Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð

Der Kriminalbeamte schttelte den Kopf. »Nicht fr etwas, das bereits passiert ist. Falls es passiert ist.«

»Aber eine falsche Anschuldigung...«

»Wre in jedem Fall eine bse Sache, in diesem natrlich besonders. Deshalb gehen wir auch behutsam vor, Mr. McDermott.«

Peter bedachte, da es sowohl fr das Hotel als auch fr ihn sehr unangenehm werden knnte, falls etwas von den Ermittlungen durchsickerte und sich die Unschuld der Croydons herausstellte.

»Damit Sie sich nicht zu groe Sorgen machen, will ich Ihnen das eine oder andere verraten«, sagte Captain Yolles. »Unsere Leute haben sich seit meinem Anruf einiges zurechtgelegt. Sie vermuten, da Ihr Ogilvie den Wagen aus dem Staat zu schaffen versucht, vielleicht in irgendeine Stadt im Norden. Welche Verbindung allerdings zwischen ihm und den Croydons besteht, wissen wir nicht.«

»Der Punkt ist mir auch schleierhaft«, sagte Peter.

»Wahrscheinlich fuhr er gestern nacht, nachdem Sie ihn gesehen hatten, los und ging tagsber irgendwo in Deckung. Da der Wagen beschdigt ist, wird er sich hten, bei Tag zu fahren. Falls er heute nacht aus seinem Versteck kommt, sind wir bereit. Wir sind eben dabei, zwlf Staaten zu alarmieren.«

»Dann nehmen Sie die Sache also ernst?«

»Freilich.« Der Kriminalbeamte wies auf das Telefon. »Einer der Grnde fr den Anruf eben war, mir mitzuteilen, da der Bericht vom staatlichen Laboratorium ber Glassplitter und einen Blendring, den unsere Leute letzten Montag am Unfallort fanden, endlich vorliegt. Es handelt sich um ein auslndisches Fabrikat, deshalb dauerte es so lange. Aber jetzt wissen wir, da Splitter und Blendring von einem Jaguar stammen.«

»Kann man das wirklich so genau feststellen?«

»Wir knnen noch mehr, Mr. McDermott. Falls wir an den Wagen rankommen, mit dem die Frau und das Kind gettet wurden, knnen wir sogar beweisen, da es gerade dieser war.«

Captain Yolles stand auf, und Peter geleitete ihn ins uere Bro. Dort fand er zu seiner Verwunderung Herbie Chandler vor, bis ihm einfiel, da er den Chefportier selber herbestellt hatte. Nach den Ereignissen des Nachmittags war er versucht, die vermutlich hchst unerfreuliche Unterredung zu verschieben, sagte sich dann jedoch, da mit dem Aufschub nichts gewonnen war.

Er sah, da der Kriminalbeamte und Chandler Blicke wechselten.

»Gute Nacht, Captain«, sagte Peter, und es bereitete ihm ein boshaftes Vergngen, das ngstliche Zucken auf Chandlers Wieselgesicht zu beobachten. Sobald der Kriminalbeamte gegangen war, winkte Peter den Chefportier in das innere Bro.

Er schlo eine Schublade seines Schreibtisches auf, nahm die Mappe mit den schriftlichen Erklrungen der vier Jugendlichen heraus und berreichte sie Chandler.

»Ich glaube, das wird Sie interessieren. Fr den Fall, da Sie auf dumme Gedanken kommen, das sind Fotokopien. Die Originale habe ich sicher verwahrt.«

Chandler machte eine Duldermiene und begann zu lesen. Je weiter er kam, desto fester prete er die Lippen aufeinander, und einmal schnappte er vernehmlich nach Luft. Gleich darauf murmelte er: »Schufte!«

»Sie meinen, weil die vier Sie als Zuhlter blogestellt haben?«

Der Chefportier errtete und legte die Bltter weg. »Was werden Sie tun?«

»Am liebsten wrde ich Sie auf der Stelle rausschmeien. Weil Sie aber schon so lange hier sind, werde ich Mr. Trent informieren und ihm die Entscheidung berlassen.«

Chandler fragte mit winselnder Stimme: »Knnen wir nicht noch ein bichen darber reden, Mr. Mac?«

