Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð

»Meine Bauplne und die Vollautomatisierung werden es nahezu berflssig machen, da Gstezimmer von Hotelangestellten betreten werden mssen. Betten, die in die Wand zurckrollen, werden von auen maschinell bedient. Die Luftfilteranlagen sind bereits heute so weit vervollkommnet, da Staub und Schmutz kein Problem mehr sind. Teppiche knnte man etwa auf Bden aus feinem Maschendraht verlegen, mit Luftraum darunter, der einmal am Tag abgesaugt wird, sobald sich ein Relais einschaltet.

All dies und noch mehr lt sich schon heute verwirklichen. Die restlichen Probleme, die wir natrlich auch lsen werden« -O'Keefe ging mit einer fr ihn typischen geringschtzigen Handbewegung darber hinweg -, »die restlichen Probleme sind hauptschlich solche der Koordination, Konstruktion und Investierung.«

»Ich kann nur hoffen, da ich solche Vernderungen in meinem Hotel nicht mehr erlebe«, sagte Warren Trent energisch.

»Sie werden sie nicht erleben«, erklrte O'Keefe. »Dazu mte man Ihr Haus abreien und vllig neu aufbauen.«

»Das wrden Sie tun!« rief Warren Trent schockiert.

O'Keefe zuckte mit den Schultern. »Ich kann hier natrlich nicht alle meine zuknftigen Plne aufdecken. Aber ich wrde doch sagen, da unsere Politik in nicht allzulanger Zeit darauf hinauslaufen drfte. Falls Sie sich ber das Fortleben Ihres Namens Gedanken machen, knnte ich Ihnen versprechen, da wir im neuen Gebude eine Tafel zur Erinnerung an das ursprngliche Hotel und, wenn mglich, auch an Ihr Wirken anbringen.«

»Eine Gedenktafel!« Der Besitzer des St. Gregory schnaubte verchtlich. »Wo wrden Sie sie denn hinhngen - in die Herrentoilette?«

Dodo kicherte pltzlich. Als die zwei Mnner ihr unwillkrlich den Kopf zuwandten, sagte sie: »Vielleicht gibt's keine mehr. Ich meine, wer braucht so was noch bei all den Transportanlagen?«

Curtis O'Keefe musterte sie scharf. Es gab immer wieder Augenblicke, wo er sich fragte, ob Dodo nicht vielleicht gescheiter war, als sie zugab.

Warren Trent war vor Verlegenheit rot angelaufen. Nun sagte er hflich: »Bitte, entschuldigen Sie meine hchst unpassende Bemerkung, meine Gndigste.«

»Herrje, lassen Sie sich durch mich nicht stren«, antwortete Dodo verblfft. »Jedenfalls finde ich das Hotel fabelhaft.« Sie richtete ihre groen, unschuldig dreinschauenden Augen auf Curtis O'Keefe. »Warum mut du's abreien, Curtie?«

Er entgegnete gereizt: »Ich habe davon lediglich als von einer Mglichkeit gesprochen. Auf jeden Fall ist es an der Zeit, da Sie sich aus dem Hotelgeschft zurckziehen, Warren.«

Im Vergleich zu dem bissigen Seitenhieb vor ein paar Minuten war die Antwort erstaunlich mavoll. »Selbst, wenn ich dazu bereit wre, mte ich doch, auer an mich, auch an andere denken. Die meisten meiner alten Angestellten vertrauen mir genauso wie ich ihnen immer vertraut habe. Sie sagen mir, Sie htten die Absicht, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Diese Vorstellung macht es mir unmglich, aus dem Geschft auszusteigen. So viel wenigstens schulde ich meinem Personal fr die Loyalitt, die es mir stets bewiesen hat.«

»Sind Hotelangestellte jemals loyal? Wrden denn nicht alle oder fast alle Sie noch in diesem Moment verkaufen, wenn sie sich einen Vorteil davon versprchen?«

»Aber nein, ausgeschlossen. Ich leite dieses Haus seit ber dreiig Jahren, und ein solcher Zeitraum schafft ein enges Loyalittsverhltnis. Aber vielleicht haben Sie in dieser Richtung nicht so viele Erfahrungen gesammelt wie ich.«

»Ich habe mir darber meine eigene Meinung gebildet«, sagte O'Keefe geistesabwesend. Er ging in Gedanken den Bericht von Odgen Bailey und Sean Hall durch, den er am Vormittag gelesen hatte. Zwar hatte er Hall ermahnt, sich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, aber nun kam ihm ein Detail, das in dem Gutachten angefhrt war, zustatten. Er dachte angestrengt nach und sagte schlielich: »Sie haben doch einen alten Angestellten, der die Pontalba-Bar verwaltet, nicht wahr?«

»Ja. Tom Earlshore. Er ist beinahe genauso lange im Hotel wie ich.« In gewissem Sinne verkrperte Tom Earlshore den Typ des alten Angestellten, den er nicht im Stich lassen konnte. Als er Earlshore engagierte, waren sie beide junge Mnner, und heute gehrte der ltliche Barkeeper, obwohl er mit den Jahren krumm und bei der Arbeit langsamer geworden war, zu den Angestellten, die Warren Trent als persnliche Freunde betrachtete. Und wie einem Freund hatte er Tom Earlshore geholfen. Als Toms jngste Tochter mit einer deformierten Hfte geboren wurde, sorgte Warren Trent dafr, da sie in die Mayo-Klinik geschickt und operiert wurde. Danach bezahlte er stillschweigend die Rechnungen, was Tom Earlshore zu Beteuerungen ewiger Dankbarkeit und Treue veranlate. Earlshores Jngste war nun eine verheiratete Frau mit eigenen Kindern, aber das Band zwischen ihrem Vater und dem Hotelbesitzer bestand unverndert weiter. »Wenn es einen Menschen gibt, dem ich blind vertraue«, sagte er zu Curtis O'Keefe, »dann ist es Tom.«

»Sie wren ein Narr, wenn Sie das tten«, antwortete O'Keefe beiend. Ich wei positiv, da er Sie bis zum Weibluten betrgt.«

