Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð

»Ich glaube nicht. Auerdem geht es Sie ganz besonders an.«

Peter setzte sich dem Schreibtisch gegenber in einen Ledersessel.

»Sie erinnern sich doch sicher noch an den Mann«, sagte Christine, »dem auf der Carondelet Street eine Flasche von oben auf den Kopf flog. Er wurde ziemlich bs zugerichtet.«

»Freilich.« Peter nickte. »Verdammtes Pech! Die Flasche wurde aus einem unserer Zimmer geworfen, das steht auer Frage. Aber wir konnten den Gast, der's getan hat, nicht ermitteln.«

»Was fr eine Sorte Mensch war er... ich meine, der Mann, der verletzt wurde?«

»Netter kleiner Bursche, soweit ich mich erinnere. Ich sprach danach mit ihm, und wir bezahlten die Krankenhauskosten. Unsere Anwlte wiesen aber in einem Brief eigens darauf hin, da es sich dabei um eine reine Geflligkeit unsererseits handelte und da wir fr den Unfall nicht haftbar gemacht werden knnten.«

»Die freundliche Geste hat nicht gewirkt. Er will das Hotel auf zehntausend Dollar Schadenersatz verklagen. Er macht Schock, Krperverletzung und Verdienstausfall gelten und behauptet, wir wren fahrlssig gewesen.«

»Er wird nicht einen Cent kassieren«, erklrte Peter bestimmt. »In gewisser Weise ist das wohl nicht ganz fair, aber er hat nicht die geringste Chance, damit durchzukommen.«

»Woher knnen Sie das so genau wissen?«

»Weil es eine Menge Gerichtsentscheidungen gibt, in denen es um die gleiche Sache geht. Verteidiger brauchen blo auf diese Przedenzflle zurckgreifen und sie vor Gericht zu zitieren.«

»Und das gengt, um eine Entscheidung durchzusetzen?«

»Im allgemeinen ja«, versicherte er. »Die Rechtsprechung auf diesem Gebiet ist schon seit Jahren ziemlich einheitlich. Da gab es beispielsweise einen klassischen Fall in Pittsburgh - im William-Penn-Hotel. Ein Mann wurde von einer Flasche getroffen, die aus einem der Gstezimmer geworfen wurde und das Verdeck seines Wagens durchschlug. Er verklagte das Hotel.«

»Und er gewann den Proze nicht?«

»Nein, er verlor ihn in erster Instanz und legte Berufung beim Obersten Gerichtshof von Pennsylvania ein. Das wies ihn ab.«

»Warum?«

»Das Gericht sagte, kein Hotel wre fr die Handlungen seiner Gste verantwortlich. Als einzige Ausnahme knnte man eventuell gelten lassen, wenn einer der leitenden Angestellten, sagen wir, der Hoteldirektor, im voraus von der Attacke Kenntnis hatte und nichts unternahm, um sie zu verhindern.« Peter kramte in seinem Gedchtnis und runzelte vor lauter Anstrengung die Stirn. »Dann war da noch ein Fall - in Kansas City, glaube ich. Einige Kongreteilnehmer lieen mit Wasser gefllte Wschescke aus ihren Fenstern auf die Strae plumpsen. Als die Scke barsten, stoben die Leute auf dem Gehsteig auseinander, und dabei wurde ein Passant unter einen fahrenden Wagen gestoen. Er wurde schwer verletzt. Spter verklagte er das Hotel, kam aber auch nicht damit durch. Es gibt noch eine Menge anderer Gerichtsentscheidungen - im Wortlaut sind sie alle ziemlich gleich.«

»Woher wissen Sie das alles?« fragte Christine neugierig.

»Unter anderem habe ich in Cornell auch Vorlesungen ber Hotelrecht gehrt.«

»Na, ich finde, das alles klingt grlich unfair.«

»Es ist hart fr die Betroffenen, aber fair dem Hotel gegenber. Im Grunde mte natrlich der Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden. Der Haken dabei ist blo, da es bei den vielen Fenstern zur Strae nahezu unmglich ist, den Schuldigen zu finden. Und so rutschen sie meistens durch.«

Christine hatte aufmerksam zugehrt, den Ellenbogen auf den Schreibtisch und das Kinn leicht in die Hand gesttzt. Sonnenlicht sickerte durch die halb geschlossenen Jalousien herein und setzte ihr rotes Haar in Flammen. Im Moment kruselte eine nachdenkliche verwirrte Falte ihre Stirn, und Peter ertappte sich bei dem Wunsch, sie sanft mit zwei Fingern wegzustreicheln.

»Ganz begriffen hab' ich das noch immer nicht«, sagte sie. »Wollen Sie im Ernst behaupten, da kein Hotel fr die Handlungen seiner Gste gesetzlich verantwortlich ist - nicht mal fr das, was ein Gast dem anderen antut?«

»Allerdings, zumindest auf dem Gebiet, ber das wir eben gesprochen haben. Die Rechtsprechung ist da ganz eindeutig, und zwar schon seit langer Zeit. Tatschlich geht ein Groteil unserer Gesetze auf die englischen Wirtshuser zurck, beginnend mit dem 14. Jahrhundert.«

»Erzhlen Sie mir davon.«

»Ich will Ihnen eine Kurzfassung geben. Es fngt damit an, da die englischen Herbergen nur eine einzige groe, von einem offenen Feuer erwrmte und beleuchtete Halle hatten, in der alle zusammen schliefen. In der Nacht war es Sache des Wirts seine Gste vor Dieben und Mrdern zu schtzen.«

»Das klingt vernnftig.«

»Es war auch vernnftig. Und man erwartete das gleiche auch dann noch vom Wirt, als kleinere Schlafzimmer aufkamen, weil in ihnen stets mehrere Gste untergebracht wurden - oder zumindest untergebracht werden konnten.«

»Wenn man's sich genau berlegt«, sagte Christine versonnen, »dann war das damals keine Zeit fr Abgeschiedenheit und Einsamkeit.«

»Die Absonderung kam erst mit den Einzelzimmern, zu denen die Gste Schlssel hatten. Und von da an ging auch die Rechtsprechung von anderen Gesichtspunkten aus. Der Wirt war lediglich verpflichtet, seine Gste vor Dieben und Einbrechern zu schtzen. Aber darber hinaus hatte er keine Verantwortung, und zwar weder fr das, was ihnen in ihren Zimmern zustie, noch fr das, was sie da machten.«

»Mit dem Schlssel nderte sich also alles.«

»Ja, und so wie damals ist's noch heute. In dem Punkt sind sich die Gesetze gleichgeblieben. Wenn wir einem Gast einen Schlssel geben, ist das ein Rechtssymbol. Es bedeutet, da der Wirt ber den Raum nicht lnger verfgen kann oder nicht noch jemanden dort einquartieren darf. Andererseits haftet das Hotel auch nicht fr den Gast, sobald der die Tr seines Zimmers hinter sich geschlossen hat.« Er wies auf den Brief, den Christine beiseite gelegt hatte. »Deshalb mte unser Freund da schon den Flaschenwerfer ausfindig machen und sich an ihn halten. Wenn er uns belangt, hat er keine Chance.«