Als eine Antwort ausblieb, fing er wieder an: »Mr. Mac, in so einem Haus geht eine Menge vor... «

»Falls Sie mir fr die Tatsachen des Lebens die Augen ffnen wollen - ich meine Callgirls und all die anderen dunklen Nebengeschfte -, dann bezweifle ich, ob Sie mir darber etwas Neues sagen knnen. Aber ich wei noch etwas anderes, und Sie drften's auch wissen: gewisse Dinge kann die Hotelleitung nicht dulden - beispielsweise die Vermittlung von Frauen an Minderjhrige.«

»Mr. Mac, knnten Sie nicht, wenigstens die s eine Mal, Mr. Trent aus dem Spiel lassen? Knnten wir die Sache nicht vielleicht unter uns abmachen?«

»Nein.«

Der Blick des Chefportiers huschte unruhig durch den Raum und heftete sich dann wieder abschtzend auf Peter. »Mr. Mac, falls gewisse Leute ein Auge zudrcken wrden...« Er verstummte.

»Ja.«

»Also manchmal kann sich das auszahlen.«

Neugier veranlate Peter zum Schweigen.

Chandler zgerte und knpfte dann bedchtig eine Tasche seiner Uniformjacke auf. Er fischte einen zusammengefalteten Umschlag heraus, den er auf den Schreibtisch legte.

»Lassen Sie mich das mal sehen«, sagte Peter.

Der Chefportier schob ihm den Umschlag herber. Er war offen und enthielt fnf Einhundert-Dollar-Noten. Peter inspizierte sie neugierig.

»Sind sie echt?«

»Und ob die echt sind!« Chandler grinste selbstgefllig.

»Ich wollte nur wissen, wie hoch Sie mich einschtzen.« Peter warf ihm das Geld wieder zu. »Stecken Sie's ein und verschwinden Sie.«

»Mr. Mac, wenn Sie finden, da es zu wenig -«

»Raus!« Peter sprach leise. Er erhob sich halb aus seinem Sessel. »Verschwinden Sie, bevor ich Ihnen Ihren dreckigen Hals umdrehe.«

Als Chandler das Geld an sich nahm und hinausging, war sein Gesicht eine haerfllte Maske.

Sobald er allein war, plumpste Peter in seinen Sitz zurck.

Die Unterredungen mit dem Kriminalbeamten und mit Chandler hatten ihn ermdet und deprimiert. Die zweite hatte ihn strker mitgenommen, vermutlich, weil die angebotene Bestechung ein Gefhl der Unsauberkeit in ihm hinterlassen hatte.

Oder nicht? Er dachte: Mach dir nichts vor. Es hatte einen Moment gegeben, als er das Geld in Hnden hatte, in dem er nahe daran war, es zu nehmen. Fnfhundert Dollar waren nicht zu verachten. Peter gab sich keinen Illusionen hin ber seine eigenen Einknfte im Vergleich zu denen des Chefportiers, der zweifellos jeden Monat ein kleines Vermgen zusammenscharrte. Falls es sich um einen anderen als Chandler gehandelt htte, wre er der Versuchung vielleicht erlegen. Oder nicht? Er wnschte, er knnte sich dessen sicher sein. Auf jeden Fall wre er nicht der erste Hotelmanager gewesen, der sich von Untergebenen bestechen lie.

Es lag eine gewisse Ironie des Schicksals darin, da trotz Peters nachdrcklichem Hinweis noch gar nicht feststand, ob die Beweise gegen Herbie Chandler Warren Trent jemals vorgelegt werden wrden. Falls das Hotel pltzlich den Besitzer wechselte, und das konnte jeden Moment geschehen, ginge die Affre Warren Trent nichts mehr an. Auch Peter selbst war dann vielleicht nicht mehr da. Ein neuer Personalchef wrde zweifellos die Fhrungszeugnisse der leitenden Angestellten examinieren und bei Peter den widerlichen alten WaldorfSkandal ausgraben. Oder war mittlerweile Gras ber die Affre gewachsen? Nun, wahrscheinlich wrde die Antwort darauf nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Peter wandte sich wieder den nchstliegenden Aufgaben zu.