Als Trent entsetzt schwieg, begann O'Keefe auszupacken. Es gab unendlich viele Mglichkeiten fr einen unredlichen Barkeeper, seinen Arbeitgeber zu bestehlen - indem er schlecht ausschenkte und bei jeder Flasche ein bis zwei Drinks gutmachte; indem er nicht jede Bestellung ber die Registrierkasse laufen lie; indem er seine eigenen, unter der Hand gekauften Vorrte in die Bar einschmuggelte, so da eine Bestandsaufnahme zwar kein Defizit aufweisen wrde, die Einnahmen jedoch - mit erheblichem Profit - in die Tasche des Bartenders wanderten. Tom Earlshore schien sich aller drei Methoden bedient zu haben. Auerdem hatten Sean Halls Beobachtungen, die sich ber mehrere Wochen erstreckten, ergeben, da Earlshores zwei Gehilfen mit ihm unter einer Decke steckten. »Ein hoher Prozentsatz Ihrer Gewinne aus der Bar wird abgeschpft«, erklrte O'Keefe, »und nach allem, was ich sonst gehrt habe, wrde es mich nicht wundem, wenn das nicht schon eine ganze Weile so geht.«

Warren Trent hatte dem Bericht reglos, mit ausdrucksloser Miene gelauscht, obwohl er innerlich heftig bewegt und erbittert war. Trotz des Vertrauens, das er Tom Earlshore entgegengebracht, und ihrer langjhrigen Freundschaft, an die er geglaubt hatte, bezweifelte er nicht im mindesten, da O'Keefes Informationen der Wahrheit entsprachen. Er hatte zu viel von den Spionagetricks der groen Hotelkonzerne gehrt, um nicht berzeugt zu sein, und auerdem htte Curtis O'Keefe die Anschuldigung ohne ausreichende Beweise wohl kaum geuert. Warren Trent argwhnte seit langem, da sich O'Keefes Spitzel vor der Ankunft ihres Chefs ins St. Gregory eingeschlichen hatten. Mit dieser tzenden persnlichen Demtigung hatte er allerdings nicht gerechnet. »Sie sagten, nach allem, was Sie sonst gehrt haben... was meinten Sie damit?«

»Ich mchte damit sagen, da Ihr angeblich so loyales Personal bis in die Knochen korrumpiert ist. Es gibt kaum eine Abteilung, in der man Sie nicht ausbeutet und betrt. Meine Informationen sind natrlich lckenhaft, aber was ich an Material habe, berlasse ich Ihnen gern. Wenn Sie es wnschen, fordere ich einen detaillierten Bericht an.«

»Danke.« Die Antwort war ein kaum vernehmbares Flstern.

»Die Leute, die fr Sie arbeiten, sind zu fett. Das war das erste, was mir bei der Ankunft auffiel. Ich habe das von jeher als Warnsignal betrachtet. Sie haben sich den Bauch mit gutem Hotelessen vollgestopft. Auerdem plndert man Sie aus, was das Zeug hlt.«

Die Stille in dem kleinen Speisezimmer wurde nur vom gedmpften Ticken einer hollndischen Wanduhr unterbrochen. Nach einer Weile sagte Warren Trent mhsam und mit einem Anflug von Mdigkeit: »Was Sie mir eben mitgeteilt haben, drfte meine Einstellung ndern.«

»Das dachte ich mir.« Curtis O'Keefe machte Anstalten, sich die Hnde zu reiben, besann sich aber gerade noch rechtzeitig. »Nun, da wir diesen Punkt erreicht haben, wre es mir lieb, wenn Sie mein Angebot in Erwgung ziehen wrden.«

Warren Trent erwiderte trocken: »Mir hat geschwant, da das kommen wrde.«

»Es ist ein faires Angebot, besonders unter den gegenwrtigen Umstnden. Vielleicht sollte ich noch erwhnen, da ich ber Ihre derzeitige finanzielle Lage im Bilde bin.«

»Das berrascht mich nicht.«

»Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Ihr persnlicher Anteil an diesem Hotel betrgt einundfnfzig Prozent des Aktienkapitals; damit haben Sie die Kontrolle.«

»Richtig.«

»Im Jahre 1939 haben Sie das Hotel neu finanziert - mit einer Hypothek von vier Millionen Dollar. Davon sind zwei Millionen noch nicht beglichen und am Freitag fllig. Falls Sie nicht zahlen, bernehmen die Glubiger das Hotel.«

»Stimmt auch«

»Vor vier Monaten versuchten Sie die Hypothek zu erneuern. Man wies Sie ab. Sie boten den Glubigern bessere Bedingungen, aber auch darauf gingen sie nicht ein. Seitdem sind Sie auf der Suche nach anderen Geldgebern. Erfolglos. Und in den paar Tagen, die Ihnen noch bleiben, haben Sie nicht die mindeste Chance, noch jemanden aufzutreiben.«

»Das kann ich nicht akzeptieren«, knurrte Warren Trent. »Derartige Transaktionen werden hufig kurzfristig arrangiert.«

»Nein, eben nicht. Und ganz besonders dann nicht, wenn die Verluste so hoch sind wie bei Ihnen.«

Warren Trent kniff die Lippen zusammen, sagte jedoch nichts.

»Ich erbiete mich, Ihnen das Hotel fr vier Millionen Dollar abzukaufen«, erklrte O'Keefe. »Zwei Millionen werden erzielt durch Erneuerung der Hypothek, und ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu versichern, da es mir ein leichtes sein wird, das in die Wege zu leiten.«

Trent nickte, die unverhohlene Selbstzufriedenheit des anderen verdrielich zur Kenntnis nehmend.

»Die Restsumme setzt sich zusammen aus einer Million Dollar in bar, die es Ihnen ermglicht, Ihre kleinen Aktionre auszuzahlen, und einer Million Dollar in Aktien des O'Keefe-Konzerns - eine Neuauflage, die noch geregelt werden mu. Auerdem behalten Sie, als zustzliche persnliche Entschdigung, das Nutzungsrecht ber Ihre Wohnung, mit der ausdrcklichen Versicherung meinerseits, da - sollten sich Umbauten nicht vermeiden lassen - eine andere, alle Teile befriedigende Lsung gefunden wird.«

Der Besitzer des St. Gregory sa reglos da; sein Gesicht verriet weder seine Gedanken noch seine berraschung. Die Bedingungen waren besser, als er erwartet hatte. Falls er sie akzeptierte, blieb ihm persnlich etwa eine Million Dollar -keine kleine Errungenschaft; damit konnte man sich nach einem arbeitsamen Leben guten Gewissens zur Ruhe setzen. Aber sich zur Ruhe setzen bedeutete wegzugehen, alles zu verlassen, was er aufgebaut und geliebt hatte oder - dachte er grimmig - was er zum mindesten bis vor ein oder zwei Minuten zu lieben glaubte.

