Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð

Er nahm jedoch an, da er demnchst auf Dodo verzichten wrde. Seit beinahe einem Jahr - lnger als die meisten anderen vor ihr - war sie eine Art Fixstern an seinem Himmel. In Hollywood gab es noch eine Menge kleiner Sternchen, die nur auf einen freundlichen Wink warteten. Natrlich wrde er Dodo versorgen, wrde seinen weitreichenden Einflu benutzen, um ihr ein oder zwei gute Rollen beim Film zu verschaffen, und wer wei, vielleicht wurde sie sogar ein Star. Den Krper und das Gesicht dazu hatte sie. Andere hatten es mit diesen ntzlichen Attributen weit gebracht.

Der Empfangschef kam zum Schalter zurck. »Es ist alles bereit, Sir.«

Curtis O'Keefe nickte. Dann setzte sich die kleine Prozession, angefhrt von Herbie Chandler, der sich schleunigst eingefunden hatte, in Bewegung und marschierte zum wartenden Lift hinber.

6

Kurz nachdem Curtis O'Keefe und Dodo ihre Suiten bezogen hatten, nahm Julius »Keycase« Milne ein Einzelzimmer.

Keycase rief um zehn Uhr 45 im St. Gregory an und benutzte dazu die direkte Leitung vom Moisant-Flughafen zum Hotel (Telefonieren Sie kostenlos mit New Orleans' feinstem Hotel). Als er um die Besttigung einer Reservierung bat, die er vor einigen Tagen von auerhalb gettigt hatte, wurde ihm versichert, mit der Vorbestellung sei alles in Ordnung, und falls er sich gtigst auf schnellstem Weg in die Stadt aufmachen wrde, knne man ihn sofort unterbringen.

Da sein Entschlu, im St. Gregory abzusteigen, erst einige Minuten alt war, hatte sich Keycase ber die Mitteilung gefreut, wenn sie ihn auch nicht berraschte, denn er hatte sich vorsichtshalber in smtlichen greren Hotels von New Orleans angemeldet, und zwar in jedem unter einem anderen Namen. Im St. Gregory hatte er sich als »Byron Meader« angemeldet, ein Name, den er einer Zeitung entnommen hatte, weil der rechtmige Eigentmer beim Toto einen betrchtlichen Gewinn eingestrichen hatte. Dies schien ihm von guter Vorbedeutung zu sein, und auf Vorzeichen gab Keycase sehr viel.

Sie schienen ihm bei mehreren Gelegenheiten tatschlich Glck gebracht zu haben. So war zum Beispiel bei seinem letzten Gastspiel vor Gericht und gleich nach seinem Schuldgestndnis ein Sonnenstrahl schrg ber den Richtertisch gefallen, und der Urteilsspruch, der kurz darauf erging, verdonnerte Keycase zu milden drei Jhrchen, whrend er mit mindestens fnf gerechnet hatte. Auch die Serie von Jobs, die ihn dann schlielich ins Gefngnis brachte, hatte sich zunchst ber Erwarten gut abgewickelt. Bei seinen nchtlichen Besuchen in mehreren Detroiter Hotelzimmern war alles glatt gegangen. Wie er vermutete, hauptschlich deshalb, weil alle Zimmernummern auer der letzten seine Glckszahl, eine Zwei, enthielten. In diesem Raum schlielich, dem die ermutigende Ziffer fehlte, erwachte die Bewohnerin und schrie gellend auf, gerade, als Keycase ihren Nerzmantel in einen Koffer stopfte, nachdem er bereits ihren Schmuck und ihr Bargeld in einer seiner besonders gerumigen Manteltaschen verstaut hatte.

Vielleicht infolge der unheilvollen Nummernsituation wollte es das Pech, da sich ein Hausdetektiv in Hrweite der Hilferufe befand und prompt darauf reagierte. Keycase, ein Philosoph, fgte sich mit Grazie ins Unvermeidliche und verzichtete sogar auf jede Ausrede, obwohl ihm seine erfindungsreichen Erklrungen schon manchmal gute Dienste geleistet hatten. Bei der Tat ertappt zu werden, war jedoch ein Risiko, das jeder Dieb und auch ein so erfahrener Spezialist wie Keycase in Kauf nehmen mute. Aber nun, nachdem er wegen guter Fhrung vorzeitig entlassen worden war und auch schon einen zehntgigen erfolgreichen Beutezug in Kansas City hinter sich hatte, freute er sich auf zwei eintrgliche Wochen in New Orleans.

Der Start war vielversprechend.

Kurz vor halb acht war er auf dem Moisant-Flughafen eingetroffen, nach kurzer Fahrt von dem Chef Menteur Highway aus, wo er die vergangene Nacht in einem billigen Motel verbracht hatte. Es war ein prchtiges modernes Flughafengebude, dachte Keycase, mit viel Glas und Chrom und zahllosen Papierkrben, die fr seine Zwecke besonders wichtig waren.

Auf einer Tafel las er, da der Flughafen nach John Moisant benannt worden war, einem Brger von New Orleans und Flugpionier, und stellte dabei frohlockend fest, da die Anfangsbuchstaben des Namens mit seinen eigenen Initialen bereinstimmten, was auch ein gnstiges Omen sein konnte. Er fand, da es genau die Sorte Flugplatz war, auf der er selbst gern in einer Dsenmaschine landen wrde. Vielleicht konnte er sich diesen Luxus bald leisten, falls die Dinge weiterhin so glatt liefen wie vor seinem letzten Gefngnisaufenthalt, der ihn eine Weile aus der bung gebracht hatte. Aber er hatte fast wieder seine alte Form erreicht, auch wenn er heute manchmal zgerte, wo er frher khl zugepackt htte.

Aber das war natrlich und hatte seinen Grund. Er wute, da er diesmal, falls er wieder gefat wurde, mit zehn bis fnfzehn Jahren rechnen mute. Die Strafe wrde nicht leicht zu verkraften sein. Mit zweiundfnfzig hatte man nicht mehr viel Zeit zu verschwenden.

