein Geschft im Erdgescho wrde ihn nur wenige Minuten aufhalten.

Er nahm ungeduldig zur Kenntnis, da der Fahrstuhl, obwohl die Tren sich geschlossen hatten, sich nicht sogleich in Bewegung setzte. Der Fahrstuhlfhrer ri den Kontrollhebel vor und zurck. »Sind Sie sicher, da die Tren richtig zu sind?« erkundigte sich Peter.

»Ja, Sir. Das ist es nicht. Meiner Meinung nach liegt's an den Anschlukabeln hier oder oben unterm Dach.« Der Mann wies mit dem Kopf nach oben und fgte hinzu: »Wir hatten in letzter Zeit andauernd rger mit dem Ding. Der Chef hat neulich erst wieder grndlich nachgesehen.« Er zerrte krftig am Hebel. Mit einem Ruck schnappte der Mechanismus ein, und die Kabine sank nach unten.

»Welcher Fahrstuhl ist das hier?«

»Die Nummer vier.«

Peter nahm sich vor, den Chefingenieur zu fragen, was es mit dem Defekt auf sich hatte.

Nach der Uhr in der Halle war es fast halb eins, als er aus dem Lift trat. Wie immer um diese Zeit hatte sich der Betrieb in der Halle und den Nebenrumen etwas gelegt, aber eine betrchtliche Anzahl von Gsten war noch auf den Beinen, und Musik aus dem nahe gelegenen Indigo-Raum zeigte an, da dort getanzt wurde. Peter bog nach rechts und steuerte auf den Empfang zu, erblickte jedoch nach einigen Schritten eine fette Gestalt, die auf ihn zu watschelte. Es war der Chefdetektiv Ogilvie, den er vorher vergebens gesucht hatte. Der Ex-Polizist

- vor Jahren hatte Ogilvie, ohne sich nennenswert hervorzutun, bei der Polizei von New Orleans gedient - trug eine gewollt ausdruckslose Miene zur Schau, obwohl seine kleinen Schweinsuglein ber den schweren Hngebacken andauernd in Bewegung waren und nichts bersahen. Er roch wie immer nach schalem Zigarrenrauch, und in seiner Brusttasche steckte eine Reihe Zigarren.

»Ich hab' gehrt, Sie htten mich gesucht«, sagte Ogilvie sachlich und unbekmmert.

Peter versprte wieder etwas von seinem vorigen rger. »Allerdings. Wo, zum Teufel, haben Sie gesteckt?«

»Hab' nur meine Pflicht getan, Mr. McDermott.« Fr einen so umfangreichen Mann hatte Ogilvie eine berraschend hohe Stimme. »Falls Sie's wissen wollen, ich war drben im Prsidium, um einen Diebstahl zu melden. Hier wurde heute aus dem Gepckraum ein Koffer gestohlen.«

»Polizeiprsidium! In welchem Zimmer war die Pokerpartie?«

Die Schweinsuglein funkelten gehssig. »Wenn Sie's so auffassen, knnen Sie ja ein paar Erkundigungen einziehen. Oder mit Mr. Trent sprechen.«

Peter nickte resigniert. Er wute, da es reine Zeitverschwendung wre. Das Alibi war zweifellos gut untermauert, und Ogilvies Freunde im Prsidium wrden ihn decken. Auerdem wrde Warren Trent Ogilvie, der ebenso lange zum St. Gregory gehrte wie der Hotelbesitzer selbst, niemals zur Rechenschaft ziehen. Es gab Leute, die behaupteten, da Ogilvie ein oder zwei dunkle Geheimnisse kannte und Warren Trent in der Hand hatte. Was auch immer der Grund sein mochte, Ogilvies Position war unangreifbar.

»Nun, Sie haben zufllig ein paar unangenehme Zwischenflle verpat. Aber sie haben sich inzwischen erledigt.« Vielleicht war es am Ende ganz gut, da Ogilvie nicht erreihbar gewesen war, dachte Peter. Die Affre Albert Wells htte er zweifellos nicht so mustergltig gelst wie Christine, noch htte er die Affre Marsha Preyscott mit so viel Takt und Sympathie gehandhabt. Er beschlo, Ogilvie vorlufig zu vergessen, nickte kurz und begab sich zum Empfang.

Der Angestellte, mit dem er vorhin telefoniert hatte, stand hinter dem Empfangstisch. Peter entschied sich fr eine vershnliche Annherungsmethode. Er sagte freundlich: »Schnen Dank fr Ihre Hilfe vorhin. Wir haben Mr. Wells in der 1410 sehr gut untergebracht. Dr. Aarons kmmert sich um ihn und hat auch fr eine Pflegerin gesorgt. Der Chefingenieur hat den Sauerstoff geliefert.«

Die gefrorene Miene des Mannes taute auf. »Ich hatte keine Ahnung, da es so schlimm um ihn steht.«

»Eine Weile stand's auf Messers Schneide, glaube ich. Deshalb mchte ich unbedingt herausbekommen, warum er umquartiert wurde.«

Der Empfangschef nickte weise. »Unter diesen Umstnden werde ich natrlich Nachforschungen anstellen, Sir.«

»In der elften Etage gab's auch rger. Wrden Sie mir bitte sagen, auf welchen Namen Nummer 1126-7 eingetragen ist?«

Der Angestellte ging seine Kartei durch und zog eine Karte heraus. »Mr. Stanley Dixon.«

»Dixon.« Das war einer von zwei Namen, die Aloysius Royce genannt hatte, nachdem sie Marsha Preyscott in der Nummer

555 untergebracht hatten.