»Ich knnte mir vorstellen«, meinte O'Keefe, der sich bemigt fhlte, einen heiteren Ton anzuschlagen, »da Ihr Leben hier in der gewohnten Umgebung recht ertrglich sein drfte. Sie htten keine Sorgen, Ihr Diener wrde Sie betreuen wie bisher.«

Warren Trent hielt es fr berflssig, zu erklren, da Aloysius Royce demnchst sein Jurastudium beendete und aller Voraussicht nach andere Plne fr seine Zukunft hatte. Er erinnerte ihn jedoch daran, da er hier oben in seinem Horst, in einem Hotel, das ihm nicht mehr gehrte, sehr einsam sein wrde.

»Angenommen, ich weigere mich, zu verkaufen«, sagte er unvermittelt. »Was wrden Sie dann tun?«

»Ich wrde mich nach einem anderen Grundstck umsehen und bauen. Ich glaube allerdings, da Sie Ihr Hotel lngst verloren haben, bevor es dazu kommt. Andernfalls wird unsere Konkurrenz Sie endgltig matt setzen.«

O'Keefe sprach in gewollt gleichgltigem Ton, aber sein Verstand war hellwach und mit berlegungen beschftigt. In Wirklichkeit lag dem O'Keefe-Konzern ungeheuer viel am St. Gregory. Bisher fehlte ihm ein Sttzpunkt in New Orleans, und das war wie eine Zahnlcke in dem sonst so krftigen Gebi, mit dem sich der Konzern sein Stck vom Touristenkuchen erschnappte. Die Lcke hatte sich schmerzlich bemerkbar gemacht durch den Verlust von Referenzgeschften von und nach anderen Stdten - dem lebensspendenden Sauerstoff eines erfolgreichen Hotelkonzerns. Sehr beunruhigend war auch, da Konkurrenzunternehmen die Lcke gewinnbringend ausnutzten. Das Sheraton-Charles bestand seit langem. Hilton betrieb nicht nur das Flughafenrestaurant, sondern baute auch im Vieux Carre. Das Royal Orleans gehrte der Hotel Corporation of America.

Auch die Bedingungen, die Curtis O'Keefe Warren Trent geboten hatte, waren durchaus realistisch. Die Glubiger des St. Gregory waren von einem Abgesandten O'Keefes vorsichtig sondiert worden und hatten sich als uerst wenig entgegenkommend erwiesen. Es zeigte sich schnell, da sie beabsichtigten, zunchst die Kontrolle ber das Hotel an sich zu reien, um dann beim Verkauf mglichst viel herauszuschlagen. Wenn das St. Gregory berhaupt zu einem vernnftigen Preis zu haben war, dann jetzt.

»Wieviel Bedenkzeit wrden Sie mir einrumen?« fragte Warren Trent.

»Es wre mir lieber, wenn ich Ihre Antwort sofort bekme.«

»Darauf bin ich nicht vorbereitet.«

»Nun denn...« O'Keefe dachte nach. »Am Samstag mu ich in Neapel sein. Ich mchte nicht spter als Donnerstag abend von hier abreisen. Wie wr's, wenn wir uns auf Donnerstag mittag einigten?«

»Das sind weniger als achtundvierzig Stunden!«

»Ich sehe keinen Anla, lnger zu warten.«

Eigensinn machte Warren Trent geneigt, auf einer lngeren Bedenkzeit zu bestehen. Aber seine Vernunft sagte ihm, da er durch den Aufschub nichts gewann, da der Freitag fr ihn ohnehin der letzte Termin war. Er willigte ein. »Wenn Sie darauf beharren, mu ich mich wohl fgen.«

»Fein!« Mit einem breiten Lcheln schob O'Keefe seinen Stuhl zurck und nickte Dodo zu, die Warren Trent mit teilnahmsvoller Miene beobachtet hatte. »Es wird Zeit fr uns, meine Liebe. Es war ein genureicher Abend, Warren.« Die anderthalb Tage Wartezeit waren lstig, aber kein Unglck, dachte der Hotelmagnat. Schlielich konnte kein Zweifel darber bestehen, wie Trents Antwort ausfallen wrde.

An der Tr zum Korridor wandte Dodo ihre groen blauen Augen dem Gastgeber zu. »Vielen Dank, Mr. Trent.«

Er nahm ihre Hand und beugte sich darber. »Es ist lange her, da diese alten Rume von so viel Liebreiz erhellt wurden.«

O'Keefe, der die Aufrichtigkeit des Kompliments bezweifelte, blickte hastig zur Seite, wurde jedoch sogleich eines Besseren belehrt. Trent meinte es ernst. Auch das war merkwrdig an Dodo: Manchmal verstand sie sich, offenbar ganz instinktiv, mit den unwahrscheinlichsten Leuten.

Als sie im Korridor die Hand unter seinen Arm schob, sprte er, wie sich seine Sinne regten.

Aber er sagte sich mahnend, da er zuerst beten und, wie es sich gebhrte, Gott seinen Dank abstatten mute fr den erfolgreichen Abend.

14

»Es ist ausgesprochen spannend, wenn ein Mdchen in seiner Handtasche nac dem Wohnungsschlssel kramt«, bemerkte Peter McDermott.

»Und es ist auerdem ein zwiefaches Symbol«, sagte Christine und suchte weiter. »Die eigene Wohnung ist ein Beweis fr die Unabhngigkeit der Frauen, aber am Verschlampen des Schlssels zeigt sich, da sie noch ein paar weibliche Eigenschaften brigbehalten haben. Hier! Ich hab' ihn gefunden!«

»Halten Sie ihn schn fest.« Peter nahm Christine bei den Schultern und kte sie. Es war ein langer Ku, und am Ende lag Christine in Peters Armen.