»Ich ahnte nicht, da Sie so ungeheuer viel darber wissen.«

»Es war nicht meine Absicht, diesen Eindruck zu erwecken. Ich nehme an, da W. T. ber die Rechtslage im Bilde ist, falls er aber eine Zusammenfassung der Przedenzflle haben mchte, so habe ich eine, die ich ihm geben kann.«

»Er wird vermutlich dankbar dafr sein. Ich hefte eine diesbezgliche Notiz an den Brief.« Sie sah Peter offen an. »All das macht Ihnen Spa, nicht wahr? Ein Hotel zu leiten und was sonst damit zusammenhngt.«

»Ja«, antwortete er ehrlich. »Obwohl es mir noch mehr Spa machen wrde, wenn wir hier ein paar Vernderungen durchdrcken knnten. Htten wir das schon frher getan, dann brauchten wir jetzt vielleicht Curtis O'Keefe nicht. Dabei fllt mir ein... wissen Sie schon, da er angekommen ist?«

»Sie sind der siebzehnte, der mir das sagt. Ich glaube, das Telefon fing in dem Moment an zu luten, als er erst mit einem Bein aus dem Wagen gestiegen war.«

»Das ist nicht berraschend. Inzwischen werden sich eine Menge Leute fragen, warum er hier ist. Oder vielmehr, wann man uns offiziell mitteilt, warum er hier ist.«

»Ich habe eben alles fr ein privates Dinner heute abend in W. T.s Suite in die Wege geleitet - fr Mr. O'Keefe und seine Begleiterin. Haben Sie sie schon gesehen? Sie soll etwas ganz Besonderes sein.«

Er schttelte den Kopf. »Mein eigenes Dinner interessiert mich mehr. Ich rechne dabei auf Sie. Deshalb bin ich hier.«

»Falls das eine Einladung fr heute abend sein soll, kann ich blo sagen, ich bin frei und Hunger habe ich auch.«

»Fein!« Er sprang auf und berragte sie wie ein Turm. »Ich hole Sie um sieben in Ihrer Wohnung ab.«

Auf dem Weg nach drauen ersphte er auf einem Tisch dicht neben der Tr ein zusammengefaltetes Exemplar der »Times-Picayune.« Er blieb stehen und erkannte an der fetten Schlagzeile ber den Tod der beiden Unfallopfer, da es sich um dieselbe Ausgabe handelte, die er auch gerade gelesen hatte. »Ich nehme an, Sie haben das hier schon gesehen?« fragte er bedrckt.

»Ja. Es ist schrecklich, nicht? Beim Lesen hatte ich das grliche Gefhl, als htte ich das Ganze mit angesehen, weil wir gestern nacht da vorbeikamen.«

»Komisch, da Sie das sagen.« Er blickte sie seltsam an. »Ich hatte auch ein ganz eigenartiges Gefhl dabei. Es hat mich gestern nacht verfolgt und heute morgen wieder.«

»Was fr ein Gefhl?«

»Ich bin mir nicht sicher. Irgendwie kommt's mir vor, als wte ich etwas - genauer kann ich's nicht ausdrcken -, und dabei wei ich nichts.« Peter zuckte mit den Schultern und schlug sich den Gedanken aus dem Kopf. »Wahrscheinlich haben Sie recht. Ich bilde mir das ein, weil wir da vorbeigefahren sind.« Er legte die Zeitung wieder auf den Tisch.

Als er mit Riesenschritten hinausging, wandte er sich um und winkte ihr lchelnd zu.

Christine lie sich, wie schon oft, zum Lunch belegte Brote und Kaffee heraufbringen. Whrend sie noch beim Esen war, tauchte Warren Trent auf, blieb jedoch nur, um die Post zu lesen, bevor er sich zu einem seiner Streifgnge durchs Hotel aufmachte, die, wie Christine wute, Stunden dauern konnten. Es bekmmerte sie, als sie das abgespannte Gesicht des Hotelbesitzers sah und bemerkte, wie schwerfllig er sich fortbewegte, ein sicheres Anzeichen dafr, da sein Ischias ihm zu schaffen machte.

Um halb drei, nachdem sie einer der Sekretrinnen im Vorzimmer Bescheid gesagt hatte, begab sie sich zu einem Besuch bei Albert Wells.

Sie fuhr im Lift in die vierzehnte Etage hinauf und ersphte, als sie in den Korridor einbog, eine sich nhernde untersetzte Gestalt. Es war Sam Jakubiec, der Kreditmanager. In der Hand hielt er ein Blatt Papier, und seine Miene war verdrossen.

Als er Christine sah, blieb er stehen. »Ich habe eben mit Ihrem kranken Freund, Mr. Wells, gesprochen.«

»Wenn Sie bei ihm genauso finster dreingeschaut haben, kann der Besuch fr ihn nicht sehr vergnglich gewesen sein.«

»Na, ehrlich gesagt, fr mich war's auch nicht gerade ein Vergngen. Ich hab' ihm das hier abgeluchst, aber wei der Himmel, ob's was taugt.«

Christine griff nach dem Blatt Papier, das der Hotelmanager in der Hand hatte. Es war ein schmieriger Bogen Hotelbriefpapier mit einem Fettfleck in einer Ecke. Darauf hatte Albert Wells in plumper sperriger Schrift eine Zahlungsanweisung ber zweihundert Dollar fr eine Bank in Montreal ausgestellt und mit seinem Namen unterzeichnet.

»Er ist auf seine stille Art ein zher alter Bursche«, sagte Jakubiec. »Zuerst wollte er gar nichts herausrcken. Erklrte, er wrde seine Rechnung bezahlen, sobald sie fllig wre. Als ich ihm sagte, wir wrden ihm, wenn ntig, die Zahlungsfrist verlngern, schien ihn das nicht zu interessieren.«

»Wenn es um Geld geht, sind die Leute empfindlich«, meinte Christine. »Besonders, wenn sie knapp dran sind.«

Der Kreditmanager schnalzte ungeduldig mit der Zunge. »Teufel! - die meisten von uns sind knapp bei Kasse. Ich bin's immer. Aber da laufen die Leute herum und bilden sich ein, es wre eine Schande, und dabei gb's in den meisten Fllen einen Ausweg, wenn sie blo offen mit der Sprache herauskmen.«

»Ist das legal?« fragte Christine und betrachtete das Papier bedenklich.