»Er ist der Sohn des Autohndlers. Mr. Dixon senior kommt oft ins Hotel.«

»Danke.« Peter nickte. »Buchen Sie's lieber als Abmeldung und veranlassen Sie den Kassierer, die Rechnung mit der Post zu verschicken.« Ihm kam eine Idee. »Nein, schicken Sie mir die Rechnung morgen herauf, und ich schreibe einen Brief dazu. Die Schadenersatzforderung werden wir nachsenden, sobald die Kosten berechnet sind.«

»Sehr wohl, Mr. McDermott.« Die Vernderung in der Haltung des Angestellten war verblffend. »Ich werde es dem Kassierer ausrichten. Die Suite ist also wieder frei?«

»Ja.« Peter hielt es fr berflssig, Marshas Anwesenheit in der Nummer 555 auszuposaunen. Vielleicht konnte sie am nchsten Morgen unbemerkt verschwinden. Dabei fiel ihm ein, da er ihr versprochen hatte, in der Villa Preyscott anzurufen. Nach einem freundlichen »Gute Nacht« ging er quer durch die Halle auf einen Schreibtisch zu, an dem tagsber einer der stellvertretenden Manager sa. Er entdeckte eine Eintragung mit dem Namen Mark Preyscott und einer Adresse im Parkdistrikt und bat um die Telefonnummer. Am anderen Ende der Leitung lutete es eine Weile, bevor sich eine verschlafene weibliche Stimme meldete. Er nannte seinen Namen und sagte: »Ich habe eine Nachricht von Miss Preyscott fr Anna.«

Die Stimme, die unverkennbar tiefster Sden war, erwiderte: »Ich bin Anna. Wie geht's Miss Marsha?«

»Es geht ihr gut, aber ich soll Ihnen ausrichten, da sie die Nacht ber im Hotel bleibt.«

»Wer, sagten Sie, spricht dort?«

Peter erklrte es ihr geduldig und fgte hinzu: »Passen Sie auf, falls Sie sich vergewissern wollen, brauchen Sie blo zurckzurufen. Es ist das St. Gregory. Und lassen Sie sich mit dem stellvertretenden Manager verbinden.«

Die Frau antwortete sprbar erleichtert: »Ja Sir, das werde ich tun.« Knapp eine Minute spter waren sie wieder verbunden. »In Ordnung, Sir«, sagte sie. »Jetzt wei ich, da alles seine Richtigkeit hat. Wenn ihr Daddy nicht da ist, sorgen wir uns immer ein bichen um Miss Marsha.«

Peter ertappte sich dabei, da er wieder ber Marsha Preyscott nachdachte. Er nahm sich vor, gleich morgen frh mit ihr zu sprechen, um herauszufinden, was sich vor dem Vergewaltigungsversuch in der Suite abgespielt hatte. Das wste Durcheinander in den Rumen, beispielsweise, warf einige noch ungeklrte Fragen auf.

Er bemerkte, da Herbie Chandler ihn von seinem Stehpult aus verstohlen beobachtete. Er ging hinber und sagte barsch: »Wenn mich nicht alles tuscht, gab ich Ihnen den Auftrag, der Beschwerde in der elften Etage nachzugehen.«

Chandler machte eine Unschuldsmiene. »Aber ich war ja oben, Mr. Mac. Ich hab' gehorcht und mich umgesehen und nichts Verdchtiges bemerkt.«

Und genauso war es auch gewesen, dachte Herbie. Er hatte sich schlielich sehr unlustig und nervs in die elfte Etage begeben und mit groer Erleichterung festgestellt, da jeglicher Lrm inzwischen verstummt war. Auerdem erfuhr er, als er in die Halle zurckkehrte, da die beiden Callgirls das Hotel unentdeckt verlassen hatten.

»Sie knnen sich nicht sehr grndlich umgesehen haben.«

Herbie Chandler schttelte eigensinnig den Kopf. »Alles, was ich sagen kann, ist, ich hab' getan, was Sie von mir verlangten, Mr. Mac. Sie haben gesagt, ich soll raufgehen, und ich bin raufgegangen, obwohl das gar nicht zu unserem Job gehrt.«

»Na schn.« Obwohl er instinktiv sprte, da der Chefportier mehr von der Sache wute, als er zugeben wollte, beschlo Peter, das Thema nicht weiter zu verfolgen. »Ich werde einige Erkundigungen einziehen und mich vielleicht spter noch mal mit Ihnen unterhalten.«

Whrend er die Halle wieder durchquerte und einen Lift betrat, fhlte er im Rcken die beobachtenden Blicke von Herbie Chandler und dem Hausdetektiv Ogilvie. Diesmal fuhr er nur eine Etage hher bis zum Zwischengescho.