Schlielich sagte sie ziemlich atemlos: »Die Miete ist bezahlt. Wenn wir schon solche Absichten haben, dann wenigstens unter Ausschlu der ffentlichkeit in meinen eigenen vier Wnden.«

Peter nahm ihr den Schlssel aus der Hand und sperrte die Wohnungstr auf.

Christine legte ihre Tasche auf ein Seitentischchen und sank auf das Sofa. Mit einem erleichterten Aufatmen streifte sie ihre engen Lacklederpumps ab.

»Zigarette?« Er setzte sich neben sie.

»Ja, bitte.«

Ein Gefhl freudiger Erwartung und leichter Benommenheit erfllte ihn. Er war sich der Situation berdeutlich bewut und sprte, da alles, was zwischen ihnen geschehen mute, noch heute geschehen wrde, falls er es so wollte.

»Das ist wohltuend«, sage Christine. »Einfach blo dazusitzen und zu reden.«

»Aber wir reden ja gar nicht.« Er griff nach ihrer Hand.

»Dann sagen Sie doch was.«

»Reden war eigentlich nicht das, was -«

»Ich wei. Fragt sich nur, wohin wir gehen und ob berhaupt und warum.«

»Knnten wir nicht einfach den Dingen ihren Lauf lassen... «

»Dann wre es kein Spiel. Nur eine Gewiheit.« Sie verstummte und dachte nach. »Das war eben der zweite Ku, und etwas Chemisches hat da unbedingt mitgespielt.«

»Also, ich finde, was das betrifft, waren wir auf dem besten Wege.«

»Wir brauchten also nur die natrliche Entwicklung abzuwarten.«

»Freilich, und da bin ich Ihnen schon meilenweit voraus.«

»Im Bett, vermute ich.«

Er sagte trumerisch: »Ich habe die linke Hlfte genommen -wenn man mit Blickrichtung zum Kopfende steht.«

»Ich frchte, ich habe eine Enttuschung fr Sie.«

»Sagen Sie's nicht. Lassen Sie mich raten. Sie haben vergessen, sich die Zhne zu putzen. Macht nichts, ich warte.«

Sie lachte. »Mit Ihnen kann man nicht reden...«

»Reden war eigentlich nicht das, was...«

»Ich wei, und damit sind wir wieder am Anfang angelangt.«

Peter lehnte sich zurck und blies ein, zwei, drei Rauchringe in die Luft.

»Das wollte ich auch immer, aber ich hab's nie geschafft«, sagte Christine.

»Was fr eine Enttuschung?« fragte er.

»Es ist nur so ein Gedanke. Ich finde, falls... das geschieht, was geschehen knnte, dann sollte es uns beiden eigentlich etwas bedeuten.«

»Und wrde es Ihnen denn etwas bedeuten?«

»Ich glaube schon. Ich bin mir nicht sicher.« Wie sie auf das, was nun kam, reagieren wrde, wute sie noch weniger.

Er machte seine Zigarette aus, griff dann nach Christines Zigarette und drckte sie auch aus. Als er ihre Hnde in seine nahm, sprte sie, wie ihre Selbstsicherheit zerbrckelte.

»Wir mssen uns kennenlernen.« Sein Blick forschte in ihrem Gesicht. »Worte sind nicht immer das beste Mittel.«

Seine Arme streckten sich ihr entgegen, und sie kam zu ihm, zuerst fgsam sich seinen Kssen unterwerfend, dann mit wachsender Erregung. Sie stie verlangende, unzusammenhngende Laute aus; ihre Besonnenheit schwand dahin, alle Vorbehalte lsten sich in nichts auf. Zitternd und mit Herzklopfen sagte sie sich, da nun alles seinen Lauf nehmen mute; weder Zweifel noch Einwnde wrden jetzt noch etwas ndern. Sie konnte Peters hastige Atemzge hren und schlo die Augen.

Eine Pause, und dann waren sie pltzlich nicht mehr nahe beieinander.

»Es gibt manchmal Dinge, an die man sich erinnert, und die im unpassendsten Moment mit einmal auftauchen«, sagte Peter und nahm sie wieder in die Arme, aber weniger strmisch als eben. »Du hattest ganz recht«, sagte er sanft. »Wir haben ja Zeit.«

Er kte sie sanft, und dann entfernten sich seine Schritte. Christine hrte, wie sich die Wohnungstr ffnete und einen Moment spter schlo.

Sie machte die Augen auf und flsterte: »Peter, Liebster, du brauchst nicht zu gehen. Bitte, geh nicht!«

Aber um sie war Stille; nur das gedmpfte Surren des Lifts drang von drauen herein.

15

Der Dienstag war fast vorber. Es war einige Minuten vor Mitternacht.

In einem Striptease-Lokal in der Bourbon Street prete sich eine breithftige Blondine dichter an ihren Partner; ihre eine Hand lag auf seinem Oberschenkel, mit der anderen ttschelte sie ihm den Nacken. »Klar«, sagte sie. »Klar mchte ich gern mit dir ins Bett gehen, Ser.«

Er wr' Stan Dingsbums, hatte er gesagt, aus einem Kaff in Iowa, von dem sie noch nie etwas gehrt hatte. Und wenn er mir nochmal seinen Atem ins Gesicht pustet, dachte sie, dann mu ich kotzen. Der riecht nicht aus dem Mund; der hat eine direkte Leitung zur Senkgrube.

»Worauf warten wir dann noch?« lallte der Mann mit dicker Stimme. Er nahm ihre Hand und schob sie an der Innenseite seines Schenkels hher. »Ich hab' hier was Besonderes fr dich, Baby.«

Die Kerle waren alle gleich, dachte sie verchtlich, Bauerntlpel, die das Maul aufrissen und sich einbildeten, das Ding zwischen ihren Beinen wre was Auergewhnliches, etwas, worauf Frauen ganz versessen waren. Sie taten immer so bldsinnig stolz damit, als htten sie es selbst gezchtet wie eine preisgekrnte Gurke. Falls man es aber wirklich auf einen Versuch ankommen lie, dann hatte der Bursche hier hchstwahrscheinlich nichts im Spind und wrde nur winseln wie die anderen. Aber sie dachte gar nicht daran, ihn auf die Probe zu stellen. Mein Gott - wie der Kerl aus dem Mund stank.