Flora hatte ihm einen Vordruck mit den letzten Gstezahlen auf den Schreibtisch gelegt. Aus der Aufstellung ging hervor, da sich das Haus fllte und am Abend mit Sicherheit wieder voll besetzt sein wrde. Falls das St. Gregory vor einer Niederlage stand, dann ging es wenigstens mit fliegenden Fahnen unter.

Anschlieend sah er die Post und einen Stapel von Berichten durch und entschied, da nichts dabei war, das nicht bis morgen Zeit hatte. Unter den Memoranden lag ein groer gelber Umschlag mit einem Hefter, den er auschlug. Es war der Hauptverpflegungsplan, den der Souschef Andre Lemieux ihm gestern berreicht hatte. Peter hatte bereits am Vormittag darin gelesen.

Nach einem Blick auf die Uhr beschlo er, seine Lektre fortzusetzen, bevor er zu seinem abendlichen Rundgang durchs Hotel aufbrach. Er machte sich ber den mit der Hand geschriebenen Text und die sorgsam gezeichneten Plne her, die vor ihm ausgebreitet lagen.

Je weiter er kam, desto mehr wuchs seine Bewunderung fr den jungen Souschef. Die Darstellung war meisterhaft und verriet ein umfassendes Verstndnis fr die Probleme des Hotels und die Mglichkeiten seines Restaurationsbetriebs. Es erboste Peter, da der Chef de Cuisine, M. Hebrand - laut Lemieux -smtliche Vorschlge zurckgewiesen hatte.

Gewi, einige Schlufolgerungen waren strittig, und Peter pflichtete nicht allen Ideen von Lemieux bei. Auf den ersten Blick kamen ihm auch die Kostenvoranschlge zum Teil recht optimistisch vor. Aber all das war unwesentlich. Wichtig war, da ein frischer und offensichtlich fhiger Kopf ber die derzeitigen Mngel in der Nahrungsmittelbewirtschaftung nachgedacht und Verbesserungsvorschlge ausgearbeitet hatte. Ebenso klar war, da sich Andre Lemieux demnchst ein anderes Wirkungsfeld suchen wrde, wenn das St. Gregory von seinen Talenten keinen besseren Gebrauch machte.

Peter verstaute Plan und Tabellen wieder in dem Umschlag. Es freute ihn, da jemand im Hotel mit soviel echter Begeisterung bei der Arbeit war wie Lemieux. Er sagte sich, da er dem jungen Souschef seine Eindrcke gern mitteilen wrde, selbst wenn er im gegenwrtigen unsicheren Stadium sonst nichts konnte.

Ein Telefonanruf verschaffte ihm die Information, da der Chef de Cuisine heute abend krankheitshalber abwesend war und von M. Lemieux vertreten wurde. Vorschriftsmig lie Peter ausrichten, da er sich auf dem Weg in die Kche befnde.

Andre Lemieux erwartete ihn an der Tr des Hauptspeisesaals.

»Nur 'erein, Monsieur! Sie sind willkommen.« Als sie die von Lrm und Dunst erfllte Kche betraten, rief der junge Souschef Peter ins Ohr: »Sie finden uns, wie Musiker sagen, kurz vor dem Crescendo.«