Christine wartete in seinem Bro. Sie hatte die Schuhe abgestreift und kuschelte mit hochgezogenen Beinen in dem Sessel, auf dem sie schon anderthalb Stunden frher gesessen hatte. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Gedanken irgendwo in weiter Ferne. Sie rief sie zurck und blickte auf, als Peter hereinkam.

»Heiraten Sie blo keinen Hotelmenschen«, sagte er. »Bei uns reit die Arbeit nicht ab.«

»Schnen Dank fr die Warnung. Sie kommt gerade zur rechten Zeit. Ich hab' nmlich eine Schwche fr den neuen Vize, fr den, der wie Rock Hudson aussieht.« Sie streckte die Beine aus und angelte an ihren Schuhen. »Gab's noch mehr rger?«

Er fand Christines Anblick und Worte unendlich wohltuend. »Anderer Leute rger in der Hauptsache«, antwortete er mit einem Grinsen. »Ich erzhl's Ihnen unterwegs.«

»Und wohin gehen wir?«

»Weg aus dem Hotel - irgendwohin. Fr heute haben wir beide genug.«

Christine berlegte. »Wir knnten ins Franzsische Viertel gehen. Dort sind noch eine Menge Lokale offen. Oder kommen Sie mit zu mir - meine Omeletts sind berhmt.«

Peter half ihr hoch, hielt ihr die Tr offen und knipste das Licht aus. »Ein Omelett ist genau das, worauf ich die ganze Zeit Lust hatte, ich wute es blo nicht.«

9

Pftzen ausweichend, die der Regen zurckgelassen hatte, gingen sie zu einem anderthalb Blocks vom Hotel entfernten Parkhochhaus. Hoch ber ihnen begann sich der Himmel nach dem kurzen, strmischen Zwischenspiel wieder aufzuklren, der Mond kam zum Vorschein, und das Stadtzentrum um sie herum begab sich zur Ruhe. Die nchtliche Stille wurde nur dann und wann von einem vorbeiflitzenden Taxi unterbrochen, und das scharfe Stakkato ihrer Schritte hallte durch die menschenleere Strae mit ihren hohen dunklen Huserfluchten.

Ein schlfriger Parkwchter brachte Christines Volkswagen herunter, und sie stiegen ein; Peter klappte sich auf dem rechten Vordersitz wie ein Taschenmesser zusammen. »Das ist das wahre Leben! Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich ein bichen breit mache?« Er legte seinen Arm auf die Rckenlehne des Fahrersitzes dicht ber Christines Schultern.

Whrend sie in der Canal Street vor einer Ampel warteten, glitt einer der neuen mit Klimaanlage ausgestatteten Busse auf der mittleren Fahrbahn vor sie.

»Sie wollten mir doch erzhlen, was passiert ist«, sagte sie.

Er runzelte die Stirn, wandte seine Gedanken wieder dem Hotel zu und berichtete kurz, was er ber den Vergewaltigungsversuch an Marsha Preyscott wute. Christine hrte schweigend zu und fuhr in nordstlicher Richtung weiter. Zum Schlu erwhnte Peter sein Gesprch mit Herbie Chandler und seinen Verdacht, da der Chefportier mehr von der Sache wisse, als er zugegeben habe.

»Mag sein, aber das entschuldigt nicht alles.«

Beide wuten, da die kritische Bemerkung Peters Unzufriedenheit mit den Mngeln des Hotels verriet, gegen die er nichts zu unternehmen vermochte. In einem normal verwalteten Betrieb mit genau festgesetzten Richtlinien gab es solche Probleme nicht. Aber die Organisation des St. Gregory beruhte im wesentlichen auf mndlichen Abmachungen, wobei die letzte Entscheidungsgewalt bei Warren Trent lag und von ihm sehr willkrlich gehandhabt wurde.

Unter normalen Umstnden htte sich Peter - der die Hotelfachschule der Cornell-Universitt mit Auszeichnung absolviert hatte - schon vor Monaten nach einem befriedigenderen Arbeitsfeld umgesehen. Aber die Umstnde waren nicht normal. Als er sich im St. Gregory bewarb, war er in Verruf und wrde es vermutlich auch noch auf Jahre hinaus bleiben.

Manchmal stellte er finstere Betrachtungen an ber seine verpfuschte Karriere, fr die er - wie er offen zugab -niemanden auer sich selbst verantwortlich machen konnte.

Im Waldorf, wo er nach seiner Abschluprfung an der Cornell-Universitt eingetreten war, galt Peter McDermott als vielversprechender junger Mann mit Zukunft, Er stand dicht vor seiner Befrderung zum Geschftsfhrer, als Pech plus Unbesonnenheit ihm einen Strich durch die Rechnung machten. Zu einem Zeitpunkt, in dem er angeblich Dienst hatte und woanders im Hotel bentigt wurde, ertappte man ihn in flagranti mit einem weiblichen Gast.