»Es ist legal, wenn Geld auf dem Konto ist. Man kann einen Scheck auf Notenpapier oder einer Bananenschale ausschreiben, wenn's einem in den Kram pat. Aber die meisten Leute, die Geld auf der Bank haben, benutzen ein vorgedrucktes Scheckheft. Ihr Freund Wells sagte, er knne seines nicht finden.«

Als Christine ihm den Wisch zurckgab, fgte Sam Jakubiec hinzu: »Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, er ist ehrlich und hat das Geld - aber gerade so viel und nicht mehr - und wird sich krummlegen, um es aufzutreiben. Der Haken dabei ist, er schuldet schon mehr als die Hlfte von den zweihundert, und die Privatpflege wird den Rest verdammt schnell schlucken.«

»Was werden Sie machen?«

Der Kreditmanager fuhr sich mit der Hand ber die Glatze. »Zuerst mal werde ich das Geld fr einen Anruf in Montreal springen lassen und mich erkundigen, ob der Scheck hier gut ist oder nicht.«

»Und wenn er schlecht ist, Sam?«

»Dann mu Ihr Freund gehen - wenigstens, soweit es mich betrifft. Falls Sie allerdings mit Mr. Trent reden wollen und der ihn bleiben lt -«, Jakubiec zuckte mit den Schultern -, »ist das natrlich was anderes.«

Christine schttelte den Kopf. »Ich mchte W. T. nicht damit belstigen. Aber ich wre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Bescheid sagen, bevor Sie etwas unternehmen.«

»Gern, Miss Francis.« Der Kreditmanager nickte und stapfte dann mit kurzen, energischen Schritten den Korridor hinunter.

Gleich darauf klopfte Christine an die Tr des Zimmers 1410.

Eine uniformierte Pflegerin mittleren Alters mit ernstem Gesicht und Hornbrille ffnete. Christine nannte ihren Namen, und die Krankenschwester sagte: »Warten Sie bitte einen Moment. Ich werde Mr. Wells fragen, ob er sie sehen mchte.«

Christine hrte aus dem Inneren des Zimmers Schritte und mute lcheln, als eine Stimme nachdrcklich sagte: »Natrlich mchte ich sie sehen. Lassen Sie sie nicht warten.«

Als die Pflegerin zurckkehrte, schlug Christine ihr vor: »Falls Sie eine Weile weggehen wollen, knnte ich Sie solange vertreten.«

»Also, ich wei nicht recht...« Sie zgerte, taute aber sichtlich auf.

Die Stimme aus dem Zimmer sagte: »Gehen Sie ruhig. Miss Francis kennt sich aus. Wenn sie nicht gewesen wre, htte's mich gestern nacht erwischt.«

»Nun gut«, sagte die Pflegerin. »Ich bleibe nur zehn Minuten weg, und sollten Sie mich in der Zwischenzeit brauchen, knnen Sie mich in der Cafeteria erreichen.«

Albert Wells strahlte ber das ganze Gesicht, als Christine hereinkam. Der kleine Mann sa zurckgelehnt in einem Berg von Kissen und sah winzig aus. Seine uere Erscheinung, die gebrechliche, in ein altmodisches Nachthemd gehllte Gestalt, erinnerte noch immer an einen Sperling, aber im Vergleich zu seiner beinahe hoffnungslosen Schwche in der vergangenen Nacht an einen recht munteren Sperling. Seine Gesichtsfarbe war noch bla, aber nicht mehr grau. Er atmete, von einem gelegentlichen Keuchen abgesehen, regelmig und anscheinend mhelos.

»Es ist nett von Ihnen, da Sie mich besuchen, Miss«, sagte er.

»Mit Nettigkeit hat das nichts zu tun. Ich wollte wissen, wie es Ihnen geht.«

»Viel besser, und das hab' ich Ihnen zu verdanken. »Er zeigte auf die Tr, die sich gerade hinter der Pflegerin schlo. »Aber die da, die ist ein regelrechter Drachen.«

»Sie tut Ihnen aber gut, scheint mir.« Christine sah sich anerkennend im Zimmer um. Alles darin, auch die persnlichen Habseligkeiten des alten Mannes, war sorglich aufgerumt. Auf einem Tisch neben dem Bett stand ein Tablett mit Medikamenten. Der Sauerstoffzylinder, den sie in der vergangenen Nacht benutzt hatten, war noch da, aber der Plastikbeutel war durch eine znftige Maske ersetzt worden.

»Oh, sie kennt sich aus«, gab Albert Wells zu. »Das nchstemal htte ich aber gern eine hbschere Schwester.«

Christine lchelte. »Es geht Ihnen wirklich besser.« Sie fragte sich, ob sie etwas ber ihr Gesprch mit Sam Jakubiec verlauten lassen sollte, entschied dann aber dagegen. Statt dessen sagte sie: »Gestern nacht sprachen Sie davon, da die Anflle anfingen, als Sie Bergmann waren.«

»Damals holte ich mir die Bronchitis; das stimmt.«

»Waren Sie sehr lange Bergmann, Mr. Wells?«

»Lnger als ich denken mag, Miss. Aber es gibt immer was, das einen dran erinnert... mal ist es die Bronchitis, mal die hier...« Er legte die gespreizten Hnde mit dem Handteller nach oben auf die Decke, und Christine sah, da sie hart und knorrig waren von der schweren krperlichen Arbeit vieler Jahre.

Impulsiv streckte sie den Arm aus und streichelte sie. »Darauf knnen Sie stolz sein, finde ich. Wollen Sie mir nicht davon erzhlen? Ich wrde gern mehr darber hren.«

Er schttelte den Kopf. »Vielleicht ein andermal. Dazu braucht man Zeit und viel Geduld. Das meiste sind sowieso blo Altmnnergeschichten, und alte Mnner finden kein Ende, wenn man ihnen eine Chance gibt.«

Christine setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett. »Ich habe sehr viel Ausdauer, und ich glaube einfach nicht, da Ihre Geschichten langweilig sind.«

»Es gibt ein paar Leute in Montreal, die Ihnen da nicht beistimmen wrden«, sagte er schmunzelnd.

»Ich war schon immer neugierig auf Montreal. Ich war noch nie dort.«

»Die Stadt ist eine Mischung aus allem Mglichen - in gewisser Weise hnelt sie New Orleans.«

»Kommen Sie deshalb jedes Jahr hierher?« fragte sie neugierig. »Weil es Sie an zu Hause erinnert?«

Der kleine Mann berlegte, die mageren Schultern tief im Kissenberg vergraben. »Daran hab' ich eigentlich nie gedacht, Miss. Ich schtze, ich komme her, weil ich altmodische Dinge mag und weil nicht mehr viele Pltze brig sind, wo man sie findet. Mit dem Hotel hier ist's da gleiche. An manchen Stellen ist es schon ein bichen fadenscheinig, das wissen Sie selbst, Miss. Aber im groen und ganzen ist's behaglich, und ich meine das im besten Sinn. Ich hasse Standardhotels. Da ist eins wie das andere - geleckt und auf Hochglanz poliert, und wenn man drin wohnt, kommt man sich vor wie in einer Fabrik.«