Einige Meter von ihrem Tisch entfernt beendete die Jazz Combo, die zu dilettantisch war, um in den besseren BourbonStreet-Lokalen wie »Famous Door« und »Paddock« Arbeit zu finden, ihre Nummer mit einem holprigen Schluakkord. Als Tnzerin - falls man ihr unbeholfenes Gehopse als Tanz bezeichnen konnte - hatte sich eine Jane Mansfield produziert. (Es gehrte zu den Geschftstricks der Bourbon Street, die Namen berhmter Stars mit unerheblichen Schreibfehlern zu versehen und unbekannte Knstlerinnen mit ihnen zu schmcken, in der Hoffnung, Passanten knnten die falsche Ware fr die echte halten.)

»Hr mal«, sagte der Mann aus Iowa ungeduldig, »warum hauen wir nicht endlich ab?«

»Ich hab's dir doch schon erklrt, Schatz. Ich arbeite hier. Ich kann noch nicht gehen. Ich hab' noch einen Auftritt.«

»Schei auf deinen Auftritt!«

»Also, Ser, das ist aber nicht nett.« Als sei ihr pltzlich eine Erleuchtung gekommen, fragte die breithftige Blondine: »In welchem Hotel wohnst du?«

»Im St. Gregory.«

»Das ist nicht weit von hier.«

»Stimmt. Kannst in fnf Minuten deine Schlpfer runter haben.«

Sie sagte vorwurfsvoll: »Krieg' ich nicht vorher wenigstens noch einen Drink?«

»Aber sicher! Los, gehen wir.«

»Wart' mal, Stanley, Liebling! Ich hab' eine Idee.«

Alles lief glatt, dachte sie, wie in einem gutgezimmerten Einakter. Und warum auch nicht? Sie hatte die Vorstellung schon an die tausendmal durchexerziert. Seit anderthalb Stunden war Stan Dingsbums aus Dingsda ein williges Opfer der abgenutzten alten Routine: der erste Drink - eine Art Versuchsballon, der ihn viermal soviel kostete wie in einer soliden Bar. Dann hatte der Kellner sie herbergelotst, damit der Gast Gesellschaft hatte. Man hatte ihnen einen Drink nach dem anderen serviert. Allerdings hatte sie, wie die anderen Mdchen, die auf Kommission arbeiteten, kalten Tee getrunken statt des billigen Whiskys, den die Kunden vorgesetzt bekamen. Spter hatte sie dem Kellner einen Wink gegeben, mit der vollen Behandlung zu beginnen - das war eine Flasche gespritzter einheimischer Champagner, die, obwohl der Dummkopf tanley das noch nicht wute, vierzig Dollar kosten wrde - und er sollte nur mal versuchen, sich vor dem Zahlen zu drcken!

Nun brauchte sie ihn blo noch los zu werden, und vielleicht sprang dabei, wenn sie die Sache richtig anfing, noch ein kleiner Nebenverdienst fr sie heraus. Schlielich stand ihr eine Art Bonus dafr zu, da sie seinen stinkenden Atem so lange ertragen hatte.

»Was fr eine Idee, Baby?« fragte er.

»La mir deinen Zimmerschl ssel da. Du kannst dir im Hotel einen anderen geben lassen; sie haben immer welche in Reserve«. Sie knetete seinen Oberschenkel. »Sobald ich hier fertig bin, komm' ich nach. Sorg nur dafr, da ich nicht umsonst komme.«

»Keine Bange.«

»Okay. Gib mir den Schlssel.«

Er holte ihn hervor, gab ihn aber nicht her.

»He«, sagte er zweifelnd, »legst du mich auch bestimmt nicht herein... «

»Aber nein, Ser, ich werde fliegen, das verspreche ich dir.« Ihre Hand drckte wieder zu. Das widerliche Ferkel wrde sich vermutlich in einer Minute die Hosen na machen. »Schlielich, Stan, welches Mdel wre nicht wild drauf?«

Er lieferte ihr den Schlssel aus.

Bevor er es sich anders berlegte, hatte sie den Tisch verlassen. Den Rest konnte der Kellner erledigen, mit Hilfe eines Muskelmannes, falls Schlechter-Mundgeruch wegen der hohen Rechnung Schwierigkeiten machte. Aber er wrde vermutlich wie ein Lamm bezahlen und nicht wiederkommen.

Solche wie er kamen nie wieder.

Sie fragte sich, wie lange er in seinem Hotelzimmer wach liegen und auf sie warten, und wann er endlich begreifen wrde, da er vergebens hoffte, da er sie nie wiedersehen wrde, selbst wenn er fr den Rest seines nutzlosen Lebens dort bliebe.

Etwa zwei Stunden spter, am Ende eines Tages, der genauso trbselig verlaufen war wie die meisten anderen - nur da er ihr ein bichen mehr eingebracht hatte, und das war immerhin ein Trost -, verkaufte die breithftige Blondine den Schlssel fr zehn Dollar an Keycase Milne.

MITTWOCH

1

Als ein neuer Morgen ber New Orleans heraufdmmerte und den Himmel mit den ersten grauen Streifen sprenkelte, sa Keycase - erfrischt, wach und einsatzbereit - auf dem Bett in seinem Zimmer im St. Gregory.

Er hatte den Nachmittag des vergangenen Tages bis zum Abend fest durchgeschlafen. Dann hatte er vom Hotel aus einen kleinen Streifzug unternommen, von dem er gegen zwei Uhr nachts zurckgekehrt war. Danach hatte er wieder anderthalb Stunden geruht und sich pnktlich zur vorgesehenen Zeit erhoben. Er hatte sich rasiert, warm geduscht und schlielich den Hahn der Brause kalt aufgedreht. Unter dem eisigen Wasserstrahl prickelte seine Haut und begann zu glhen, als er sich krftig abfrottierte.

Vor jedem professionellen Ausflug gehrte es zu seinem Ritual, frische Unterwsche und ein reines gestrktes Oberhemd anzuziehen. Die angenehme Khle der Wsche vervollstndigte gewissermaen das Gefhl uerster Anspannung, das wie eine Batterie seine Kraft speiste. Wenn ihn dennoch sekundenlang Zweifel beschlich, ein Anflug lhmender Angst beim Gedanken an die fnfzehn Jahre Gefngnis, die ihm bei der nchsten Verhaftung sicher waren -, dann verbannte er ihn energisch.