Whrend er unauffllig durchs Flughafengebude schlenderte - fr den Betrachter eine adrette gut gekleidete Gestalt mit einer zusammengefalteten Zeitung unter dem Arm -, hielt Keycase seine Augen sorgsam offen. Von der ueren Erscheinung her wirkte er entspannt und zuversichtlich wie ein wohlhabender Geschftsmann. Nur seine Augen waren unausgesetzt in Bewegung und nahmen die Reisenden scharf aufs Korn, die ihre Hotels frhzeitig verlassen hatten und in Bussen und Taxis vor dem Flughafengebude anlangten. Der Strom ri nicht ab. Es war der erste Massenaufbruch des Tages nach dem Norden, und er war um so strker, als United, National, Eastern und Delta mit planmigen Dsenmaschinen nach New York, Washington, Chikago, Miami und Los Angeles starteten.

Zweimal ersphte er das, worauf er wartete, und beide Male blieb es im Ansatz stecken. Zwei Mnner stieen, als sie in die Tasche griffen, um Flugschein oder Kleingeld herauszuholen, auf ihren Hotelzimmerschlssel, den sie versehentlich eingesteckt hatten. Der erste beherzigte den Rat auf dem Plastikanhnger des Schlssels, machte sich auf die Suche nach einem Briefkasten und warf ihn ein. Der andere bergab ihn einem Angestellten am Flugscheinschalter, und der deponierte ihn im Geldfach, um ihn bei nchster Gelegenheit dem Hotel zuzustellen.

Beide Zwischenflle waren enttuschend, aber fr Keycase eine alte Erfahrung. Er blieb weiter auf dem Posten. Er war ein geduldiger Mann und wute, da er nicht umsonst warten wrde.

Zehn Minuten spter wurde seine Wachsamkeit belohnt.

Ein Mann mit frischem rotem Gesicht und beginnender Glatze, der einen Mantel, eine pralle Flugtasche und eine Kamera trug, blieb auf dem Weg zur Abflugrampe stehen, um sich eine Illustrierte zu kaufen. Am Zeitungsstand entdeckte er in seiner Rocktasche einen Hotelschlssel und stie einen verrgerten Ruf aus. Seine Frau, eine dnne freundliche Person, machte ihm leise einen Vorschlag, den er mit einem barschen »Dazu haben wir keine Zeit mehr!« beantwortete. Keycase, dem kein Wort entgangen war, heftete sich an ihre Fersen. Tatschlich! Als sie an einem Abfallkorb vorbeikamen, warf der Mann den Schlssel hinein.

Alles brige war fr Keycase Routine. Er schlenderte an dem Papierkorb vorbei und lie seine zusammengefaltete Zeitung hineinplumpsen; dann als htte er sich pltzlich eines anderen besonnen, machte er kehrt und fischte sie wieder heraus. Dabei suchte er das Innere mit den Augen ab, ersphte den weggeworfenen Schlssel und nahm ihn unauffllig an sich. Hinter der verriegelten Tr der Herrentoilette stellte er wenige Minuten spter fest, da der Schlssel aus dem St.-Gregory-Hotel stammte und zum Zimmer 641 gehrte.

Anscheinend hatte er eine ausgesprochene Glcksstrhne, denn eine halbe Stunde spter gelang ihm ein zweiter Fischzug. Auch dieser Schlssel kam aus dem St. Gregory - eine Annehmlichkeit, die Keycase dazu veranlate, unverzglich im Hotel anzurufen und seine Reservierung zu besttigen. Er beschlo, sein Glck nicht ungebhrlich dadurch herauszufordern, da er noch lnger im Flughafengebude verweilte. Der Start war vielversprechend gewesen, gegen Abend wrde er sich im Bahnhof auf die Lauer legen und in ein paar Tagen noch einmal dem Flughafen einen Besuch abstatten. Im brigen gab es noch andere Mittel und Wege, um zu Hotelschlsseln zu kommen, und er hatte gestern abend einige diesbezgliche Vorkehrungen getroffen.

Nicht ohne Grund hatte ein New Yorker Staatsanwalt vor Jahren whrend einer Verhandlung gesagt: »Alles, womit sich dieser Mann befat, Eurer Ehren, wird zum Schlsselfall. Fr mich ist er, offen gestanden, allmhlich zum Schlsselfall Milne geworden.«

Die Anmerkung gelangte bis in die Polizeiakten, und der Name »Keycase« - Schlsselfall - Milne blieb an ihm hngen. Soga Keycase selbst benutzte ihn nun mit einem gewissen Stolz. Es war ein Stolz, der seine Wrze erhielt durch die erfahrungsmig belegte Tatsache, da die Chance gro war, mit ein wenig Zeit, Geduld und Glck, einen Schlssel zu so ziemlich jedem Schlo zu ergattern.

Die Spezialkenntnisse, die Keycase derzeit anwandte, sttzten sich auf die Gleichgltigkeit der Leute gegenber Hotelschlsseln - eine Einstellung, die Hoteliers in der ganzen Welt zur Verzweiflung brachte. Theoretisch sollte jeder abreisende Gast beim Bezahlen der Rechnung seinen Zimmerschlssel abliefern.

Aber die Praxis sah anders aus. Unzhlige Schlssel wurden versehentlich in Taschen und sonstigen Behltnissen aus dem Hotel getragen. Gewissenhafte Menschen warfen sie in den Briefkasten, und ein groes Hotel wie das St. Gregory zahlte wchentlich fnfzig Dollar und mehr an Porto fr zurckgeschickte Schlssel. Aber es gab auch Leute, die einen versehentlich mitgenommenen Schlssel entweder behielten oder einfach wegwarfen.

Diese letzte Gruppe sorgte dafr, da die Geschfte von professionellen Hoteldieben wie Keycase Milne stndig florierten.