Im Gegensatz zum gestrigen Nachmittag, an dem es relativ ruhig gewesen war, herrschte heute abend ein Hllenspektakel. Eine volle Schicht war im Dienst, und Kche in gestrkten weien Kitteln mit ihren Assistenten und Gehilfen schienen wie Gnseblmchen aus der Erde zu sprieen. Um sie herum hoben schwitzende Kchenhelfer, inmitten von Dampf und Siedehitze, Servierbretter, Pfannen und Kessel, whrend andere unbekmmert Servierwagen vor sich her schoben; sie alle und auch die hin und her eilenden Kellner, die ihre Tabletts hoch ber den Kpfen balancierten, fhrten umeinander einen wahren Eiertanz auf. Auf dampfbeheizten Tischen wurden die Essensportionen ausgeteilt und fr die Weiterbefrderung in die Speisesle angerichtet. Bestellungen a la carte und von Gsten, die in ihrem Zimmer dinierten, wurden von rhrigen Kchen fertiggemacht, die mit ihren Hnden berall zugleich zu sein schienen. Kellner lungerten herum, monierten ihre Bestellungen und wurden angebrllt. Andere Kellner trabten mit beladenen Tabletts an den zwei gestrengen Kontrolleurinnen vorbei, die vor erhhten Registrierkassen thronten. In der Suppenabteilung stieg Dampf aus riesigen brodelnden Kesseln. Nur ein paar Meter weiter arrangierten zwei Spezialisten mit geschickten Fingern Appetithappen und heie Hors d'reuvres. Hinter ihnen beaufsichtigte ein besorgter Pastetenbcker die Desserts. Gelegentlich, wenn Ofentren aufgerissen wurden, huschte ein Widerschein der Flammen ber konzentrierte Gesichter. Alles beherrschend jedoch war das ohrenbetubende Klappern von Geschirr, der einladende Geruch von Essen und der starke Duft frisch aufgebrhten Kaffees.

»Wenn wir am meisten zu tun 'aben, Monsieur, fhlen wir uns am wohlsten. Oder so sollte es jedenfalls sein.«

»Ich habe Ihren Bericht gelesen.« Peter gab dem Souschef den Umschlag zurck und folgte ihm dann in das verglaste Bro, in das der Lrm nur gedmpft hineindrang. »Ihre Ideen gefallen mir. Mit einigen Punkten bin ich zwar nicht ganz einverstanden, aber es sind nicht viele.«

»Ein Disput wre gut, wenn danach die Tat folgen wrde.«

»Damit ist vorlufig nicht zu rechnen. Wenigstens nicht so, wie Sie es im Sinn haben.« Peter wies darauf hin, da zunchst einmal die Zukunft des Hotels entschieden werden mte, bevor man berhaupt an Reorganisation denken knnte.

»Vielleicht mssen mein Plan und ich woanders 'in gehen. N'importe pas.« Andre Lemieux zuckte mit den Schultern und fgte dann hinzu: »Monsieur, ich wollte gerade oben nach dem Rechten sehen. Mchten Sie mich nicht begleiten?«

Da Peter ohnehin vorgehabt hatte, die Kongresle zu besuchen, beschlo er kurzerhand, seine Inspektionstour mit ihnen zu beginnen. »Ja, danke. Ich komme mit.«

Sie fuhren in einem Personalaufzug zwei Etagen hher und gelangten in eine Kche, die der Hauptkche unten in beinahe jeder Hinsicht glich. Von hier aus konnten etwa zweitausend Mahlzeiten auf einmal fr die drei Kongresle des St. Gregory und das Dutzend privater Speisezimmer angerichtet werden. Das Tempo war im Augenblick genauso rasant wie unten.

»Wie Sie wissen, Monsieur, 'aben wir 'eute abend zwei groe Banketts. Im Groen Ballsaal und in der Bienville-'alle.«

Peter nickte. »Ja, der Zahnrztekongre und Gold Crown Cola.« Den angerichteten Platten, die die lange Kche wie am laufenden Band nach entgegengesetzten Seiten verlieen, entnahm er, da die Zahnrzte als Hauptgang gebratenen Truthahn, die Cola-Verkufer Flunder saute hatten. Gruppen von Kchen und Gehilfen machten beides zurecht, teilten in maschinenfrmigem Rhythmus Gemse aus, deckten die gefllten Platten zu und luden sie mit der gleichen Bewegung auf die Tabletts der Kellner.

Neun Platten auf einem Tablett - so viele Tagungsmitglieder saen an einem Tisch. Zwei Tische pro Kellner. Das Men hatte vier Gnge, hinzu kamen noch Brtchen, Butter, Kaffee und petits fours. Peter rechnete aus, da jeder Kellner mindestens zwlf schwer beladene Tabletts schleppen mute; hchstwahrscheinlich sogar mehr, falls die Gste anspruchsvoll waren, oder, wie es bei starkem Andrang zuweilen geschah, falls ihnen Extra-Tische zugeteilt wurden. Kein Wunder, da manche Kellner am Ende des Abends erschpft aussahen.