Selbst dann noch htte sich eine Katastrophe vermeiden lassen. Gutaussehende junge Hotelangestellte waren hufig den Annherungsversuchen einsamer alleinstehender Frauen ausgesetzt, und irgendwann im Laufe ihrer Karriere erlag fast jeder der Verlockung. Die Geschftsleitung begngte sich meistens damit, den Snder warnend darauf hinzuweisen, da so etwas nicht noch einmal vorkommen drfe. In Peters Fall jedoch spielten zwei Faktoren eine entscheidende Rolle. Der Ehemann der Frau war, von Privatdetektiven untersttzt, an der peinlichen Entdeckung beteiligt, und es kam zu einem schmutzigen Scheidungsproze mit all der Publicity, die Hotels verabscheuen.

Zu allem Unglck wurde Peter noch das Opfer einer privaten Rache. Drei Jahre vor dem Debakel im Waldorf war er eine berstrzte Ehe eingegangen, die bald darauf mit einer Trennung der beiden Partner endete. Bis zu einem gewissen Grad waren seine Einsamkeit und Enttuschung fr den Zwischenfall im Hotel verantwortlich. Peters Frau machte sich das gebrauchsfertige Beweismaterial rcksichtslos zunutze und strengte mit Erfolg die Scheidung an.

Peter aber wurde von der Hotelleitung entlassen und auf die schwarze Liste gesetzt.

Die Existenz einer schwarzen Liste wurde natrlich nicht offen zugegeben. Aber eine groe Anzahl von Hotels, vor allem solche, die Konzernen angehrten, hatten Peter McDermotts Bewerbung kurzerhand zurckgewiesen. Nur das St. Gregory, ein konzernfreies Hotel, hatte Peter eingestellt mit einem Gehalt, das Warren Trent schlau der Zwangslage des jungen Mannes anpate.

Daher hatte er mit seiner Bemerkung, das Durchhalten auf einem Posten sei keine Entschuldigung fr alles, eine Unabhngigkeit vorgetuscht, die nicht existierte. Er vermutete, da Christine auch darber im Bilde war.

Er beobachtete, wie sie den kleinen Wagen geschickt durch die schmale Burgundy Street manvrierte, die sich am Rand des Franzsischen Viertels entlangzog, parallel zum Mississippi. Christine bremste kurz und wich einer Schar schwankender Zecher aus, die sich aus der zwei Blocks entfernten, belebten, hell erleuchteten Bourbon Street hierher verirrt hatten. Dann sagte sie: »Es gibt etwas, das Sie, glaub' ich, erfahren sollten. Curtis O'Keefe kommt morgen an.«

Es war eine Neuigkeit von der Art, wie er sie befrchtet und mit der er doch fast gerechnet hatte.

Curtis O'Keefe war ein Name, der Wunder wirkte. Als Besitzer des weltweiten O'Keefe-Konzerns kaufte er Hotels wie andere Mnner Krawatten oder Taschentcher. Selbst weniger gut informierte Kreise muten aus Curtis O'Keefes Erscheinen im St. Gregory die stillschweigende Schlufolgerung ziehen, da zumindest der Wunsch bestand, das Hotel zu erwerben und dem stndig wachsenden Konzern einzuverleiben.

»Ist es ein Einkaufstrip?«

»Vielleicht.« Christine lie die schwach erleuchtete Strae vor sich nicht aus den Augen. »W. T. ist gar nicht dafr, aber mglicherweise bleibt ihm nichts anderes brig.« Sie wollte eigentlich hinzufgen, da letzteres vertraulich behandelt werden mte, besann sich jedoch eines Besseren. Peter wute das ohnehin. Und was Curtis O'Keefe anbelangte, so wrde sich die aufregende Neuigkeit von der Anwesenheit des groen Mannes sofort nach seiner Ankunft wie ein Lauffeuer im ganzen Hotel verbreiten.

»Es war wohl unvermeidlich.« Peter war, ebenso wie andere leitende Angestellte des Hotels, darber im Bilde, da das St. Gregory in den letzten Monaten schwere finanzielle Einbuen erlitten hatte. »Trotzdem ist es ein Jammer.«

»Noch ist es nicht soweit. W. T. mchte nicht verkaufen.« Peter nickte, ohne zu sprechen.

Nun verlieen sie das Franzsische Viertel und bogen links in die mehrbahnige, von Bumen gesumte Esplanade Avenue ein. Die breite Strae war leer bis auf die davonflitzenden Rcklichter eines anderen Wagens, der in Richtung Bayou St. John verschwand.

»Die Weiterfinanzierung macht Schwierigkeiten«, sagte Christine. »W. T. versucht neues Kapital aufzutreiben, und er hofft noch immer, da es ihm schlielich glckt.«

»Und wenn nicht?«

»Dann werden wir Curtis O'Keefe wohl fter sehen.«

Und sehr viel weniger von Peter McDermott, dachte Peter. Er fragte sich, ob er einen Punkt erreicht hatte, an dem ein Hotelkonzern wie der von O'Keefe ihn als rehabilitiert und akzeptabel betrachten wrde. Er bezweifelte es. Eines Tages, falls er sich weiter gut fhrte, wrde es dazu kommen, aber im Moment war er noch nicht tragbar.

Es hatte ganz den Anschein, als wrde er sich bald nach einer neuen Stellung umsehen mssen. Er beschlo, sich erst dann den Kopf zu zerbrechen, wenn es wirklich soweit war.