Vom Flughafengebude aus begab sich Keycase zum Parkplatz und zu seinem fnf Jahre alten Ford, den er in Detroit gekauft hatte und mit dem er zunchst nach Kansas City und dann nach New Orleans gefahren war. Fr Keycase war der Wagen ideal - unauffllig, dunkelgrau und weder zu alt noch zu neu, um bertriebene Aufmerksamkeit zu erregen oder im Gedchtnis behalten zu werden. Nur eine Sache beunruhigte ihn ein wenig. Das Nummernschild von Michigan - ein attraktives Grn auf weiem Grund war ein wenig zu auffllig. Kennzeichen anderer Staaten waren zwar in New Orleans nichts Ungewhnliches, aber er htte dennoch gern auf das kleine charakteristische Merkmal verzichtet. Er hatte die Benutzung eines geflschten Nummernschildes von Louisiana in Erwgung gezogen, jedoch erschien ihm dieses Risiko noch grer. Auerdem war Keycase schlau genug, sich nie allzu weit von seinem Spezialgebiet zu entfernen.

Der Motor sprang sofort an und brummte gleichmig, das Resultat einer Generalberholung, die Keycase selbst vorgenommen hatte. Diese Kunst hatte er sich auf Staatskosten whrend einer seiner zahlreichen Gefngnisstrafen angeeignet.

Er fuhr die vierzehn Meilen in die Stadt, die Geschwindigkeitsbeschrnkungen sorgsam beachtend, und steuerte das St. Gregory an, das er am Tag zuvor ausfindig gemacht und ausgekundschaftet hatte. Er parkte unweit der Canal Street, einige Blocks vom Hotel entfernt, und holte zwei Koffer aus dem Wagen. Den Rest seines Gepcks hatte er in seiner Motelkabine zurckgelassen, die er auf mehrere Tage im voraus bezahlt hatte. Ein solcher Unterschlupf lief ins Geld, war aber eine wohlberlegte Vorsichtsmanahme. Die Kabine wrde ihm als Versteck dienen fr alles, was er erbeutete, und konnte notfalls vllig preisgegeben werden. Keycase hatte darauf geachtet, da nichts in ihr zurckblieb, was ihn verraten konnte. Der Kabinenschlssel war im Luftfilter des Vergasers seines Fords versteckt.

Mit zuversichtlicher Miene betrat er das St. Gregory, berlie sein Gepck einem Trsteher und trug sich als B. W. Meader aus Ann Arbor, Michigan, ein. Der Empfangschef, beeindruckt von dem gut geschnittenen Anzug und den festen, scharfen Gesichtszgen, die von Autoritt zeugten, behandelte den Neuankmmling mit Respekt und wies ihm Zimmer 830 an. Jetzt besa er drei Schlssel des St. Gregory, dachte Keycase frohgestimmt, einer, von dem das Hotel wute, und zwei, von denen es nichts ahnte.

Zimmer 830, in das der Boy ihn kurz danach fhrte, erwies sich als ideal. Es war gerumig und komfortabel und - wie Keycase bereits auf dem Weg festgestellt hatte - nur einige Meter von der Personaltreppe entfernt.

Sobald er allein war, packte er sorgfltig aus. Spter wollte er dann ein Schlfchen machen, um sich auf die vor ihm liegende schwere Nachtarbeit vorzubereiten.

7

Als Peter McDermott in der Halle ankam, waren Curtis O'Keefe und sein Tro schon abgezogen. Peter beschlo, ihm nicht zu folgen; es gab Zeiten, wo einem Gast zu viel Aufmerksamkeit ebenso lstig sein konnte wie zu wenig. Auerdem wrde Warren Trent die offizielle Begrung des St. Gregory bernehmen. Nachdem Peter sich vergewissert hatte, da der Hotelbesitzer von O'Keefes Ankunft unterrichtet worden war, suchte er Marsha Preyscott in der Nummer 555 auf.

Sie ffnete die Tr und sagte: »Ich bin froh, da Sie da sind. Ich dachte schon, Sie wrden nicht mehr kommen.«

Marsha trug ein rmelloses aprikosenfarbenes Kleid, das sie sich offenbar diesen Morgen hatte holen lassen. Es lag leicht am Krper an. Ihr langes schwarzes Haar hing locker um die Schultern. Es lag etwas seltsam Herausforderndes - beinahe Atemberaubendes - in der halb kindlichen, halb fraulichen Erscheinung.

»Tut mir leid, da es so lange gedauert hat.« Er musterte sie anerkennend. »Aber wie ich sehe, haben Sie die Zeit gut genutzt.«

»Ich dachte, Sie wrden vielleicht den Pyjama brauchen«, erwiderte sie lchelnd.

»Der ist nur fr den Notfall da - wie dieses Zimmer. Ich benutze es sehr selten.«

»Das hat mir das Mdchen auch gesagt. Und deshalb wrde ich gern wenigstens noch eine Nacht hier bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Oh! Darf ich fragen, warum?«

»Ich wei es selbst nicht genau.« Sie sah ihn unschlssig an. »Vielleicht, weil ich mich von dem, was gestern nacht passierte, erholen mchte und weil das hier der beste Platz dafr ist.« Aber sich selbst gestand sie den wirklichen Grund offen ein. Sie wollte die Rckkehr in das groe leere Haus im Gartendistrikt noch ein wenig aufschieben.