Weniger erschpft wrde vielleicht der maitre d'htel sein, wrdig und makellos wie immer in Frack und weier Schleife. Im Augenblick stand er wie ein Verkehrspolizist mitten in der Kche und dirigierte den Strom der Kellner in beiden Richtungen. Als er Andre Lemieux und Peter erblickte, trat er auf sie zu.

»Guten Abend, Chef; Mr. McDermott.« Obwohl Peter in der Hotelrangliste hher stand als die zwei anderen, wandte sich der maitre d'htel in der Kche korrekterweise zuerst an den diensthabenden Chef.

Andre Lemieux fragte: »Wie viele Gste erwarten wir zum Dinner, Mister Dominic?«

Der maitre d'htel zog einen Zettel zu Rate. »Die Gold-Crown-Leute haben zweihundertvierzig veranschlagt, und so viele haben wir gesetzt. Es sieht ganz danach aus, als wren so ziemlich alle da.«

»Es sind Verkufer mit festem Gehalt«, sagte Peter. »Sie knnen es sich nicht leisten, aus der Reihe zu tanzen. Die Zahnrzte machen, was sie wollen. Bei ihnen wird's vermutlich Nachzgler geben, und viele werden gar nicht kommen.«

Der maitre d'htel nickte zustimmend. »Wie ich hre, wird in den Zimmern schwer getrunken. Der Eiskonsum war hoch, und es werden laufend Mixgetrnke nachbestellt. Wir dachten, das wrde die Zahl der Dinnergste verringern.«

Das groe Rtselraten bei Tagungen war jedesmal, wie viele Portionen vorbereitet werden muten. Das war ein vertrautes Problem fr die drei Mnner. Die Organisatoren von Kongressen gaben dem Hotel eine Mindestgarantie, aber in der Praxis pflegte sich die Zahl um ein- oder zweihundert nach oben oder unten zu verschieben. Ein Grund dafr war, da man nie voraussagen konnte, wie viele Delegierte sich zu kleinerengeselligen Grppchen zusammenschlieen und auf die offiziellen Banketts verzichten oder umgekehrt im letzten Moment en masse anrcken wrden.

Die letzten Minuten vor einem Tagungsbankett waren in jeder Hotelkche unweigerlich spannungsgeladen und gewissermaen ein Moment der Wahrheit, da alle Beteiligten wuten, da ihre Reaktion in einer Krise beweisen wrde, wie gut oder schlecht ihre Organisation war.

»Wie hoch waren die ursprnglichen Schtzungen?« erkundigte sich Peter.

»Bei den Zahnrzten fnfhundert. Viel fehlt nicht mehr dazu, und wir haben mit dem Servieren begonnen. Aber es scheinen immer noch welche zu kommen.«

»Werden die Neuankmmlinge gezhlt?«

»Ich habe einen Mann drauen. Da ist er.« Seinen Kollegen ausweichend, hastete ein rotbefrackter Kellner durch die Schwingtr des Groen Ballsaals.

Peter fragte Andre Lemieux: »Knnen wir notfalls Extra-Portionen liefern?«

»Sobald ich die genauen Zahlen 'abe, Monsieur, werden wir unser mglichstes tun.«

Der maitre d'htel unterhielt sich mit dem Kellner und kehrte dann zu den beiden anderen zurck. »Sieht aus, als wren es hundertsiebzig Personen mehr. Sie strmen nur so herein! Wir sind schon dabei, mehr Tische aufzustellen.«

Wie stets kam die Krise nahezu unerwartet und wie ein Sturzbach, dessen man kaum Herr werden konnte. Einhundertsiebzig Extra-Mahlzeiten, die sofort bentigt wurden, muten die Hilfsmittel jeder Hotelkche bis zum uersten beanspruchen. Peter wandte sich zu Andre Lemieux um, entdeckte jedoch, da der junge Franzose nicht mehr da war.