»Das O'Keefe-St.-Gregory«, sagte er laut. »Wann werden wir's genau wissen?«

»Die Sache mu sich auf die eine oder andere Art bis zum Wochenende entscheiden.«

»So bald?«

Es gab zwingende Grnde dafr, die Christine kannte, vorlufig jedoch fr sich behielt.

Peter sagte entschieden: »Der alte Mann wird keinen Geldgeber finden.«

»Wieso sind Sie dessen so sicher?«

»Weil Leute mit Geld ihr Kapital sicher anlegen wollen. Das setzt eine gute Geschftsleitung voraus, und die hat das St. Gregory nicht. Es knnte sie haben, hat sie aber nicht.«

Sie fuhren in nrdlicher Richtung auf den Elysian Fields, deren zwei Fahrbahnen wie ausgestorben waren, als unmittelbar vor ihnen pltzlich grelles Licht aufstrahlte und im Dunkel hin und her schwang. Christine bremste, und als der Wagen hielt, kam ein Verkehrspolizist auf sie zu. Er richtete seine Stablampe auf den Volkswagen, ging um ihn herum und nahm ihn genau in Augenschein. Whrenddessen sahen sie, da das Stck Strae direkt vor ihnen mit Seilen abgesperrt war. Hinter der Absperrung untersuchten Mnner in Uniform und Beamte in Zivil die Straendecke im Licht starker Scheinwerfer.

Christine drehte das Fenster herunter, als der Verkehrspolizist auf ihrer Seite auftauchte. Offenbar zufrieden mit dem Ergebnis seiner Untersuchung sagte er: »Sie mssen die Umleitung nehmen. Fahren Sie langsam auf der anderen Fahrbahn weiter, bis Sie mein Kollege am Ende der Absperrung wieder in die Bahn hier einweist.«

»Was ist los?« fragte Peter. »Ein Unfall?«

»Tjah, Unfall mit Fahrerflucht. Passierte am frhen Abend.«

»Ist jemand dabei umgekommen?« erkundigte sich Christine.

Der Polizist nickte. »Ein kleines Mdchen von sieben Jahren.« Ihr schockierter Gesichtsausdruck veranlate ihn, mehr zu erzhlen. »Es ging neben seiner Mutter. Die Mutter ist im Krakenhaus. Das Kind war auf der Stelle tot. Der Fahrer mu es gewut haben. Er fuhr gleich weiter.« Mit unterdrckter Stimme fgte er hinzu: »Der Schuft!«

»Werden Sie herausfinden, wer's war?«

»Den Burschen schnappen wir, verlassen Sie sich darauf.« Der Polizist nickte grimmig und zeigte mit dem Daumen nach hinten auf die Absperrung. »Die Jungen da sind drauf geeicht, und der Unfall hat sie wild gemacht. Auf der Strae sind Glassplitter; folglich mu der Wagen was abgekriegt haben.« Scheinwerfer blinkten hinter dem Volkswagen auf, und der Polizist winkte sie weiter.

Beide schwiegen, whrend Christine auf die Umleitung hinberschwenkte. In Peters Kopf nagte ein flchtiger Eindruck, eine unbestimmte Idee, die sich jedem Zugriff entzog. Er fhrte sein Unbehagen auf den Unfall selbst zurck, war jedoch so stark davon in Anspruch genommen, da es ihn berraschte, als er Christine sagen hrte: »Wir sind gleich da.«

Sie bogen in die Prentiss Avenue ein. Gleich darauf schwenkte der kleine Wagen nach rechts, dann nach links und hielt auf dem Parkplatz eines modernen zweistckigen Appartementhauses.

»Wenn alle Stricke reien«, rief Peter frhlich, »verdinge ich mich wieder als Barmann!« Er war damit beschftigt, in Christines Wohnzimmer, das in weichen Tnungen von Moosgrn und Blau gehalten war, Drinks zu mixen. Nebenan in der Kche schlug Christine Eier auf.

»Haben Sie das denn schon mal gemacht?«

»Eine Zeitlang.« Er ma drei Unzen Whisky ab, teilte sie in zwei Portionen und fgte Angostura und Peychaud's Bitter hinzu. »Ich erzhl' Ihnen bei Gelegenheit davon.« Nachtrglich go er noch etwas Whisky dazu und tupfte mit dem Taschentuch ein paar Tropfen ab, die auf den porzellanblauen Teppich gefallen waren.

Whrend er sich aufrichtete, warf er einen Rundblick durch das Wohnzimmer mit seinen ansprechenden Farben und Mbelstcken - einem franzsischen Bauernsofa, dessen berzug mit einem weiblaugrnen Blattmuster bedruckt war, zwei Hepplewhite-Sthlen neben einer Kommode mit einem Marmoraufsatz und dem Mahagonibfett, an dem er die Getrnke gemixt hatte.

An den Wnden hingen einige franzsische Drucke von Louisiana und ein impressionistisches lgemlde. Der Raum wirkte warm und heiter, genau wie Christine selbst. Nur eine verschnrkelte Kaminuhr auf dem Bfett pate nicht zu dem brigen. Die leise vor sich hin tickende Uhr war unverkennbar viktorianisch, mit Metallverzierungen und einem fleckigen, vom Zahn der Zeit angenagten Zifferblatt. Peter betrachtete sie neugierig.