Er nickte zweifelnd. »Wie fhlen Sie sich?«

»Besser.«

»Das freut mich.«

»Man kommt natrlich nicht in ein paar Stunden ber eine solche Erfahrung hinweg«, sagte Marsha. »Aber es war, frchte ich, furchtbar dumm von mir, berhaupt herzukommen - das haben Sie mir ja auch zu verstehen gegeben.«

»Ich habe nichts dergleichen gesagt.«

»Nein, aber Sie haben's gedacht.«

»Falls ich das getan habe, htte ich dran denken sollen, da wir alle manchmal in eine Patsche geraten.« Nach einem kurzen Schweigen fgte Peter hinzu: »Setzen wir uns doch.«

Sobald sie bequem saen, begann Peter: »Ich hatte gehofft, Sie wrden mir erzhlen, wie alles anfing.«

»Ich wei.« In der unverblmten Art, an die er sich allmhlich gewhnte, fgte sie hinzu: »Und ich hab' mich gefragt, ob ich's Ihnen berhaupt erzhlen soll.«

Gestern nacht war sie vor allem erschrocken, in ihrem Stolz verletzt und vllig erschpft gewesen, dachte Marsha. Aber nun war der Schock vergangen, und ihr Stolz wrde vermutlich weniger leiden, wenn sie schwieg, als wenn sie sich verteidigte. Vermutlich war im nchternen Licht des Morgens auch Lyle Dumaire und seinen Kumpanen die Lust dazu vergangen, mit ihrer Heldentat zu prahlen.

»Ich kann Sie natrlich nicht zum Reden zwingen. Aber ich mchte Sie daran erinnern, da Leute, die beim erstenmal ungeschoren davonkommen, es hufig noch einmal versuchen -nicht bei Ihnen vielleicht, aber bei jemand anderem.« Ihre Augen blickten beunruhigt drein, als er fortfuhr: »Ich wei nicht, ob die jungen Mnner, die gestern nacht dabei waren, Freunde von Ihnen sind oder nicht. Aber selbst wenn sie's wren, gibt es fr meine Begriffe nicht den mindesten Grund, sie zu schtzen.«

»Einer war ein Freund. Wenigstens hab' ich das immer gedacht.«

»Freund oder nicht, der springende Punkt ist, was sie vorhatten und auch ausgefhrt htten, wenn Royce nicht eingegriffen htte. Kommt noch hinzu, da alle vier, als es brenzlig wurde, wie die Ratten davonschossen und Sie allein lieen.«

»Gestern nacht hrte ich Sie sagen, da Sie die Namen von zweien wten.«

»Das Zimmer war unter dem Namen Stanley Dixon registriert. Dann wurde mir noch der Name Dumaire genannt. Waren die beiden beteiligt?«

Sie nickte.

»Wer war der Anfhrer?«

»Ich glaube... Dixon.«

»Schn,und nun erzhlen Sie mir bitte, was sich davor abspielte.«

Marsha wurde klar, da ihr die Entscheidung in gewisser Weise aus der Hand genommen worden war. Es kam ihr vor, als werde sie gefhrt. Die Erfahrung war fr sie neu, und sie stellte erstaunt fest, da sie ihr gefiel. Gehorsam schilderte sie der Reihe nach die Ereignisse.

Am Schlu drngte es sie, ihm noch mehr zu erzhlen. Das Ganze, sagte sie, wre vermutlich gar nicht passiert, wenn sie gestern nicht Geburtstag gehabt htte.

Er schien berrascht zu sein. »Gestern war Ihr Geburtstag?«

»Ich wurde neunzehn.«

»Und Sie waren allein?«

Da sie ihm schon so viel anvertraut hatte, wre es sinnlos gewesen, ihm irgend etwas vorzuenthalten. Marsha beschrieb den Anruf aus Rom und ihre Enttuschung darber, da ihr Vater nicht rechtzeitig zurck sein wrde.

»Das tut mir leid«, sagte er, als sie zu Ende war. »Jetzt verstehe ich einiges.«

»Es wird nie wieder vorkommen. Nie!«

»Davon bin ich berzeugt.« Er schlug einen mehr geschftsmigen Ton an. »Ich wrde von dem, was Sie mir erzhlt haben, jetzt ganz gern Gebrauch machen.«

Sie fragte zweifelnd: »Aber wie?«

»Ich werde die vier jungen Leute - Dixon, Dumaire und die zwei anderen - zu einem Gesprch ins Hotel bitten.«

»Vielleicht kommen sie nicht.«

»O doch, sie werden kommen.« Peter hatte sich seinen Angriffsplan bereits zurechtgelegt.

Marsha war sich noch nicht schlssig. »Aber wrden auf diese Art nicht eine Menge Leute von der Sache erfahren?«

»Nach der Unterredung wird die Wahrscheinlichkeit, da jemand schwatzt, sogar noch geringer sein als vorher, das verspreche ich Ihnen.«

»Na schn. Und vielen Dank fr alles.« Marsha fhlte sich unsglich erleichtert.

Es war ber Erwarten leicht gegangen, dachte Peter. Jetzt, wo er alle Informationen hatte, die er brauchte, brannte er darauf, sie zu verwenden. Aber vielleicht sollte er lieber noch ein paar Minuten bleiben, um dem Mdchen seine Unbefangenheit wiederzugeben. »Da ist noch etwas, das ich Ihnen erklren mu, Miss Preyscott.«

»Marsha.«

»Okay, ich heie Peter.« Gegen diesen Mangel an Form war vermutlich nichts einzuwenden, obwohl leitende

Hotelangestellte dazu angehalten wurden, ihn zu vermeiden, auer bei den Gsten, die sie gut kannten. »Es passieren eine Menge Dinge im Hotel, Marsha, bei denen wir ein Auge zudrcken. Aber wenn sich so etwas, wie gestern nacht, ereignet, knnen wir sehr unangenehm werden. Das gilt auch fr alle Angehrigen unseres Personals, wenn wir herausfinden, da sie an der Affre beteiligt waren.«

Peter wute, da dieser Punkt, der mit dem guten Ruf des Hotels eng zusammenhing, Warren Trent ebenso nahegehen wrde wie ihm selbst und da jede seiner Manahmen -vorausgesetzt, er konnte die Tatsachen beweisen - die volle Untersttzung des Hotelbesitzers haben wrde.