Der Gedanke, wie glatt die Vorbereitungen abgelaufen waren, verschaffte ihm mehr Befriedigung.

Seit seiner Ankunft hatte sich die Zahl der Schlssel von drei auf fnf erhht.

Einen davon hatte er am Abend zuvor auf die denkbar einfachste Art und Weise ergattert, indem er beim Empfang darum bat. Seine eigene Zimmernummer war 830. Er hatte den Schlssel von 803 verlangt.

Bevor es soweit war, hatte er einige elementare Vorsichtsmaregeln getroffen. Er hatte sich vergewissert, da der Schlssel von 803 an seinem Haken hing und da das Fach darunter keine Post oder sonstige Nachrichten enthielt. In diesem Falle htte er gewartet, da der Empfangschef beim Aushndigen der Post den Schlsseleigentmer nach ihrem Namen zu fragen pflegte. So lungerte er nur herum, bis der Andrang vorm Empfang strker wurde, und reihte sich dann in die Menschenschlange ein. Der Schlssel wurde ihm ohne weiteres ausgeliefert. Wre etwas schiefgegangen, so htte er glaubhaft erklrt, da er die beiden Nummern verwechselt habe.

Er sagte sich, da die Mhelosigkeit, mit der sich alles abgewickelt hatte, ein gutes Omen sein mute. Sobald die Angestellten am Empfang abgelst worden waren, wrde er sich noch die Schlssel von Zimmer 380 und 930 besorgen.

Auch eine andere Schlsselquelle hatte sich als ergiebig erwiesen. Vor zwei Nchten hatte er durch einen zuverlssigen Verbindungsmann gewisse Abmachungen mit einem Animiermdchen in der Bourbon Street getroffen. Sie hatte ihm den fnften Schlssel gegeben, mit dem Versprechen, noch mehr zu liefern.

Nur der Bahnhof hatte sich - obwohl Keycase die Abfahrt mehrerer Zge abgewartet hatte - als aufgelegte Pleite entpuppt. Da ihm das schon fter passiert war, beschlo Keycase, von der Erfahrung zu profitieren. Bahnreisende waren offensichtlich konservativer als Flugreisende und gingen achtsamer mit Hotelschlsseln um. In Zukunft wrde er Bahnhfe von seinem Programm streichen.

Er sah auf die Uhr. Es bestand kein Grund, den Aufbruch noch lnger hinauszuzgern, aber es war ihm merkwrdig zuwider, sich von dem Bett, auf dem er sa, zu rhren. Er gab sich einen Ruck und traf die letzten Vorbereitungen.

Im Bad wartete bereits ein halbes Glas Scotch auf ihn. Er gurgelte mit dem Whisky, ohne auch nur einen Tropfen hinunterzuschlucken, und spuckte ihn dann ins Waschbecken.

Dann griff er nach einer zusammengefalteten Zeitung - der Frhausgabe der heutigen »Times-Picayune«, die er gestern nacht gekauft hatte - und steckte sie sich unter den Arm.

Zum Schlu klopfte er seine Taschen ab, auf die er die Kollektion von Schlsseln systematisch verteilt hatte, und verlie das Zimmer.

Auf Kreppsohlen schlich er geruschlos die Personaltreppe hinunter. Rasch, aber nicht hastig, strebte er der zwei Stockwerke tiefer liegenden sechsten Etage zu. Auf dem Gang warf er einen unaufflligen Blick nach links und rechts, wobei er

- fr den Fall, da man ihn beobachtete - eine harmlose Miene zur Schau trug.

Der Korridor lag still und wie ausgestorben da.

Keycase hatte den Hotelplan und die Reihenfolge der Zimmer genau im Kopf. Den Schlssel der Nummer 641 lose in der Hand haltend, steuerte er gemchlich die Richtung an, in der, wie er wute, das Zimmer lag.

Es war der erste Schlssel, der vom Moisant-Flughafen; denn Keycase hatte einen methodischen Verstand.

Nun hatte er die Tr der Nummer 641 unmittelbar vor sich. Er hielt an. Kein Lichtschein drang unter ihr hervor, kein Laut drang aus dem Inneren. Er nahm Handschuhe aas der Tasche und streifte sie ber.

Er sprte, wie seine Sinne sich schrften. Behutsam steckte er den Schlssel ins Schlo und sperrte auf. Die Tr ffnete sich unhrbar. Er zog den Schlssel heraus, trat ein und machte die Tr vorsichtig hinter sich zu.

Fahles Dmmerlicht milderte die Finsternis im Inneren des Raums. Keycase blieb stehen, um sich zu orientieren und seine Augen an das Halbdunkel zu gewhnen. Es gab mehrere Grnde, warum erfahrene Hoteldiebe gerade die Morgendmmerung bei ihren Beutezgen begnstigten. Um diese Tageszeit war es gerade hell genug, um Hindernisse zu sehen und ihnen aus dem Weg gehen zu knnen, aber andererseits noch dunkel genug, um notfalls unbemerkt zu entkommen. Auerdem war es der tote Punkt im Leben eines jeden Hotels - die Wachsamkeit der Nachtschicht lie nach, je mehr sich ihr Dienst dem Ende zuneigte; und die Frhschicht war noch nicht eingetroffen. Die Gste - selbst spte Nachtschwrmer und andere Unentwegte - hatten sich in ihre Zimmer begeben und schliefen vermutlich lngst. Auch verlieh die Morgendmmerung ein Gefhl der Sicherheit, als seien die Fhrnisse der Nacht endgltig vorber.

Unmittelbar vor sich konnte Keycase den Umri eines Toilettentischeserkennen. Rechts im Dunkeln befand sich das Bett. Tiefe, regelmige Atemzge lieen darauf schlieen, da der rechtmige Inhaber des Zimmers fest schlummerte.

Ein Toilettentisch war stets der erste und sicherste Tip, wenn man auf das Geld aus war.

Keycase setzte sich in Bewegung, den Boden vor sich mit den Fen abtastend nach allem, worber er stolpern knnte. Er streckte den Arm aus und berhrte den Toilettentisch. Seine Fingerspitzen glitten tastend ber die Tischplatte.