Als er mit den Drinks in die Kche kam, schttete Christine gerade den geschlagenen Eierschaum aus einer Schssel in die brutzelnde Pfanne.

»Noch drei Minuten«, sagte sie, »dann bin ich soweit.«

Er reichte ihr ein Glas, und sie stieen miteinander an.

»Konzentrieren Sie sich auf das Omelett. Jetzt ist's fertig.«

Es war wirklich ein Meisterwerk - leicht, locker und mit Krutern gewrzt. »So sollten Omeletts immer sein«, meinte er anerkennend.

»Ich kann auch Eier kochen.«

Er winkte lssig ab. »Ein andermal, wenn Sie mich zum Frhstck einladen.«

Nachher gingen sie ins Wohnzimmer hinber, und Peter mixte noch einen Drink. Es war fast zwei Uhr.

Er setzte sich neben sie aufs Sofa und wies auf die seltsam aussehende Uhr. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde das Gefhl nicht los, da die Uhr mich mibilligend anstarrt, weil es schon so spt ist.«

»Vielleicht tut sie das wirklich«, erwiderte Christine. »Sie gehrte meinem Vater und stand in seinem Sprechzimmer, wo die Patientinnen sie sehen konnten. Es ist das einzige, was ich zurckbehalten habe.«

Sie versanken in Schweigen. Christine hatte ihm einmal ganz beilufig von dem Flugzeugunglck in Wisconsin erzhlt. Nach einer Weile sagte er sanft: »Sie mssen sich danach entsetzlich einsam vorgekommen sein.«

»Ich wollte sterben«, sagte sie schlicht. »Aber natrlich kommt man darber hinweg - nach einer gewissen Zeit.«

»Wie lange dauerte es?«

Sie lchelte. »Ein - zwei Wochen. Der Hang zum Leben war schlielich strker.«

»Und danach?«

»Als ich nach New Orleans kam, wollte ich mich dazu zwingen, nicht mehr daran zu denken. Aber mit jedem neuen Tag fiel es mir schwerer, und da wurde mir klar, da ich mir irgendeine Arbeit suchen mute, nur wute ich nicht, was fr eine und wo.«

Sie machte eine Pause, und Peter sagte: »Erzhlen Sie weiter.«

»Zuerst dachte ich daran, mein Studium wiederaufzunehmen, aber ich kam sehr bald wieder davon ab. Ein akademischer Grad nur um seiner selbst willen erschien mir so sinnlos, und dann hatte ich auch das Gefhl, als wre ich alledem entwachsen.«

»Das kann ich verstehen.«

Christine nippte nachdenklich an ihrem Glas. Peter betrachtete ihr beherrschtes Gesicht und sprte, wieviel Selbstbeherrschung und Gelassenheit es ausstrahlte.

»Na ja, eines Tages ging ich zufllig durch die Carondelet Street«, erzhlte Christine, »und da sah ich pltzlich ein Schild: >Handelsschule<. Das ist das richtige, dachte ich mir; ich lerne einfach Schreibmaschine und Stenografie und suche mir eine Stellung, wo ich endlos viel zu tun habe. Und genauso ist es dann schlielich auch gekommen.«

»Und wieso landeten Sie gerade im St. Gregory?«

»Ich wohnte da - seit meiner Ankunft in New Orleans. Eines Morgens brachte man mir mit dem Frhstck auch die >Times -Picayune<, und im Inseratenteil fand ich ein Stellungsangebot fr den Posten einer Privatsekretrin beim Hoteldirektor. Es war noch sehr frh, und ich dachte, ich wrde als erste dort sein und warten. Damals war W. T. zeitiger im Bro als alle anderen. Ich ging in den Verwaltungstrakt und setzte mich ins Vorzimmer.«

»Hat er Sie vom Fleck weg eingestellt?«

»Eigentlich nicht... das heit, offiziell engagiert wurde ich im Grunde nie. Als W. T. erfahren hatte, warum ich drauen wartete, rief er mich herein und fing an, mir Briefe zu diktieren und mich mit Anweisungen zu bombardieren. Die anderen Bewerber um den Posten trafen ein, nachdem ich schon stundenlang hart gearbeitet hatte, und so bernahm ich es denn auch, ihnen mitzuteilen, da die Stellung bereits vergeben war.«

Peter schmunzelte. »Das sieht dem Alten hnlich.«

»Selbst danach htte er sich vielleicht nicht weiter um die Angelegenheit gekmmert, wenn ich ihm nicht drei Tage spter einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt htte, auf dem, glaub' ich, stand: >Ich heie Christine Francis und schlage das und das Gehalt vor.< Er gab mir den Zettel zurck, ohne Kommentar -nur mit seinen Initialen versehen, und das war alles.«

»Das war eine hbsche Gute-Nacht-Geschichte.« Peter erhob sich vom Sofa und streckte sich. »Ihre Uhr da starrt mich schon wieder an. Es ist wohl Zeit, da ich gehe.«

»Aber das ist nicht fair«, protestierte Christine. »Wir haben die ganze Zeit nur ber mich gesprochen.«

Sie war sich der Wirkung bewut, die Peters Mnnlichkeit auf sie ausbte; und doch war er auch gutmtig und sanft, dachte sie; das hatte sich heute nacht gezeigt, als er Albert Wells in die Decke hllte und ins andere Zimmer hinbertrug. Sie ertappte sich bei der Frage, wie es wohl sein mochte, von ihm in den Armen gehalten zu werden.