Das Gesprch hatte seinen Zweck erfllt, fand Peter. Er stand auf und ging zum Fenster. Von dieser Seite des Hotels aus konnte er auf den vormittglichen Verkehr in der Canal Street hinabsehen. Die sechs Fahrbahnen waren vollgepackt mit schnellen und langsamen Fahrzeugen, auf den Gehsteigen drngten sich Scharen von Kauflustigen. An der Kreuzung, wo die Fahrbahnen wie Blattrippen zusammenliefen, ballte sich der Verkehr, whrend in der Sonne funkelnde, aluminiumverkleidete Busse mit Klimaanlage auf dem Mittelstreifen vorbeiglitten. Er stellte fest, da die N. A. A. C. P. wieder einige Geschfte bestreikte. »Dieser Laden macht Rassenunterschiede. Kaufen Sie woanders« war auf einem Plakat zu lesen, und es gab noch andere. Die Trger marschierten langsam durch das Gewhl der Passanten.

»Sie sind neu in New Orleans, nicht wahr?« fragte Marsha, die ihm zum Fenster gefolgt war. Er versprte ein zartes Parfm.

»Ziemlich neu. fch denke, mit der Zeit werde ich die Stadt besser kennenlernen.«

»Ich wei eine Menge ber die Geschichte von New Orleans«, sagte sie mit pltzlicher Begeisterung, »und ich wrde Sie schrecklich gern herumfhren.«

»Also..., ich hab' mir ein paar Bcher angeschafft. Zu Besichtigungen hab' ich einfach keine Zeit.«

»Die Bcher knnen Sie spter immer noch lesen. Es ist viel besser, wenn man sich vorher alles ansieht. Auerdem mchte ich Ihnen so gern meine Dankbarkeit beweisen...«

»Das ist nicht ntig.«

»Na schn, ich wrd's aber auch sonst gern tun. Bitte!« Sie legte ihm die Hand auf den Arm.

Er sagte: »Das ist ein interessantes Angebot«, und fragte sich im stillen, ob er klug handelte.

»Gut! Abgemacht! Morgen abend gebe ich ein Essen. Ganz im alten New-Orleans-Stil. Und danach unterhalten wir uns ber die lokale Geschichte.«

»Sachte!« protestierte er.

»Soll das heien, da Sie bereits verabredet sind?«

»Nun, nicht unbedingt.«

»Fein, dann ist das also auch abgemacht«, sagte Marsha entschieden.

Im Gedanken an die Vergangenheit und weil er Beziehungen zu einem jungen Mdchen, das auch ein Gast des Hotels war, unbedingt vermeiden wollte, zgerte Peter. Dann entschied er, da es unhflich wre, die Einladung abzulehnen. Die Teilnahme an einem Dinner war schlielich keine Entgleisung, zumal, wenn noch andere Gste dabei waren. »Wenn ich einwillige, dann nur unter einer Bedingung.«

»Und die wre?«

»Gehen Sie nach Haus, Marsha. Verlassen Sie das Hotel und gehen Sie heim.«

Ihre Augen begegneten einander. Wieder nahm ihn ihre Jugendfrische und zarte Anmut gefangen.

»Gut«, sagte sie, »wenn Sie's wollen, geh' ich.«

Gedankenversunken betrat Peter McDermott einige Minuten spter sein Bro im Zwischengescho. Es ging ihm zu Herzen, da jemand, der so jung war wie Marsha Preyscott und der vermutlich mit einem goldenen Lffel im Mund geboren worden war, so offensichtlich vernachlssigt wurde. Gerade weil ihr Vater im Ausland und ihre Mutter durchgebrannt war - er hatte von den mehrfachen Ehen der vormaligen Mrs. Preyscott gehrt -, fand er es unglaublich, da keine Schutzvorkehrungen fr das junge Mdchen getroffen worden waren. Wenn ich ihr Vater wre, dachte er... oder ihr Bruder...

Er wurde von Flora Yates unterbrochen, seiner unschnen, sommersprossigen Sekretrin. Floras kurze, dicke Finger, die flinker ber die Tasten einer Schreibmaschine tanzten, als er es je zuvor erlebt hatte, umklammerten ein Bndel Telefondurchsagen. Er zeigte darauf und fragte: »Irgendwas Dringendes?«

»Ja, aber auch das hat Zeit bis heute nachmittag.«

»Schn, sollen sie warten. Ich habe die Kasse gebeten, mir die Rechnung fr Zimmer 1126-7 heraufzuschicken. Der Name ist Stanley Dixon.«

»Hier ist sie.« Flora zog von mehreren Schnellheftern auf seinem Schreibtisch einen hervor. »Ein Kostenvoranschlag von der Schreinerei ber den angerichteten Schaden in der Suite ist auch dabei. Ich habe beides zusammen eingeheftet.«

Er berflog die zwei Schriftstcke. Die Rechnung, die mehrere Posten fr Dienste des Zimmerkellners enthielt, betrug 75 Dollar, der Kostenvoranschlag der Schreinerei belief sich auf 110 Dollar. »Suchen Sie mir die Telefonnummer fr diese Adresse heraus. Sie luft vermutlich unter dem Namen seines Vaters.«

Auf seinem Schreibtisch lag eine zusammengefaltete Zeitung, in die er bisher noch keinen Blick geworfen hatte. Es war die Morgenausgabe der »Times-Picayune«. Als Flora hinausgegangen war, schlug er die Zeitung auf, und fettgedruckte Schlagzeilen sprangen ihm frmlich entgegen. Der Unfall mit Fahrerflucht vom letzten Abend hatte sich zu einer doppelten Tragdie ausgewachsen, denn auch die Mutter des getteten Kindes war in den frhen Morgenstunden im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Peter las den Bericht, der das, was der Polizist ihm und Christine in der vergangenen Nacht erzhlt hatte, ergnzte, hastig durch. Es hie darin: »Bisher fhren keine eindeutigen Spuren zu dem Unfallwagen und seinem Fahrer. Die Polizei hlt jedoch die Aussage eines nicht genannten Zeugen fr aufschlureich, nach dessen Beobachtungen ein sehr schnell fahrender, niedriger schwarzer WagenSekunden nach dem Unfall den Tatort verlie.« Die »Times-Picayune« fgte hinzu, da stdtische und Staatspolizei gemeinsam in ganz Louisiana nach einem wahrscheinlich beschdigten Auto fahndeten, auf das diese Beschreibung pate.