Christine zgerte einen Moment lang. Dann, im Bewutsein, da die Ereignisse des Tages die bisherige Heimlichtuerei ohnehin berflssig machten, sagte sie: »Ich habe Neuigkeiten fr Sie, die Ihnen nicht gefallen werden. Ich frchte, das St. Gregory wird auch bald zu den Standardhotels gehren.«

»Wenn's so weit kme, wrde ich das bedauern. Obwohl ich mir gedacht hab', da ihr hier in Geldschwierigkeiten seid.«

»Woran haben Sie das gemerkt?«

»An allem mglichen, Miss.« Der alte Mann sann nach. »Als ich das letzte- und auch das vorletztemal hier war, merkte ich gleich, da ihr in einer Klemme seid. Was ist's denn diesmal -Bankschulden, Kndigung einer Hypothek oder was sonst?«

An diesem ehemaligen Bergmann kamen immer neue, berraschende Charakterzge zum Vorschein, dachte Christine, nicht zuletzt ein sicherer Instinkt fr die Wahrheit. Sie antwortete lchelnd: »Vermutlich hab' ich schon zuviel ausgeplaudert. Aber Sie werden es sowieso erfahren. Mr. Curtis O'Keefe ist heute eingetroffen.«

»O nein! - Nicht O'Keefe.« Auf Albert Wells' Gesicht spiegelte sich aufrichtiger Kummer. »Wenn der das Hotel hier in die Finger bekommt, ist's bald blo noch ein Abklatsch von seinen anderen. Dann wird's wirklich eine Fabrik. Das Hotel htte ein paar Vernderungen dringend ntig, aber nicht solche, wie O'Keefe sie vorhat.«

»Welche denn, Mr. Wells?« fragte Christine neugierig.

»Ein guter Hotelfachmann knnte Ihnen das besser erklren als ich, obwohl ich mir auch so meine Gedanken gemacht habe. Eins wei ich jedenfalls genau, Miss - die Leute machen sich wieder mal zum Narren einer Mode. Im Moment sind sie versessen auf Politur und Chrom, und alles soll gleich aussehen. Aber mit der Zeit kriegen sie das satt und mchten die alten Dinge zurckhaben - solche Sachen wie echte Gastlichkeit und ein bichen Charakter und eine persnliche Atmosphre; kein Standardhotel, wie sie's in fnfzig Stdten gefunden haben und in fnfzig anderen finden knnten, sondern was Besonderes. Der Haken ist blo, da, wenn die Leute das endlich begriffen haben, die meisten guten Huser - und das hier vielleicht auch -nicht mehr existieren werden.« Er verstummte und fragte dann: »Wann wird sich's entscheiden?«

»Das wei ich wirklich nicht.« Die Tiefe des Gefhls, die in den Worten des kleinen Mannes zum Ausdruck kam, hatte Christine erschreckt. »Nur glaube ich nicht, da Mr. O'Keefe lange hierbleiben wird.«

Albert Wells nickte. »Nach allem, was ich gehrt hab', bleibt er nirgends lange. Ein schneller Arbeiter, sobald er sich was in den Kopf gesetzt hat. Also, ich kann nur nochmal sagen, es wre ein Jammer, und sollte es wirklich dazu kommen, dann sehen Sie mich hier nicht wieder.«

»Wir werden Sie vermissen, Mr. Wells. Mir wenigstens werden Sie fehlen - sofern ich den Wechsel berlebe.«

»Oh, Sie werden ihn berleben, und Sie werden das erreichen, was Sie erreichen wollen, Miss. Nur wird's vielleicht nicht gerade ein Posten im Hotel sein, wenn ein junger Bursche aufkreuzt, der ein bichen Verstand hat.«

Sie lachte, ohne ihm zu antworten, und danach plauderten sie ber andere Dinge, bis ein kurzes Klopfen an der Tr die Rckkehr des gestrengen Schutzengels ankndigte. »Danke, Miss Francis«, sagte die Pflegerin steif und sah nachdrcklich auf ihre Uhr. »Mein Patient mu jetzt seine Medizin nehmen und ruhen.«

»Ich kann ohnehin nicht bleiben«, erklrte Christine. »Morgen besuche ich Sie wieder, Mr. Wells, wenn ich darf.«

»Das wre nett, Miss.«

Als sie hinausging, zwinkerte er ihr zu.

Auf ihrem Schreibtisch fand sie eine Notiz mit der Bitte, Sam Jakubiec anzurufen. Sie griff nach dem Hrer, und der Kreditmanager meldete sich.

»Ich dachte mir, da Sie vielleicht gern Bescheid haben wrden«, sagte er. »Ich hab' mit dieser Bank in Montreal gesprochen. Es sieht so aus, als wre Ihr Freund okay.«

»Das ist eine gute Nachricht, Sam. Was haben Sie erfahren?«

»Also, irgendwie ist das Ganze komisch. Sie wollten mir nicht sagen, fr wieviel der Kunde gut ist, obwohl Banken das sonst tun. Sagten nur, ich sollte den Scheck zur Zahlung einreichen, und als ich ihnen den Betrag nannte, schien sie das nicht weiter zu beunruhigen. Deshalb nehme ich an, da er das Geld hat.«

»Das freut mich.«

»Mich auch, aber ich werde seine Rechnung trotzdem im Auge behalten, damit sie nicht zu hoch wird.«

»Sie sind ein scharfer Wachhund, Sam«, erwiderte sie lachend. »Und schnen Dank fr den Anruf.«

10

Curtis O'Keefe und Dodo hatten sich in ihren zwei nebeneinanderliegenden Suiten bequem eingerichtet, wobei Dodo wie immer fr beide auspackte, weil ihr das Freude machte. Der Hotelier sa nun im greren der zwei Salons und studierte einen Geschftsbericht, einen von mehreren, die sich in einer blauen Mappe mit der Aufschrift »Vertraulich - St. Gregory, vorlufiges Gutachten« befanden.

Dodo inspizierte den prachtvollen Obstkorb, der auf Peter McDermotts Anweisung hin in der Suite abgeliefert worden war, entschied sich fr einen Apfel und war gerade dabei, ihn zu schlen, als das Telefon neben O'Keefes Ellenbogen innerhalb weniger Minuten zweimal lutete.

Der erste Anrufer war Warren Trent, der den Gast hflich begrte und sich erkundigte, ob alles in Ordnung sei. Nachdem Curtis O'Keefe freundlich versichert hatte, da sie sich wohl fhlten - »Knnte gar nicht besser sein, mein lieber Warren, nicht mal in einem O'Keefe-Hotel« -, nahm er fr sich selbst und Dodo die Einladung an, am Abend privat mit dem Besitzer des St. Gregory zu speisen.

»Es wird uns ein Vergngen sein«, erklrte der Hotelier huldvoll. »brigens, ich bewundere Ihr Haus.«

»Das hatte ich befrchtet«, erwiderte Warren Trent trocken.