Der Souschef hatte sich, wie aus der Pistole geschossen, in die Arbeit gestrzt. Er stand bereits inmitten seines Personals und erteilte Befehle. Ein Hilfskoch wurde in die Hauptkche geschickt, um dort die sieben gebratenen Truthhne zu holen, die morgen kalt aufgeschnitten werden sollten... Ein gebrllter Befehl fr die Anrichte: Benutzt die Reserven! Beeilt euch! Schneidet alles auf, was in Sichtweite ist!... Mehr Gemse! Stehlt welches vom zweiten Bankett, wo allem Anschein nach weniger gebraucht wird als vorgesehen!... Ein zweiter Hilfskoch raste in die Hauptkche hinunter, um so viel Gemse zu ergattern, wie er auftreiben konnte... Und eine Nachricht zu berbringen: Schickt mehr Hilfskrfte herauf! Zwei Vorschneider, noch zwei Kche... Alarmiert den Pastetenbcker! In ein paar Minuten werden zustzlich einhundertsiebzig Desserts bentigt... Reit hier ein Loch auf, um dort eins zu stopfen! Manipuliert, jongliert! Fttert die Zahnrzte! Der junge Andre Lemieux, geistesgegenwrtig, zuversichtlich, gutmtig, schmeit den Laden.

Kellner wurden bereits neu eingeteilt; einige wurden unauffllig von dem kleineren Gold-Crown-Cola-Bankett abgezogen, wo jene, die zurckblieben, doppelte Arbeit leisten muten. Die Gste wrden nichts merken; auer vielleicht, da ihr nchster Gang von jemand anderem serviert wurde. Andere Kellner im Groen Ballsaal wrden drei Tische bedienen - mit siebenundzwanzig Personen - statt der zwei, und ein paar erfahrene alte Experten mit flinken Beinen und Fingern schafften vielleicht sogar vier. Es wrde kaum Proteste geben. Die meisten waren Lohnkellner, die von den Hotels je nach Bedarf angeheuert wurden. Mehrarbeit brachte ihnen mehr Geld ein. Fr drei Stunden Servieren an zwei Tischen bekamen sie vier Dollar; bei jedem Extra-Tisch erhhte sich der Betrag um die Hlfte. Trinkgelder, die verabredungsgem auf die Gesamtrechnung eines Kongresses gesetzt wurden, pflegten den Verdienst der Lohnkellner zu verdoppeln. Mnner mit schnellen Beinen nahmen an einem Abend sechzehn Dollar mit nach Hause; und wenn sie Glck hatten, kassierten sie beim Lunch oder Frhstck genausoviel.

Peter sah, da bereits ein Servierwagen mit drei frisch gebratenen Truthhnen aus einem Personalaufzug in die Anrichte befrdert wurde. Drei Kche fielen ber sie her. Der Hilfskoch, der sie gebracht hatte, verschwand, um Nachschub zu holen.

Fnfzehn Portionen von jedem Truthahn. Mit der Geschicklichkeit von Chirurgen wurden sie zerlegt. Auf jede Platte dasselbe Quantum weies Fleisch, dunkles Fleisch, Sauce. Zwanzig Platten pro Tablett. Rasch weg damit zum Ausgabeschalter. Servierwagen mit frischem Gemse dampfen wie Schiffe einem gemeinsamen Ziel zu.

Die Hilfskche, die der Souschef mit Botengngen betraut hatte, fehlten dem Servierteam. Andre Lemieux sprang selbst ein, um die Lcke zu stopfen, und das Tempo erhhte sich, wurde noch rasanter als vorher.

Platte... Fleisch... erstes Gemse... zweites... Sauce... weiter zum nchsten... Deckel darauf! Pro Mann eine Handreichung;

Arme, Finger, Schpflffel bewegten sich im gleichen Rhythmus. Jede Sekunde eine Portion... schneller, noch schneller! Die Schlange der Kellner vor dem Ausgabeschalter wuchs.

Auf der anderen Seite der Kche ri der Mehlspeisenkoch Khlschrnke auf, inspizierte, whlte aus, schlug die Tren wieder zu. Pastetenkche aus der Hauptkche eilten ihm zu Hilfe. Griffen auf die Nachtischreserven zurck. Nachschub aus den Khlkammern im Souterrain war bereits unterwegs. Inmitten des hektischen Betriebs kam es pltzlich zu einer kurzen Unterbrechung.