Zuerst stie er auf ein Huflein Kleingeld. Mnzen interessierten ihn nicht; sie machten beim Wegstecken zuviel Lrm. Aber wo Kleingeld war, gab es hchstwahrscheinlich auch eine Brieftasche. Da! Keycase hatte sie gefunden, und sie fhlte sich erfreulich prall an.

Im Zimmer blitzte grelles Licht auf.

Es geschah so pltzlich - ohne ein Gerusch, das ihn gewarnt htte -, da seine Geistesgegenwart, auf die er so stolz war, ihn vllig im Stich lie.

Seine erste Reaktion war ganz instinktiv. Er lie die Brieftasche los und fuhr schuldbewut herum.

Der Mann, der die Nachttischlampe angeknipst hatte, trug einen Pyjama und sa aufrecht im Bett. Er war ziemlich jung, muskuls und sehr erbost. »Was, zum Teufel, haben Sie hier zu suchen?« fragte er aufgebracht.

Keycase stand da, mit bld aufgerissenen Augen, und bekam kein Wort heraus.

Spter sagte er sich, da der Schlfer vermutlich auch ein oder zwei Sekunden brauchte, um sich zu fassen, und da ihm deshalb das ertappte Herumfahren seines Besuchers entging. Aber im Moment begriff Keycase nur, da er einen kostbaren Vorsprung eingebt hatte, und raffte sich versptet zum Handeln auf.

Schwankend, wie ein Betrunkener, blubberte er beleidigt: »Was meinen Sie damit, was ich hier zu suchen hab'? Wie kommen Sie berhaupt in mein Bett?« Er streifte sich verstohlen die Handschuhe ab.

»Hol Sie der Henker! Das ist mein Bett. Und mein Zimmer!«

Keycase taumelte auf das Bett zu und blies dem anderen seinen whiskygeschwngerten Atem ins Gesicht. Er sah wie der Mann angewidert zurckwich. Sein Verstand arbeitete nun schnell und eiskalt, wie immer, wenn es hart auf hart ging. Er hatte sich schon aus schlimmeren Situationen herausgewunden.

Er wute, da es nun an der Zeit war, in die Defensive zu gehen, weil der rechtmige Inhaber des Zimmers es sonst mit der Angst bekam und womglich Hilfe herbeirief. Der Mann, mit dem er es diesmal zu tun hatte, sah allerdings so aus, als knnte er sehr gut allein fr sich einstehen.

»Ihr Zimmer?« fragte Keycase verdutzt. »Wissen Sie das genau?«

Der Mann im Bett war wtender denn je. »Du lausiger Saukopf! Natrlich wei ich's genau!«

»Ist das nicht die 614?«

»Nein, du Hammel! Es ist die 641.«

»Tschuldigung, Alter. Schtze, ich habe mich vertan.« Keycase zog die Zeitung, die er bei sich trug, um den Eindruck zu erwecken, da er von drauen kme, unter dem Arm hervor. »Hier - das ist die Frhausgabe. Sonderschu... Sonderzustellung.«

»Ich will deine gottverdammte Zeitung nicht! Nimm sie und hau ab!«

Es hatte geklappt! Die wohlberlegte Ausflucht hatte sich wieder einmal bewhrt.

»Tut mir wirklich leid, Alter. Okay, okay, ich geh' ja schon.« Er zog sich in Richtung Tr zurck.

Er war beinahe drauen; der Mann im Bett funkelte ihn noch immer zornig an. Er benutzte einen zusammengefalteten Handschuh, um den Trknopf zu drehen. Dann hatte er es geschafft. Erleichtert zog er die Tr hinter sich zu.

Angespannt lauschend, hrte er, wie der Mann drinnen aus dem Bett stieg, durchs Zimmer tappte und mit einem Rasseln die Sicherheitskette vorlegte. Keycase rhrte sich nicht vom Fleck.

Volle fnf Minuten lang stand er im Korridor und wartete, ob der Mann mit dem Empfang telefonierte. Das zu erfahren, war wesentlich. Dann mute Keycase sofort in sein Zimmer zurckkehren, bevor Alarm gegeben wurde. Aber es war kein Laut zu vernehmen, kein Klingeln, kein Surren der Drehscheibe. Die unmittelbare Gefahr war gebannt.

Spter jedoch wrde die Sache vermutlich anders aussehen.

Wenn Mr. 641 von neuem erwachte, im strahlenden Licht des Morgens, wrde er sich an den nchtlichen Zwischenfall erinnern. Whrend er darber nachdachte, wrde er sich vielleicht einige Fragen vorlegen. Zum Beispiel: Angenommen, jemand hatte sich wirklich in der Zimmernummer geirrt, wieso kam es dann, da der Schlssel pate? Und warum war er im Dunkeln geblieben und hatte nicht das Licht angeknipst. Dann war da noch Keycases schuldbewutes Verhalten ganz am Anfang. Ein intelligenter, wohlausgeruhter Mann konnte diesen Teil der Szene womglich rekonstruieren und sich einen Reim darauf machen. Auf jeden Fall wre das Ganze Grund genug zu einem emprten Anruf bei der Hotelleitung.

Die Hotelleitung - vertreten durch einen Hausdetektiv -wrde sich ber die Sachlage sofort im klaren sein. Eine Routineuntersuchung wrde folgen. Man wrde sich den Bewohner von 614 vorknpfen und ihn, womglich, dem Bewohner von 641 gegenberstellen. Beide wrden versichern, da sie einander noch nie gesehen htten. Den Hausdetektiv wrde das nicht berraschen, aber es wrde seinen Verdacht besttigen, da ein professioneller Hoteldieb am Werk war. Die Nachricht wrde sich schnell herum sprechen. Bevor Keycase seine Kampagne richtig gestartet hatte, wrde das gesamte Hotelpersonal gewarnt sein und die Augen offenhalten.

Man mute auch damit rechnen, da sich das Hotel an die Polizei wandte. Die wiederum wrde den FBI um Ausknfte ber bekannte Hoteldiebe bitten, die derzeit auf freiem Fu waren. Und wenn eine solche Liste eintraf, wrden sie ganz bestimmt den Namen von Julius Keycase Milne enthalten. Auch Bilder von ihm wrden dabeisein - Polizeifotos zum Herumzeigen beim Empfang und sonstwo.