O'Keefe lachte schallend. »Wir unterhalten uns heute abend darber, Warren. Vielleicht auch ein wenig ber Geschfte, wenn's sein mu, aber vor allem freue ich mich auf ein Gesprch mit einem groen Hotelmann.«

Als er den Hrer auflegte, fragte Dodo mit nachdenklich gekrauster Stirn: »Wenn er ein so groer Hotelmann ist, Curtie, warum verkauft er dann an dich?«

Wie immer gab er ihr eine ernsthafte Antwort, obwohl er im voraus wute, da sie sie nicht begreifen wrde. »In der Hauptsache, weil die Zeiten sich gendert haben und er das nicht begriff. Heutzutage gengt es nicht, ein guter Hotelier zu sein; man mu auch kalkulieren knnen.«

»Herrje«, sagte Dodo, »sind die pfel gro!«

Der zweite Anruf, der dem ersten unmittelbar folgte, kam aus einem Mnzfernsprecher in der Hotelhalle. »Hallo, Odgen«, sagte Curtis O'Keefe, nachdem der Anrufer seinen Namen genannt hatte, »ich lese gerade Ihren Bericht.«

Elf Stockwerke tiefer, in der Halle, nickte ein Mann mit fahlem Gesicht und schtterem Haar, der wie ein Buchhalter aussah, was er - unter anderem - auch war, seinem jngeren Gefhrten zu, der vor der Telefonzelle wartete. Er hie Odgen Bailey, wohnte auf Long Island und hatte die letzten zwei Wochen unter dem Namen Richard Fountain aus Miami im Hotel verbracht. Es war typisch fr seine Umsicht, da er weder den Hausanschlu benutzte noch von seinem Zimmer in der vierten Etage aus anrief. Nun sagte er in korrektem Tonfall: »Es gibt da noch einige Punkte, die wir gern ergnzen wrden, Mr. O'Keefe, und einige zustzliche Informationen, die Sie, glaube ich, brauchen werden.«

»Sehr gut. Ich erwarte Sie in fnfzehn Minuten.«

Beim Auflegen sagte Curtis O'Keefe belustigt zu Dodo: »Es freut mich, da du das Obst magst. Sonst htte ich all diesen Frchtesegen schon lngst abgestellt.«

»Also, eigentlich bin ich gar nicht so scharf drauf.« Sie sah ihn mit ihren babyblauen Augen gro an. »Abr du it nie welches, und es kommt mir so grlich verschwenderisch vor.«

»In einem Hotel geht kaum etwas verloren«, versicherte er ihr. »Was du stehenlt, nimmt sich ein anderer, und meistens verschwindet es durch die Hintertr.«

»Meine Mom ist verrckt auf Obst.« Dodo brach eine Weintraube ab. »Bei einem Korb wie dem hier wrde sie

berschnappen.«

Er hatte wieder nach dem Bericht gegriffen. Nun legte er ihn weg. »Warum schickst du ihr dann nicht einen?«

»Meinst du jetzt gleich?«

»Natrlich.« Er hob den Telefonhrer ab und verlangte den Blumenladen im Hotel. »Hier ist Mr. O'Keefe. Ich glaube, Sie haben einen Obstkorb in meine Suite geliefert.«

Eine weibliche Stimme antwortete ngstlich: »Ja, Sir. Stimmt etwas damit nicht?«

»Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Ich mchte nur, da genauso ein Obstkorb nach Akron, Ohio, geliefert wird. Setzen Sie ihn auf meine Rechnung. Einen Moment...« Er reichte Dodo den Hrer. »Gib ihnen die Adresse und eine Nachricht fr deine Mutter.«

Als sie fertig war, schlang sie impulsiv die Arme um seinen Hals. »Herrje, Curtie, du bist ein Schatz!«

Er sonnte sich in ihrer Freude, die vllig echt war. Es war seltsam, dachte er, da Dodo, die wie alle ihre Vorgngerinnen gegen kostspielige Geschenke nichts einzuwenden hatte, sich allem Anschein nach ber Kleinigkeiten - wie beispielsweise den Obstkorb fr ihre Mutter - am meisten freute.

Kaum hatte er die Berichte in der Mappe durchgelesen, als es, pnktlich nach fnfzehn Minuten, an der Tr klopfte. Dodo, die ffnete, fhrte zwei Mnner herein, die beide Aktentaschen trugen - Odgen Bailey und Sean Hall, seinen Kollegen. Hall war die jngere Ausgabe seines Vorgesetzten und wrde in zehn Jahren oder so die gleiche fahle konzentrierte Miene haben, die zweifellos vom unausgesetzten Brten ber Bilanzen und Gutachten herrhrte.

Der Hotelier begrte beide Mnner herzlich. Odgen Bailey -alias Richard Fountain - war eine wichtige Schlsselfigur in der O'Keefe-Organisation. Er war nicht nur ein hervorragender Wirtschaftsprfer, sondern besa dazu die ungewhnliche Fhigkeit, sich in jedes beliebige Hotel einzuschmuggeln und nach ein- oder zweiwchigen diskreten Beobachtungen, von denen die Hotelleitung im allgemeinen nichts ahnte, eine Expertise vorzulegen, die den hoteleigenen Berechnungen unheimlich nahekam. Hall, den Bailey entdeckt und angelernt hatte, war ein vielversprechender Schler und trat bereits jetzt in die Fustapfen seines Lehrmeisters.

Wie O'Keefe im voraus gewut hatte, lehnten beide Mnner den Drink, den er ihnen anbot, hflich ab. Sie setzten sich auf ein Sofa ihm gegenber und unterlieen es, ihre Aktenmappen zu ffnen, als wten sie, da zunchst bestimmte andere Zeremonien verrichtet werden muten. Dodo hatte sich wieder auf den Obstkorb gestrzt und schlte eine Banane.

»Es freut mich, da Sie kommen konnten, Gentlemen«, sagte Curtis O'Keefe, als wre die Zusammenkunft nicht schon seit Wochen geplant gewesen. »Bevor wir uns jedoch den Geschften zuwenden, wollen wir Gott, den Allmchtigen, um seinen Beistand bitten.«

Mit einer Gelenkigkeit, die lange bung verriet, kniete der Hotelier nieder und faltete inbrnstig die Hnde vor der Brust. Odgen Bailey folgte seinem Beispiel mit einer Miene, die an Resignation grenzte und anzeigte, da er mit dieser Gepflogenheit durchaus vertraut war, und nach kurzem Zgern fiel auch Hall in die Knie. O'Keefe sah zu Dodo hinber, die stillvergngt ihre Banane a. »Meine Liebe«, sagte er ruhig, »wir wollen Gott fr unser Vorhaben um seinen Segen bitten.«

Dodo legte die Banane weg. »Okay«, sagte sie bereitwillig und glitt vom Sessel, »ich bin ganz Ohr, Curtie.«