Ein Pikkolo meldete einem Kellner, der Kellner dem Oberkellner, der Oberkellner Andre Lemieux.

»Chef, da ist ein Herr dabei, der sagt, da er Truthahn nicht mag. Kann er statt dessen Roastbeaf haben?«

Die schwitzenden Kche lachten schallend auf.

Aber die Meldung war jedenfalls auf dem korrekten Dienstweg erfolgt. Abweichungen vom Standardmen konnte nur der ranghchste Chef genehmigen.

Andre Lemieux sagte grinsend: »Meinetwegen, aber bedienen Sie ihn zuletzt.«

Auch das war ein alter Kchenbrauch. Um die Gste zufriedenzustellen, erfllten die meisten Hotels Sonderwnsche und ersetzten Standardgerichte durch andere, selbst wenn sie das teurer kam. Aber der Individualist mute - wie hier - stets warten, bis seine Tischgefhrten mit dem Essen begonnen hatten, um zu verhindern, da andere von der gleichen Idee inspiriert wurden.

Nun wurde die Schlange der Kellner vor dem Ausgabeschalter krzer. Den meisten Gsten im Groen Ballsaal - Nachzgler mit eingeschlossen - war der Hauptgang serviert worden. Pikkolos tauchten bereits mit abgerumtem Geschirr auf. Der rgste Trubel war vorbei. Andre Lemieux verlie seinen Platz in der Anrichte und warf dem Pastetenbcker einen fragenden Blick zu.

Der letztere, ein kleines drres Mnnchen, das nicht danach aussah, als ob es jemals seine eigenen sen Erzeugnisse probierte, krmmte Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis. »Von mir aus kann's losgehen, Chef.«

Andre Lemieux kam lchelnd zu Peter zurck. »Monsieur, wir 'aben, scheint's, die Schlacht gewonnen.«

»Es war ein eindrucksvoller Sieg. Gratuliere.«

Der junge Franzose zuckte mit den Schultern. »Was Sie gesehen 'aben, war gut. Aber es ist nur ein Teil unserer Arbeit. Woanders zeigen wir uns nicht von einer so erfreulichen Seite. Entschuldigen Sie mich, Monsieur.« Er entfernte sich. Als Nachtisch gab es bombe aux marrons, Kirschen flambees. Er pflegte feierlich serviert zu werden, bei gedmpftem Licht, auf flammenden Platten.

Die Kellner reihten sich schon in der Kche auf. Der Pastetenkoch und seine Gehilfen inspizierten noch einmal die Tabletts. Die Platten waren so angeordnet, da die mittlere zuerst aufflammen mute. Zwei Kche mit brennenden Wachskerzen standen bereit.

Andre Lemieux schritt die Front ab.

Am Eingang zum Groen Ballsaal beobachtete der Oberkellner mit erhobenem Arm das Gesicht des Souschefs. Als Andre Lemieux nickte, senkte der Oberkellner den Arm.

Die Kche mit den Kerzen liefen an der Reihe der Tabletts entlang und zndeten sie an. Die Schwingtren wurden weit aufgerissen und eingehakt. Drauen blendete ein Elektriker wie auf ein Stichwort hin das Licht ab. Die Musik des Orchesters wurde leiser und verstummte unvermittelt. Das Geplauder unter den Gsten im Saal erstarb.

Pltzlich strahlte am anderen Ende ein Scheinwerfer auf und richtete sich auf die Trffnung. Nch einer kurzen Stille ertnte ein Trompetensignal. Als es zu Ende war, stimmten Orchester und Orgel zusammen fortissimo die ersten Takte von »The Saints« an. Im Gleichschritt der Musik marschierte die Prozession der Kellner mit flammenden Tabletts in den Saal.

Peter McDermott betrat der besseren Sicht wegen den Groen Ballsaal. Der Raum war von den unerwartet zahlreichen Essensgsten bis zum Bersten gefllt.