Das einzig Vernnftige fr ihn wre, seine Sachen zu packen und sich davonzumachen. Wenn er sich beeilte, konnte er in einer knappen Stunde aus der Stadt sein.

Nur, ganz so einfach war es eben nicht. Er hatte Geld investiert - der Wagen, das Motel, das Hotelzimmer, das Bourbon-Street-B-Mdchen. Im Moment war er knapp bei Kasse. Er mute aus New Orleans einen Profit herausschlagen -einen anstndigen Profit. Denk nach, sagte sich Keycase, denk gut nach.

Bisher hatte er die Dinge nur von der schwrzesten Seite betrachtet. Man konnte sie aber auch anders sehen.

Selbst, wenn die Ereignisse sich so abwickelten, wie er es sich ausgemalt hatte, wrde es mehrere Tage dauern, bevor die Polizei etwas unternahm. Sie war - laut Bericht in der Morgenzeitung - damit beschftigt, einen Fall von Fahrerflucht aufzuklren. Der Unfall hatte zwei Todesopfer gefordert, die Bevlkerung war sehr erregt, und smtliche verfgbaren Polizeidetektive arbeiteten mit Hochdruck an der Ermittlung des Tters. Es war nicht wahrscheinlich, da die Polizei kostbare Zeit opfern wrde, da im Hotel schlielich gar kein Verbrechen verbt worden war. Irgendwann wrde sie sich natrlich auch damit befassen. Das tat sie immer.

Welche Frist blieb ihm also noch? Bei vorsichtiger Schtzung ein Tag, vielleicht sogar zwei. Er dachte angestrengt nach. Das wrde reichen.

Bis zum Freitag morgen konnte er ordentlich abgestaubt haben und, ohne eine Fhrte zu hinterlassen, ber alle Berge sein.

Die Entscheidung war gefallen. Was jetzt? Sollte er in sein Zimmer in der achten Etage zurckkehren und alle Aktionen auf morgen verschieben, oder sollte er weitermachen? Er war stark versucht, das Ganze fr heute abzublasen. Wenn er ehrlich war, mute er sich eingestehen, da der Zwischenfall ihn mehr erschttert hatte als sonst einer zuvor. Sein Zimmer erschien ihm wie ein sicherer geschtzter Hafen.

Aber dann raffte er sich grimmig entschlossen auf. Er hatte irgendwo gelesen, da man Militrpiloten, die nicht durch eigenes Verschulden Bruch gemacht hatten, sofort wieder in die Luft schickte, bevor sie die Nerven verloren. Er wrde dasselbe Rezept befolgen.

Der erste Schlssel hatte sich als Mierfolg erwiesen. Das war vielleicht ein Omen - ein Wink des Schicksals, a er es in umgekehrter Reihenfolge probieren und mit dem letzten anfangen sollte. Mit der Nummer 1062, den er von dem Mdchen aus der Bourbon Street bekommen hatte. Noch ein Omen! - und diesmal ein gutes - seine Glcksziffer, die Zwei. Die einzelnen Stockwerke zhlend, stieg Keycase die Personaltreppe hinauf.

Stanley, der Mann aus Iowa, der auf den ltesten Neppschwindel der Bourbon Street hereingefallen war, lag im Bett und schlief. Er hatte lange auf die breithftige Blondine gewartet, zuerst voller Zuversicht, dann, als die Stunden verstrichen, mit sinkender Hoffnung, bis ihm schlielich schwante, da man ihn hereingelegt hatte, und wie hereingelegt! Endlich, als er seine Augen nicht mehr offenhalten konnte, rollte er sich herum und versank in einen tiefen Schlaf.

Er hrte weder wie Keycase hereinkam, noch wie er sich vorsichtig und systematisch durch das Zimmer bewegte. Er schnarchte friedlich, als Keycase seine Brieftasche plnderte und Uhr, Siegelring, goldenes Zigarettenetui, vergoldetes Feuerzeug und diamantene Manschettenknpfe einsackte. Er rhrte sich auch nicht, als Keycase auf leisen Sohlen davonschlich.

Mr. Stanley aus Iowa erwachte erst am spten Vormittag, und es dauerte noch eine Stunde, bevor er - behindert von einem mordsmigen Kater - wahrnahm, da man ihn bestohlen hatte. Als ihm das ganze Ausma seines Elends aufging - dies neue Unglck, der Katzenjammer, der kostspielige und erfolglose Barbesuch -, sank er in einen Sessel und greinte wie ein Kind.

Keycase hatte seinen Raub inzwischen lngst in Sicherheit gebracht.

Nach seinem erfolgreichen Fischzug in der Nummer 1062 stellte Keycase fest, da es zu hell wurde, um noch einen Coup zu riskieren. Er kehrte in sein Zimmer zurck und zhlte das Geld. Es belief sich auf 94 Dollar, in der Hauptsache Fnfer und Zehner, und alles gebrauchte Scheine, so da sie nicht identifiziert werden konnten. Zufrieden verstaute er sie in seiner Brieftasche.

Die Uhr und die anderen Wertgegenstnde stellten ein greres Problem dar. Er hatte zuerst geschwankt, ob er sie berhaupt mitgehen lassen sollte, war aber seiner Habgier und der Gunst des Augenblicks erlegen. Das bedeutete natrlich, da irgendwann im Laufe des Tages Alarm geschlagen werden wrde. Es kam vor, da Leute Geld verloren und nicht wuten, wie und wo, das Verschwinden von Wertgegenstnden wies jedoch eindeutig auf Diebstahl hin. Die Mglichkeit einer prompten Polizeiaktion wurde dadurch grer und die Frist, die er sich gesetzt hatte, vermutlich krzer. Vielleicht aber auch nicht. Er merkte, wie sein Selbstvertrauen zunahm und zugleich damit seine Bereitschaft, ruhig etwas zu riskieren, wenn es sein mute.

Unter seinen Habseligkeiten befand sich ein kleiner Vertreterkoffer, mit dem man in einem Hotel aus und ein gehen konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Keycase packte die gestohlenen Dinge hinein und sagte sich, da sie ihm bei einem zuverlssigen Hehler fraglos hundert Dollar einbringen wrden, obwohl sie in Wirklichkeit viel mehr wert waren.

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