Noch vor einigen Monaten hatten die hufigen Gebetsbungen ihres Wohltters, die dazu noch in den unwahrscheinlichsten Momenten stattfanden, Dodo gelegentlich aus der Fassung gebracht, obwohl sie selbst nicht htte sagen knnen, warum. Aber schlielich hatte sie sich, wie es ihre Art war, so weit daran gewhnt, da sie sie nicht mehr aufregten. »Weit du«, hatte sie einer Freundin anvertraut, »Curtie ist wirklich ein Schatz, und ich finde, wenn ich mich fr ihn auf den Rcken lege, kann ich ebensogut auch fr ihn in die Knie gehen.«

»Allmchtiger Gott«, intonierte Curtis O'Keefe mit geschlossenen Augen und feierlichem, rosig berhauchtem Lwenantlitz, »verleih uns, falls es Dein Wille ist, bei dem, was wir vorhaben, Erfolg. Beim Kauf dieses Hotels, das den Namen Deines Heiligen Gregor trgt, erflehen wir Deinen Segen und Deine Hilfe. Gestatte uns, es jenen Hotels hinzuzufgen, die wir bereits - durch unsere Gesellschaft - fr Deine Sache gewonnen haben und die in Deinem Namen verwaltet werden von Deinem ergebenen Knecht, der zu Dir spricht.« Auch wenn er es mit Gott zu tun hatte, blieb Curtis O'Keefe seiner Gewohnheit treu, keine langen Umschweife zu machen.

Mit nach oben gewandtem Gesicht, die Worte rollend, da sie wie ein Flu mchtig dahinstrmten, fuhr er fort: »Wir bitten auch, falls es Dein Wille ist - und beten darum, da er es sein mge -, den Kauf schnell und unter Vermeidung unntiger Kosten in die Wege zu leiten, damit der Schatz, den wir, Deine Knechte, besitzen, nicht bermig angegriffen, sondern bewahrt wird zu Deinem weiteren Nutzen. Auerdem, o Herr, erflehen wir Deinen Segen fr alle jene, die im Interesse des Hotels mit uns verhandeln, auf da sie sich allein von Deinem Geist leiten und bei allem, was sie tun, Vernunft und Einsicht walten lassen. Endlich, o Gott, sei bei uns immerdar, gib, da unsere Sache blht und unser Werk gedeiht, damit wir es unsererseits Dir weihen knnen, zu Deinem hheren Ruhm, Amen. Also, meine Herren, wieviel werde ich fr das Hotel zahlen mssen?«

O'Keefe war bereits auf seinen Sessel zurckgeschnellt. Es dauerte jedoch ein oder zwei Sekunden, bevor den beiden anderen klar wurde, da der letzte Satz nicht mehr zum Gebet gehrte, sondern ihr Geschftsgesprch einleitete. Bailey schaltete als erster, nahm schnell auf dem Sofa Platz und zog ein Bndel Papiere aus seiner Aktenmappe. Hall rappelte sich erschrocken hoch und setzte sich neben ihn.

Odgen Bailey antwortete respektvoll: »ber den Preis mchte ich mich nicht uern, Mr. O'Keefe. Diese Entscheidung liegt natrlich wie immer bei Ihnen. Aber zweifellos drften sich die Verhandlungen durch die Hypothek von zwei Millionen Dollar, die am Freitag fllig ist, wesentlich leichter gestalten, wenigstens fr uns.«

»Dann hat sich in dem Punkt also nichts gendert? Kein Wort von Verlngerung oder Ablsung?«

Bailey schttelte den Kopf. »Ich habe hier einige recht gute Informationsquellen angezapft, und sie haben mir versichert, da damit nicht zu rechnen ist. Keiner der Finanziers will sich darauf einlassen, hauptschlich wegen der Verluste des Hotels -ein Gutachten darber habe ich Ihnen bereits gegeben -, die mit der allgemein bekannten schlechten Leitung eng zusammenhngende

Der Hotelier nickte nachdenklich und schlug die blaue Mappe auf, deren Inhalt er gerade erst durchgelesen hatte. Er suchte ein einzelnes maschinebeschriebenes Blatt heraus. »Bei Ihrer Einschtzung knftiger Verdienstmglichkeiten sind Sie ungewhnlich optimistisch.« Seine hellen Augen nahmen Bailey aufs Korn.

Das Gesicht des Wirtschaftsprfers verzog sich zu einem dnnen, verkniffenen Lcheln. »Ich neige nicht zu bertreibungen, wie Sie wissen. Aber ich bin berzeugt davon, da sich in krzester Frist ein betrchtlicher Gewinn herauswirtschaften liee, und zwar sowohl durch die Erschlieung neuer Einnahmequellen als auch durch bessere Ausnutzung der alten. Hier ist der ausschlaggebende Faktor die Verwaltung. Sie ist unvorstellbar schlecht.« Er nickte dem jngeren Mann zu. »Sean hat in dieser Richtung einige Ermittlungen angestellt.«

Ein wenig befangen und immer wieder seine Notizen zu Rate ziehend, begann Hall: »Die Befugnisse sind nicht genau begrenzt und werden nicht berwacht, mit dem Ergebnis, da sich einige Abteilungsleiter eine erstaunliche Machtvollkommenheit angeeignet haben Der Lebensmitteleinkauf beispielsweise -«

»Moment mal.«

Der Einspruch seines Arbeitgebers brachte Hall jh zum Schweigen.

»Auf die Einzelheiten knnen wir hier verzichten«, erklrte Curtis O'Keefe entschieden. »Ich verlasse mich darauf, da Sie, Gentlemen, sich darum kmmern. Bei unseren Besprechungen mchte ich lediglich in groen Umrissen informiert werden.« Obwohl der Verweis verhltnismig milde ausfiel, lief Hall rot an, und Dodo warf ihm quer durch den Raum einen mitfhlenden Blick zu.

»Ich schliee aus alledem«, fgte O'Keefe hinzu, »da sich infolge der unfhigen Leitung ein allgemeiner Schlendrian breitgemacht hat mit Durchstechereien, die den Gewinn erheblich schmlern.«

Der jngere Wirtschaftsprfer nickte nachdrcklich. »Allerdings, Sir, vor allem bei den Lebensmitteln und Getrnken.« Er war im Begriff, seine geheimen Beobachtungen in den verschiedenen Bars und Gesellschaftsrumen zu schildern, hielt sich jedoch zurck. Damit konnte man sich spter befassen, nach Abschlu der bernahme und dem Einzug der »Whlmuse«.