»Ich habe unser Zusammensein genossen... es war ein wundervoller Abschlu nach einem lausigen Tag.« Er hielt inne und sah sie gerade an. »Bis zum nchsten Mal. Ja?«

Als sie nickte, beugte er sich vor und kte sie flchtig.

Im Taxi, das er von Christines Appartement aus bestellt hatte, berlie sich Peter einer wohligen Mdigkeit und dachte ber die Ereignisse des vergangenen Tages und des Abends nach. Der Tag hatte die bliche Quote von Problemen gebracht; am Abend war die Kurve jh angestiegen und hatte ihm so unangenehme Zwischenflle wie den Zusammensto mit dem Herzog und der Herzogin von Croydon beschert, die schwere Erkrankung von Albert Wells und den Vergewaltigungsversuch an Marsha Preyscott. Es gab auch noch einige ungeklrte Fragen in bezug auf Ogilvie, Herbie Chandler un nun auch Curtis O'Keefe, dessen Ankunft die Ursache fr Peters Weggang sein konnte. Und dann war da noch Christine, die schon immer dagewesen war und die er vor heute nacht nie so recht beachtet hatte.

Aber er sagte sich warnend: Frauen waren schon zweimal sein Verderben gewesen. Was immer zwischen Christine und ihm entstehen mochte, es mute sich langsam entwickeln, und er mute vorsichtig sein.

Das Taxi raste auf den Elysian Fields stadteinwrts. Als sie die Stelle passierten, wo Christine und er auf der Hinfahrt angehalten worden waren, bemerkte er, da die Absperrung entfernt und die Polizei verschwunden war. Aber die Erinnerung daran rief wieder das vage Unbehagen wach, das er schon frher versprt hatte, und es bedrckte ihn auf dem ganzen Weg bis zu seinem eigenen Appartement, ein oder zwei Blocks vom St. Gregory entfernt.

DIENSTAG

1

Wie alle Hotels erwachte das St. Gregory frhzeitig und erhob sich gleich einem kampferprobten alten Frontsoldaten aus kurzem leichtem Schlummer. Lange bevor die ersten Gste verschlafen vom Bett ins Bad torkelten, war sacht das Rderwerk eines neuen Hoteltages angelaufen.

Gegen fnf Uhr begannen mde nchtliche Reinmachetrupps, die whrend der vergangenen acht Stunden in den Gesellschaftsrumen, auf den unteren Treppen, im Kchentrakt und in der Halle schwer gearbeitet hatten, ihre Gertschaften einzusammeln und sie fr den Tag zu verstauen. Nach ihrem Abzug glnzten die Bden, schimmerten Holz- und Metallwerk, und smtliche Rume rochen angenehm nach frischem Bohnerwachs.

Eine Putzfrau, die alte Meg Yetmein, die seit nahezu dreiig Jahren im Hotel gearbeitet hatte, schleppte sich mhsam vorwrts, und jeder zufllige Beobachter htte ihre unbeholfenen Bewegungen ihrer Mdigkeit zugeschrieben. Der wirkliche Grund war jedoch ein dreipfndiges Lendensteak, das an der Innenseite ihres Oberschenkels befestigt war. Vor einer halben Stunde, als sie fr einige Minuten unbeaufsichtigt war, hatte Meg das Stck Fleisch aus der Khltruhe in der Kche entwendet. Aus langjhriger Erfahrung wute sie genau, wo sie nachsehen mute und wie sie ihre Beute, in einen alten Putzlappen eingehllt, unbemerkt bis zum Waschraum schaffen konnte. Dort, hinter einer verriegelten Tr vor Entdeckung geschtzt, befestigte sie das Steak mit Heftpflaster. Obwohl sie fast eine Stunde lang mit ihrer kalten, klammen Last herumlaufen mute, nahm sie die Unbequemlichkeit gern in Kauf, im Bewutsein, da sie unbefangen am Hausdetektiv vorbeimarschieren konnte, der den Personaleingang berwachte und ausgehende Pckchen und angeschwollene Taschen mitrauisch untersuchte. Dies von ihr selbst ersonnene Verfahren war, wie sie schon oft zuvor erprobt hatte, absolut narrensicher.

Zwei Stockwerke ber Meg, hinter einer unmarkierten, gut versperrten Tr im Zwischengescho, legte eine Telefonistin ihr Strickzeug beiseite und erledigte den ersten morgendlichen Weckruf. Die Telefonistin war Mrs. Eunice Ball, Witwe, Gromutter und Seniorin der drei Frauen, die heute die Frhschicht hatten. Zwischen halb sechs und sieben Uhr wrde das Trio in der Zentrale vereinzelt weitere Gste wecken, deren Anweisungen vom Abend zuvor, auf Karten vermerkt und nach Viertelstunden geordnet, sich in Reichweite in einem Karteifach befanden. Nach sieben Uhr wrde sich das Tempo erhhen.