Peter fragte sich, ob Christine den Zeitungsbericht schon gelesen hatte. Ihr eigener flchtiger Kontakt mit dem Unfallort schien seine Wirkung noch zu erhhen.

Floras Rckkehr mit der von ihm gewnschten Telefonnummer zwang ihn, sich auf Nherliegendes zu konzentrieren. Er schob die Zeitung beiseite und rief die Nummer ber eine direkte Leitung selbst an. Am anderen Ende meldete sich eine tiefe mnnliche Stimme: »Villa Dixon.«

»Ich htte gern mit Mr. Stanley Dixon gesprochen. Ist er zu Haus?«

»Darf ich ihm sagen, wer anruft, Sir?«

Peter nannte seinen Namen und fgte hinzu: »Das St.-Gregory-Hotel.«

Eine Pause trat ein, in der sich Schritte gemchlich entfernten und im gleichen Tempo zurckkehrten. »Bedaure, Sir, Mr. Dixon junior ist leider verhindert.«

»Richten Sie ihm bitte folgendes aus«, sagte Peter scharf.

»Sollte er sich auch weiterhin weigern, ans Telefon zu kommen, dann werde ich mich direkt an seinen Vater wenden.«

»Es wre vielleicht besser, wenn Sie das gleich tten...«

»Gehen Sie schon. Richten Sie ihm aus, was ich sagte.«

Der andere zgerte sprbar. Dann murmelte er: »Sehr wohl, Sir«, und tappte wieder davon.

Gleich darauf klickte es in der Leitung, und eine mrrische Stimme knurrte: »Hier ist Stanley Dixon. Wo brennt's denn?«

Peter antwortete schroff: »Ich rufe wegen des Vorfalls gestern nacht an. berrascht Sie das vielleicht?«

»Wer sind Sie?«

Er wiederholte seinen Namen. »Mit Miss Preyscott habe ich schon gesprochen. Jetzt will ich noch mit Ihnen sprechen.«

»Sie sprechen ja mit mir«, sagte Dixon. »Sie haben erreicht, was Sie wollten, oder etwa nicht?«

»Nein. Ich schlage vor, da Sie mich in meinem Bro im Hotel aufsuchen.« Am anderen Ende wurde ein Protestruf laut, den Peter ignorierte. »Um vier Uhr morgen nachmittag, mit den drei anderen. Sie werden sie mitbringen.«

Die Antwort kam schnell und lie an Deutlichkeit nichts zu wnschen brig. »Teufel, das knnte Ihnen so passen! Ich denke gar nicht daran. Wer immer Sie auch sind, Brschchen, fr mich sind Sie blo ein mieser kleiner Hotelangestellter, uid ich la mir von Ihnen nichts befehlen. Und machen Sie sich ja nicht mausig. Mein alter Herr kennt Warren Trent.«

»Zu Ihrer Information, ich habe die Angelegenheit bereits mit Mr. Trent besprochen. Er hat alles Weitere mir berlassen, auch die Entscheidung darber, ob wir Strafantrag stellen sollen oder nicht. Aber ich werde ihm sagen, da Sie es wnschen, wenn wir Ihren Vater verstndigen. Danach werden wir weitersehen.«

»Moment mal!« Durch die Leitung kam das Gerusch schnaufender Atemzge und dann in merklich gemigtem Ton die Antwort: »Morgen um vier hab' ich Unterricht.«

»Schwnzen Sie ihn und veranlassen Sie auch die anderen dazu«, sagte Peter. »Mein Bro befindet sich im Zwischengescho. Denken Sie dran - Punkt vier Uhr.«

Als er den Hrer auflegte, stellte er fest, da er sich auf die morgige Zusammenkunft freute.

8

Die auseinandergerissenen Seiten der Morgenzeitung lagen verstreut um das Bett der Herzogin von Croydon. Es gab kaum eine Meldung, die sie nicht wenigstens berflogen hatte, und nun sa sie in die Kissen zurckgelehnt und dachte angestrengt nach. Noch nie hatte sie ihren Scharfsinn und ihre Findigkeit so dringend gebraucht wie jetzt.

Auf einem Tischchen neben dem Bett stand ein Tablett, das benutzt und beiseite geschoben worden war. Selbst in Krisenzeiten konnte die Herzogin auf ein ausgiebiges Frhstck nicht verzichten. Diese Angewohnheit stammte noch aus ihrer Kindheit, die sie in »Fallingbroke Abbey«, dem Landsitz ihrer Familie, verbracht hatte. Dort war das Frhstck eine umfangreiche herzhafte Mahlzeit aus mehreren Gngen und wurde hufig erst nach einem flotten Querfeldeingalopp eingenommen.

Der Herzog, der allein im Salon gefrhstckt hatte, war vor einigen Minuten ins Schlafzimmer zurckgekehrt. Auch er hatte die Zeitung sofort nach ihrem Eintreffen gierig gelesen. Nun schritt er in einem gegrtelten scharlachroten Morgenmantel, unter dem die Pyjamahosen hervorsahen, rastlos auf dem Teppich auf und ab. Gelegentlich fuhr er sich mit der Hand durch sein noch wirres Haar.