Aus eigener Erfahrung wute Sean Hall, da sich die Eingliederung eines neuen Hotels in den O'Keefe-Konzern unweigerlich nach ein und demselben Schema abspielte. Zuerst, Wochen vor dem Beginn von Verhandlungen, pflegte ein »Schnfflerteam« - zumeist angefhrt von Odgen Bailey - in das fragliche Hotel einzuziehen, wobei sich die Mitglieder als normale Gste eintrugen. Durch genaue und systematische Beobachtungen, die gelegentlich mit Hilfe von Bestechungen vervollstndigt wurden, gelang es dem Team, indem es Unzulnglichkeiten aufdeckte und nicht genutzte Einnahmequellen ausfindig machte, einen umfassenden Bericht zusammenzustellen. Wo es mglich war - wie beispielsweise im gegenwrtigen Fall -, wurden auerhalb des Hotels bei den Geschftsleuten der Stadt diskrete Informationen eingeholt. Die magische Wirkung des Namens O'Keefe und die Aussicht auf lukrative Geschfte mit dem grten Hotelkonzern der Vereinigten Staaten gengten im allgemeinen, um die gewnschten Ausknfte zutage zu frdern. In finanziellen Kreisen, das hatte Sean Hall schon vor langer Zeit gelernt, rangierte Loyalitt bestenfalls an zweiter Stelle hinter dem Eigennutz.

Dann, ausgerstet mit dem Gutachten, pflegte Curtis O'Keefe die Kaufsverhandlungen einzuleiten, die meistens erfolreich waren. Zuletzt rckten die »Whlmuse« an.

Die sogenannten Whlmuse waren eine abgebrhte, fixe Gruppe von Verwaltungsexperten unter der Fhrung eines Vizeprsidenten des O'Keefe-Konzerns. Sie waren imstande, jedes beliebige Hotel innerhalb erstaunlich kurzer Zeit dem Einheitsmodell anzugleichen. Bei den ersten Vernderungen handelte es sich fr gewhnlich um administrative und personelle Probleme; umfangreichere Manahmen wie Umbauten und dergleichen folgten spter. Vor allem aber ging die Gruppe mit lchelndem Gesicht an die Arbeit und versicherte allen, die betroffen waren, da es nicht zu drastischen Neuerungen kommen werde, sogar wenn sie bereits damit angefangen hatte. Wie ein Mitglied des Teams es ausdrckte: »Wenn wir irgendwo anrcken, verknden wir als erstes, da keine personellen Vernderungen geplant sind. Und dann starten wir mit den Kndigungen.«

Manchmal mute Hall, der ein nachdenklicher junger Mann und unter Qukern aufgewachsen war, sich ber seine Rolle bei diesem Spiel wundern. Obwohl er noch nicht lange fr O'Keefe arbeitete, hatte er bereits mehrfach beobachtet, wie Hotels von erfreulicher Individualitt von der gesteuerten Gleichmacherei des Konzerns verschluckt wurden. Irgendwie stimmte ihn diese Entwicklung traurig. Auch die moralischen Grundstze, die zur Erreichung des Ziels angewandt wurden, bereiteten ihm Unbehagen.

Aber stets wogen persnlicher Ehrgeiz und die Tatsache, da Curtis O' Keefe Dienstleistungen grozgig bezahlte, schwerer als vage Unlustgefhle. Sein monatlicher Gehaltsscheck und ein stndig anwachsendes Bankkonto erfllten Sean Hall mit Befriedigung, auch in unruhigen Momenten.

Es gab fr ihn auch noch andere Mglichkeiten, die er sich allerdings, selbst in seinen ausschweifendsten Trumen, nur ganz verschwommen auszumalen wagte. Seit Betreten der Suite war er sich Dodos Gegenwart nur zu sehr bewut, obwohl er es vermied, sie offen anzusehen. Ihre blonde und aufreizende Sexualitt, die den Raum wie eine Aura zu durchdringen schien, rief in Sean Hall Empfindungen wach, die seine hbsche brnette Frau - Schwarm ihrer Partner auf den heimischen Tennispltzen und Schriftfhrerin der P. T. A. - nie in ihm erregte. Angesichts des mutmalichen Glcks von Curtis O'Keefe hatte der Gedanke, da der groe Mann seine Laufbahn auch als junger ehrgeiziger Buchhalter begonnen hatte, etwas seltsam Anfeuerndes.

Curtis O'Keeefe ri ihn mit einer Frage aus seinen Grbeleien. »Gelten Ihre Beobachtungen in puncto schlechte Verwaltung fr das gesamte Personal?«

»Nein, Sir.« Sean Hall warf einen Blick auf seine Notizen und wendete seine ganze Aufmerksamkeit dem Thema zu, das in den letzten zwei Wochen fr ihn vertrautes Gebiet geworden war. »Ein Mann, der stellvertretende Direktor McDermott, macht einen ausgezeichneten Eindruck. Er ist zweiunddreiig und hat die Cornell-Universitt absolviert. Leider war seine Fhrung nicht ganz einwandfrei. Unser Personalbro zog Erkundigungen ein. Ich habe den Bericht hier.«

Der Hotelier berflog das Blatt, das der junge Wirtschaftsprfer ihm berreichte. Der Bericht enthielt die wesentlichen Fakten ber Peter McDermotts Entlassung aus dem Waldorf und seine anschlieenden, bis zu seiner Anstellung im St. Gregory erfolglosen Versuche, einen neuen Posten zu finden.

O'Keefe gab das Blatt zurck, ohne sich dazu zu uern. Was mit McDermott geschehen wrde, entschieden die »Whlmuse«. Aber sie wuten natrlich alle, da der Hotelmagnat in seinem Konzern nur Angestellte mit makellosem Leumund duldete. Folglich war es hchst unwahrscheinlich, da McDermott, wie tchtig er auch immer sein mochte, von dem neuen Regime bernommen werden wrde.

»Es gibt auch noch einige andere gute Leute in untergeordneten Positionen«, fgte Sean Hall hinzu.

Die Besprechung dauerte noch etwa fnfzehn Minuten. Dann verkndete Curtis O'Keefe: »Ich danke Ihnen, meine Herren. Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas Neues hren, das wichtig ist. Andernfalls setze ich mich mit Ihnen in Verbindung.«

Dodo brachte die beiden Mnner zur Tr.

Als sie zurckkam, hatte sich O'Keefe auf dem Sofa ausgestreckt. Seine Augen waren geschlossen. Von seinen geschftlichen Anfngen an hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, den Tag ber, wann immer es sich einrichten lie, ein kurzes Nickerchen einzuschieben, um die Energie, die seine Untergebenen manchmal fr unerschpflich hielten, neu aufzuladen.

Dodo kte ihn sanft auf den Mund. Er sprte ihre feuchten Lippen auf den seinen und ihren ppigen Krper. Ihre langen Finger tasteten nach seinem Nacken und massierten behutsam seinen Haaransatz. Eine weiche seidige blonde Strhne streifte ber sein Gesicht. Er sah lchelnd auf. »Ich lade meine Batterie auf«, sagte er und fgte dann befriedigt hinzu: »Was du tust, hilft mir dabei.«

Die Finger bewegten sich weiter. Nach zehn Minuten war er ausgeruht und erfrischt. Er streckte sich und ffnete die Augen. Dann stand er auf und breitete die Arme aus.