Mit gebten Fingern bltterte Mrs. Ball die Karten durch. Sie stellte fest, da sieben Uhr 45, wo fast hundertachtzig Anrufe fllig waren, wie immer der kritische Zeitpunkt war. Selbst bei grter Schnelligkeit wrden die drei Telefonistinnen das Pensum kaum in weniger als zwanzig Minuten bewltigen, was bedeutete, da sie frh, und zwar um 7 Uhr 35, beginnen muten - sofern sie rechtzeitig mit den Anrufen um halb acht fertig geworden waren -, bis fnf vor acht zu tun haben und damit in das Acht-Uhr-Pensum hineingeraten wrden.

Mrs. Ball seufzte. Heute war es unvermeidlich, da sich Gste bei der Geschftsleitung beschwerten, weil angeblich irgendeine stupide, vorm Klappenschrank eingedste Telefonistin sie entweder zu frh oder zu spt geweckt hatte.

Die Frhschicht hatte aber auch ihre Vorteile. Wenige Gste waren zu so frher Stunde zum Reden aufgelegt oder hatten verliebte Anwandlungen, wie es nachts manchmal der Fall war -daher auch die unmarkierte versperrte Tr. Auerdem traf um acht Uhr die Tagschicht ein - fnfzehn insgesamt zur Hauptgeschftszeit -, und die drei von der Frhschicht wrden um neun glcklich zu Haus sein und im Bett liegen.

Wieder war ein Weckruf fllig. Mrs. Ball steckte einen Stpsel ein, bettigte den Umschalter, und irgendwo weit entfernt schlug ein Telefon schrill an.

Zwei Stockwerke unter der Strae im Maschinenkontrollraum legte Wallace Santopadre, dritter Ingenieur, eine Taschenbuchausgabe von Toynbees Werk »Die Griechische Kultur« beiseite und verspeiste ein Erdnubutterbrot, an dem er in Etappen herumgekaut hatte. In der letzten Stunde war alles ruhig gewesen, und er hatte zwischendurch gelesen. Nun war es Zeit fr den letzten Rundgang. Als er die Tr zum Maschinenraum ffnete, empfing ihn das Summen der Motoren.

Er berprfte die Heiwasseranlage und stellte einen Temperaturanstieg fest, womit sich erwies, da der Thermostat seine Pflicht tat. Fr den unmittelbar bevorstehenden Zeitraum, in dem der Verbrauch am strksten war, weil an die achthundert Menschen mglicherweise alle gleichzeitig baden oder duschen wollten, war gengend Heiwasser vorhanden.

Die umfangreiche Klimaanlage - eine Spezialmaschine von riesigem Gewicht - lief wegen des nchtlichen Absinkens der Auentemperatur viel ruhiger. Die Abkhlung der Luft hatte es ermglicht, einen Kompressor auszuschalten, und indem man auch die anderen abwechselnd entlastete, konnten Reparaturen, die whrend der Hitzewelle der letzten Wochen verschoben werden muten, endlich ausgefhrt werden. Der Chefingenieur wrde sich darber freuen, dachte Wallace Santopadre.

Der alte Mann wrde allerdings nicht so beglckt sein ber die Nachricht, da in der Nacht - gegen zwei Uhr - elf Minuten lang der Strom ausgefallen war, vermutlich infolge des Unwetters im Norden.

Fr das St. Gregory war das kein wirkliches Problem gewesen, und die meisten Gste hatten fest geschlafen und ohnehin nichts davon gemerkt. Santopadre hatte sofort das Ersatzaggregat eingeschaltet, das von den hoteleigenen Generatoren gespeist wurde und seine Aufgabe zufriedenstellend erfllte. Aber es hatte immerhin drei Minuten gedauert, bevor er die Generatoren gestartet und auf Hochtouren gebracht hatte, mit dem Resultat, da alle elektrischen Uhren des St. Gregory - ber zweihundert insgesamt - nun drei Minuten nachgingen. Ein Monteur wrde fr das mhselige Geschft, jede Uhr mit der Hand zu regulieren, nahezu den ganzen nchsten Tag brauchen.

Nicht weit vom Maschinenraum entfernt, in einem glhendheien, belriechenden, ummauerten Hof, war Booker T. Graham damit beschftigt, die Ausbeute einer arbeitsreichen Nacht inmitten der Hotelabflle zusammenzutragen. Um ihn her flackerte der Feuerschein von rauchgeschwrzten Wnden.

Wenige Menschen im Hotel, die Angestellten mit eingeschlossen, hatten Bookers Domne jemals gesehen, und alle, die sie kannten, erklrten, sie htte viel hnlichkeit mit den Vorstellungen der Evangelisten von der Hlle. Aber Booker, der selbst einem liebenswerten Teufel glich, mit seinen leuchtenden Augen und blitzenden Zhnen in dem schweiglnzenden schwarzen Gesicht, geno seine Arbeit und auch die Hitze des Verbrennungsofens.

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