»Bleib stehen, um Himmels willen!« Die Anspannung, unter der sie beide standen, kam in der erregten Stimme seiner Frau zum Ausdruck. »Wie soll ich nachdenken, wenn du wie ein Wilder im Zimmer umherlufst!«

Er drehte sich zu ihr um; im hellen Licht des Morgens wirkte sein Gesicht zerknittert und verzweifelt. »Nachdenken nutzt uns verteufelt wenig. Das ndert auch nichts mehr.«

»Nachdenken hilft immer - wenn man grndlich und methodisch vorgeht. Deshalb bringen es manche Leute zu etwas und andere nicht.«

Er fuhr sich erneut durchs Haar. »Unsere Lage hat sich seit gestern abend nicht gebessert.«

»Aber sie hat sich auch nicht verschlimmert«, sagte sie nchtern, »und das ist schon ein Grund, um dankbar zu sein. Wir sind noch immer hier - unversehrt.«

Der Herzog schttelte mde den Kopf. Er hatte in der Nacht kaum ein Auge zugetan. »Und wieso hilft uns das?«

»Nun, so wie ich es sehe, ist das Ganze eine Frage der Zeit. Und die Zeit arbeitet fr uns. Je lnger wir warten und je lnger nichts geschieht...« Sie unterbrach sich und dachte dann laut weiter. »Was wir jetzt verzweifelt ntig htten, wre ein bichen Publicity. Wir mssen die ffentliche Aufmerksamkeit auf dich lenken, aber so, da die andere Sache zu phantastisch erscheint, als da sie jemals auch nur in Betracht gezogen wird.«

Beide schienen stillschweigend bereingekommen zu sein, ihren nchtlichen Streit nicht mehr zu erwhnen.

Der Herzog nahm seinen Marsch durchs Zimmer wieder auf. »Das einzige, womit wir das erreichen knnen, wre eine Verlautbarung, die meine Berufung nach Washington besttigt.«

»Richtig.«

»So was kann man nicht bers Knie brechen. Wenn Hal merkt, da man ihn antreibt, jagt er das Dach von Downing Street in die Luft. Die ganze Sache ist sowieso verflucht heikel -

«

»Sie kann viel peinlicher werden, falls -«

»Als ob ich das nicht selbst wte, zum Teufel noch mal! Du kannst mir glauben, ich hab' schon ein paarmal gedacht, wir knnten ebensogut gleich aufgeben!« Die Stimme des Herzogs klang leicht hysterisch. Er zndete sich mit zitternder Hand eine Zigarette an.

»Wir geben nicht auf! « Im Gegensatz zu ihrem Mann sprach die Herzogin in trockenem, geschftsmigem Ton. »Sogar Premierminister reagieren auf Druck, wenn er von der richtigen Seite kommt. Hal ist keine Ausnahme. Ich rufe London an.«

»Warum?«

»Ich will mit Geoffrey sprechen und ihn bitten, sein mglichstes zu tun, um deine Ernennung zu beschleunigen.«

Der Herzog schttelte zweifelnd den Kopf, ohne jedoch den Vorschlag gnzlich von der Hand zu weisen. Er hatte zu oft erlebt, ber welch bemerkens werten Einflu die Familie seiner Frau verfgte. Dennoch sagte er warnend: »Wir vernageln uns damit vielleicht unsere eigenen Geschtze, altes Mdchen.«

»Nicht unbedingt. Geoffrey versteht sich auf sanfte Gewalt, wenn er will. Auerdem, wenn wir hier herumsitzen und warten, schaden wir uns womglich noch mehr.« Die Herzogin griff nach dem Hrer des Telefons neben ihrem Bett und sagte zu dem Mdchen in der Zentrale: »Ich mchte ein Gesprch mit London..., Lord Selwyn.« Sie gab eine Nummer in Mayfair an.

Der Anruf kam nach zwanzig Minuten durch. Als die Herzogin ihr Anliegen vorgebracht hatte, zeigte sich ihr Bruder, Lord Selwyn, wenig begeistert. Der Herzog konnte das tiefe protestierende Organ seines Schwagers, das die Membran im Telefon zum Schwingen brachte, quer durch die ganze Breite des Schlafzimmers hren. »Herrje, Sis, damit scheuchst du womglich ein ganzes Vipernnest auf. Was soll's also? Ich will dirlieber gleich sagen, da Simons Berufung nach Washington im Moment nicht genehm ist. Ein paar von den Burschen im Kabinett halten ihn jetzt nicht fr den richtigen Mann. Nicht da ich ihnen etwa beipflichte, aber es hat keinen Zweck, sich was vorzumachen, stimmt's?«

»Falls wir gar nichts unternehmen, wie lange mten wir dann auf eine Entscheidung warten?«

»Schwer zu sagen, altes Mdchen. Aber nach dem, was ich gehrt habe, kann's noch Wochen dauern.«

»So lange knnen wir einfach nicht warten. Ich versichere dir, Geoffrey, es wre ein entsetzlicher Fehler, wenn wir nicht jetzt auf der Stelle etwas unternehmen.«

»Das leuchtet mir nicht ein«, sagte ihr Bruder gereizt.

Ihr Ton wurde schrfer. »Ich bitte dich nicht nur unseretwegen, sondern auch um der Familie willen. Darauf gebe ich dir mein Wort.«

Am anderen Ende blieb es eine Weile still, und dann ertnte die vorsichtige Frage: »Ist Simon bei dir?«

»Ja.«

»Was steckt hinter alledem? Hat er wieder was angestellt?«

»Selbst, wenn es eine Antwort darauf gbe, wre ich kaum so tricht, sie am Telefon auszuposaunen«, erwiderte die Herzogin von Croydon.

Wieder gab es eine kurze Pause, und dann rang sich Lord Selwyn widerwillig das Zugestndnis ab: »Na ja, im allgemeinen weit du, was du tust, das mu ich sagen.«

Die Herzogin suchte den Blick ihres Mannes und nickte ihm fast unmerklich zu. Dann fragte sie ihren Bruder: »Soll das heien, da du tun wirst, worum ich dich bitte?«

»Die Sache gefllt mir nicht, Sis. Sie gefllt mir ganz und gar nicht.« Er verstummte und fgte dann mrrisch hinzu: »Schn, ich werde sehen, was sich machen lt.«

Kaum hatte die Herzogin den Hrer aufgelegt, als der Apparat erneut lutete. Beide Croydons zuckten zusammen, und der Herzog fuhr sich nervs mit der Zunge ber die Lippen. Als seine Frau sich meldete, lauschte er angespannt.