Sie kam ihm voller Hingebung entgegen, schmiegte sich begierig an ihn an. Er fhlte, da ihre stets leise schwelende Sinnlichkeit bereits zu einer wilden verlangenden Glut aufgeflammt war.

Mit wachsender Erregung fhrte er sie ins angrenzende Schlafzimmer.

11

Chefdetektiv Ogilvie, der erklrt hatte, er wrde eine Stunde nach seinem geheimnisvollen Anruf in der Suite der Croydons erscheinen, stellte sich erst nach zwei Stunden ein. Infolgedessen waren die Nerven des Herzogs und der Herzogin bis zum Zerreien gespannt, als der Summer endlich ertnte.

Die Herzogin ffnete selbst. Sie hatte ihre Zofe unter einem Vorwand weggeschickt und den Sekretr mit dem Mondgesicht unbarmherzigerwese damit beauftragt, die Bedlington-Terrier auszufhren - der rmste frchtete sich vor Hunden. Da die beiden jeden Moment zurckkehren konnten, trug nicht zur Verminderung ihrer Nervositt bei.

Von einer belriechenden Rauchwolke umhllt, trat Ogilvie ein und folgte der Herzogin in den Salon. Dort sah sie betont auf die Zigarre, die dem fetten Mann im Mundwinkel hing, und sagte: »Mein Mann und ich finden starken Rauch unertrglich. Wrden Sie die Zigarre bitte ausmachen.«

Die Schweinsuglein des Detektivs musterten sie ironisch, schweiften durch das gerumige, behaglich eingerichtete Zimmer und streiften dabei den Herzog, der mit dem Rcken zum Fenster stand und unsicher von einem zum anderen blickte.

»Ganz hbsche Bude habt ihr Leute hier.« Ogilvie nahm gemchlich den rgerniserregenden Zigarrenstummel aus dem Mund, klopfte die Asche ab und schnippte den Stummel nach rechts zum dekorativen Kamin hinber. Er verfehlte ihn, und die Zigarre landete auf dem Kaminteppich, wo sie liegenblieb.

Die Herzogin prete die Lippen zusammen. »Sie sind vermutlich nicht hergekommen, um sich mit uns ber Innenausstattung zu unterhalten«, sagte sie scharf.

Als Ogilvie anerkennend kicherte, gerieten die Fettmassen seines aufgeschwemmten Krpers ins Wabbeln. »Nein, Gndigste, knnte nicht behaupten, da ich deshalb hergekommen bin. Aber ich mag hbsche Dinge.« Er senkte die Stimme. »Hbsche Dinge, wie zum Beispiel Ihren Wagen. Ich meine den, der unten in der Garage steht. Ein Jaguar, stimmt's?«

»Ah!« Es war kein Ausruf, nur ein gepreter Laut, den der Herzog beim Ausatmen von sich gab. Seine Frau warf ihm einen warnenden Blick zu.

»Aus welchem Grund interessieren Sie sich fr unseren Wagen?«

Als wre die Frage der Herzogin ein Startzeichen gewesen, machte das Benehmen des Hausdetektivs eine jhe Wandlung durch. Er erkundigte sich abrupt: »Wer ist sonst noch in der Suite?«

»Niemand«, antwortete der Herzog. »Wir haben unsere Leute weggeschickt.«

»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.« Mit einer bei seiner Korpulenz erstaunlichen Beweglichkeit strich der fette Mann durch die Suite, inspizierte die Zimmer, sah hinter die Tren. Offenbar war er ber die Raumeinteilung genau im Bilde. Nachdem er einen Blick in den Hotelkorridor geworfen hatte, kehrte er, anscheinend befriedigt, in den Salon zurck.

Die Herzogin hatte sich inzwischen auf einen Stuhl gesetzt. Ogilvie blieb stehen.

»Also«, sagte er, »ihr zwei seid in den Unfall verwickelt.«

Sie sah im gerade in die Augen. »Wovon reden Sie eigentlich?«

»Lassen Sie die Mtzchen, Lady. Die Sache ist kein Spa.« Er holte eine neue Zigarre hervor und bi das eine Ende ab. »Sie haben die Zeitungen gelesen. Auch im Radio wurde eine Menge darber gebracht.«

Im blassen Gesicht der Herzogin zeichneten sich zwei rote Flecke ab. »Was Sie da behaupten, ist die dmmste, abscheulichste -«

»Ich hab' Ihnen gesagt, Sie sollen das lassen!« stie er hervor, jedes Wort einzeln ausspuckend; seine katzenfreundliche Sanftmut war verlogen. Ohne die Herzogin zu beachten, fuchtelte Ogilvie mit der unangezndeten Zigarre herum. »Jetzt hren Sie mir mal gut zu, Lady! Die ganze Stadt ist aus dem Huschen - Polente, Brgermeister und die gesamte Bevlkerung. Wenn sie herauskriegen, wer den Unfall gestern nacht verschuldet hat, zuerst das Kind und die Mutter umgebracht und sich danach aus dem Staub gemacht hat, dann schnappen sie sich ihn, egal, wer er ist oder ob er einen extrafeinen Titel hat. Na, und ich wei, was ich wei, und falls ich tte, was ich von Rechts wegen tun mte, dann wrde Ihnen die Polente so rasch auf die Bude rcken, da es staubt. Aber ich wollte fair sein und zu Ihnen kommen, damit Sie mir Ihre Version von der Geschichte erzhlen knnen.« Die Schweinsuglein zwinkerten und wurden dann hart. »Wenn's Ihnen auf die andere Art lieber ist, brauchen Sie's blo zu sagen.«

Die Herzogin von Croydon, von der vererbten Arroganz mehrerer Jahrhunderte geprgt, gab sich nicht so schnell geschlagen. Sie sprang auf und bot emprt uid mit blitzenden graugrnen Augen dem fetten, plumpen Menschen Trotz. »Sie unverschmter Lump! Was unterstehen Sie sich!« Ihr Ton htte jeden, der sie kannte, niedergeschmettert.

Auch Ogilvies Selbstvertrauen geriet einen Moment lang ins Wanken. Aber der Herzog schaltete sich ein. »Ich frchte, es hat keinen Zweck, altes Mdchen, obwohl's den Versuch wert war«, sagte er und wandte sich dann an den Detektiv. »Was Sie uns vorwerfen, trifft zu. Ich bin schuld daran. Ich steuerte den Wagen und ttete das kleine Mdchen.«

»Das klingt schon besser.« Ogilvie zndete sich seine Zigarre an. »Jetzt kommen wir endlich vom Fleck.«

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Ìîé ìîëîäîé ñîæèòåëü òðåáóåò îò ìåíÿ íåâîçìîæíîãî â ñåêñå. È ÿ èç êîæè âîí ëåçó, ëèøü áû óäîâëåòâîðè...