»Ja?«

Eine flache, nasale Stimme fragte: »Herzogin von Croydon?«

»Am Apparat.«

»Ogilvie. Hausdetektiv.« Man hrte ein krftiges Schnauben, und dann verstummte der Anrufer, als wollte er der Herzogin Zeit geben, die Information zu verdauen.

Die Herzogin wartete. Als nichts weiter erfolgte, fragte sie scharf: »Was wollen Sie?«

»Ein Gesprch unter vier Augen. Mit Ihrem Gatten und Ihnen.« Es war keine Bitte, sondern eine sachliche Feststellung.

»Falls es sich um eine Hotelangelegenheit handelt, befinden Sie sich, frchte ich, in einem Irrtum. Solche Dinge besprechen wir grundstzlich nur mit Mr. Trent.«

»Wie Sie wollen. Nur werden Sie's diesmal bereuen.« Aus der kalten unverschmten Stimme klang unmiverstndliche Zuversicht. Die Herzogin zgerte und stellte dabei fest, da ihre Hnde zitterten.

Sie zwang sich zu der Antwort: »Ihr Besuch kommt uns ungelegen.«

»Wann?« Wieder eine lange Pause, die nur von einem gelegentlichen Schnauben unterbrochen wurde.

Was immer dieser Mann auch wute oder von ihnen wollte, er verstand sich jedenfalls darauf, einen psychologischen Vorteil wahrzunehmen.

»Spter vielleicht«, entgegnete sie.

»In einer Stunde bin ich bei Ihnen«, erklrte der Mann noch immer in demselben leidenschaftslosen khlen Ton.

»Aber dann sind wir -«

Ihr Protest wurde durch ein gedmpftes Klicken abgeschnitten, als der unbekannte Anrufer auflegte.

»Wer war das? Was wollte er?« Der Herzog machte einen Schritt auf sie zu. Sein hageres Gesicht war verkrampft und totenbleich.

Die Herzogin schlo einen Moment lang die Augen. Sie sehnte sich verzweifelt danach, wenigstens einmal von ihrer Fhrerrolle und der Verantwortung fr sie beide erlst zu werden; jemanden neben sich zu haben, der ihr die Last der Entscheidung abnahm. Aber sie wute, da die Hoffnung vergeblich war; solange sie denken konnte, war sie vergeblich gewesen. Wenn man mit einem Charakter geboren wurde, vor dem sich alle Menschen in ihrer Umgebung beugten, gab es kein Entkommen. Sogar in ihrer eigenen Familie, die ber ein gertteltes Ma an Willensstrke verfgte, richteten sich alle instinktiv nach ihr, folgten ihrem Rat, erkannten neidlos ihre berlegenheit an. Selbst Geoffrey, der so begabt und dabei so halsstarrig war, lie sich schlielich stets von ihr umstimmen -so wie vorhin. Der Moment der Schwche entschwand, und sie wandte sich entschlossen der Wirklichkeit zu.

»Es war ein Hoteldetektiv. Er will uns in einer Stunde aufsuchen.«

»Dann wei er es also! Mein Gott - er wei alles!«

»Auf jeden Fall ahnt er etwas. Er sagte aber nicht, was.«

Der Herzog richtete sich pltzlich auf, hob den Kopf, straffte die Schultern. Seine Hnde hrten auf zu zittern, sein Mund bekam einen festen Zug. Er machte die gleiche Wandlung durch wie in der Nacht zuvor. »Es wrde unsere Lage erleichtern -selbst jetzt noch - wenn ich mich stelle - wenn ich zugebe -«

»Nein!« Die Augen seiner Frau funkelten. »So versteh doch endlich! Nichts, aber auch gar nichts, was du unternehmen knntest, wrde unsere Lage auch nur im mindesten verbessern!« Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, dann fgte die Herzogin grbelnd hinzu: »Wir werden nichts tun. Wir werden auf diesen Mann warten und sehen, was er wei und was er vorhat.«

Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wollte der Herzog widersprechen. Dann nickte er unlustig. Er hllte sich enger in den scharlachroten Morgenmantel, tappte in den angrenzenden Raum hinber und kam wenige Minuten spter mit zwei Glsern puren Whiskys zurck. Als er seiner Frau das eine hinhielt, sagte sie abwehrend: »Du weit doch, so frh trinke ich nie -«

»Schon gut. Du kannst's gebrauchen.« Mit einer Frsorglichkeit, die sie von ihm nicht gewhnt war, drckte er ihr das Glas in die Hand.

berrascht und nachgiebig nahm sie es und trank einen Schluck. Der unverdnnte Alkohol brannte in ihrer Kehle, raubte ihr den Atem und durchdrang sie gleich danach mit einer trstlichen Wrme.

9

»So schlimm kann's doch nicht sein!«

An ihrem Schreibtisch im ueren Bro der Direktorensuite brtete Christine Francis stirnrunzelnd ber einem Brief, den sie in der Hand hielt. Nun blickte sie auf und sah Peter McDermotts frhliches derbes Gesicht zur Tr hereinsphen.

Ihre Miene erhellte sich. »Schlimm? Es ist ein neuer Schu aus dem Hinterhalt. Aber bei dem vielen rger, den wir so schon haben, kann uns einer mehr eigentlich egal sein.«

»So gefallen Sie mir.« Peter schob seine riesige Gestalt durch die Tr.

Christine musterte ihn anerkennend. »Dafr, da Sie sehr wenig Schlaf gehabt haben, machen Sie einen erstaunlich munteren Eindruck.«

Er grinste. »Ich hatte heute frh eine Unterredung mit Ihrem Bo. Sie wirkte wie eine kalte Dusche. Ist er noch nicht unten?«

Sie schttelte den Kopf und blickte dann auf den Brief, den sie gerade gelesen hatte. »Ich frchte, das hier wird ihm nicht gefallen, wenn er herunterkommt.«

»Ist es ein Geheimnis?«

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