»Oh, when the Saints; Oh, when the Saints; Oh, when the Saints go marching in... « Aus der Kche kam ein Kellner nach dem anderen in adretter blauer Uniform hereinmarschiert. Fr diesen feierlichen Einzug hatte man sie alle bis zum letzten Mann requiriert. In ein paar Minuten wrde gut ein Drittel wieder zu seiner Arbeit im anderen Bankettsaal zurckkehren. Im Halbdunkel flammte der brennende Alkohol auf wie eine Fackel... »Oh, when the Saints; Oh, when the Saints; Oh, when the Saints go marching in...« Die Gste brachen spontan in Applaus aus und klatschten dann im Takt der Musik in die Hnde, whrend die Kellner in einem groen Bogen durch den Raum zogen. Das Hotel war seinen Verpflichtungen planmig nachgekommen. Niemand auerhalb der Kche ahnte, da Minuten frher eine Krise ausgebrochen war und nur unter Anspannung aller Krfte berwunden wurde... »Lord, I want to be in that number, when the Saints go marching in...« Als die Kellner ihre Tische erreichten, flammten die Lampen wieder auf inmitten von erneutem Applaus und lrmenden Beifallsrufen.

Andre Lemieux hatte sich zu Peter gestellt. »Das war's fr 'eute abend, Monsieur. Auer, Sie mchten gern einen Kognak trinken. In der Kche 'abe ich einen kleinen Vorrat.«

»Nein, vielen Dank.« Peter lchelte. »Das war eine gute Schau. Gratuliere!«

Als er sich abwandte, rief ihm der Souschef nach: »Gute Nacht, Monsieur. Und vergessen Sie nicht.«

Peter blieb verdutzt stehen. »Was soll ich nicht vergessen?«

»Was ich Ihnen neulich sagte. Von dem erstklassigen Hotel, Monsieur, das Sie und ich aufziehen knnten.«

Halb belustigt, halb nachdenklich zwngte sich Peter an den Tischen vorbei auf den Ausgang zu.

Er war nur noch ein kurzes Stck von der Tr entfernt, als ihm auffiel, da irgend etwas nicht stimmte. Stehenbleibend und sich umblickend berlegte er, was es sein knnte. Dann ging ihm pltzlich ein Licht auf. Dr. Ingram, der hitzige kleine Prsident des Zahnrztekongresses, htte eigentlich bei diesem Bankett den Vorsitz fhren mssen. Aber der Doktor war weder auf dem Ehrenplatz an der langen Tafel noch sonstwo zu sehen.

Einige Delegierte gingen umher, um Freunde zu begren. Ein Mann mit einem Hrapparat blieb neben Peter stehen. »Eine Pfundsveranstaltung, heh!«

»Finde ich auch. Ich hoffe, Sie waren mit dem Dinner zufrieden?«

»Nicht bel.«

»brigens suchte ich gerade Dr. Ingram«, sagte Peter. »Ich sehe ihn nirgends.«

»Das glaub' ich«, war die kurze Antwort. Der Mann musterte ihn argwhnisch. »Kommen Sie von einer Zeitung?«

»Nein, ich gehre zum Hotel. Ich hab' Dr. Ingram ein paarmal gesprochen... «

»Er hat sein Amt niedergelegt. Heute nachmittag. Falls Sie meine Meinung wissen wollen, er hat sich wie ein verdammter Narr benommen.«

Peter unterdrckte seine Verwunderung. »Wissen Sie zufllig, ob der Doktor noch im Hotel ist?«

»Keine Ahnung.« Der Mann mit dem Hrapparat ging weiter.

Im Korridor befand sich ein Hausanschlu. Die Telefonistin berichtete, da Dr. Ingram zwar noch immer als Gast gefhrt wrde, da sich jedoch niemand in seinem Zimmer meldete. Peter rief den Hauptkassierer an. »Hat Dr. Ingram seine Rechnung schon bezahlt?«

»Ja, Mr. McDermott, vor etwa einer Minute. Ich kann ihn von hier aus sehen. Er ist noch in der Halle.«

»Schicken Sie jemanden zu ihm und bitten Sie ihn, zu warten. Ich bin auf dem Weg nach unten.«

Dr. Ingram hatte zwei Koffer neben sich und den Mantel ber dem Arm, als Peter unten anlangte.

»Was ist jetzt wieder los, McDermott? Falls das Hotel eine Empfehlung von mir haben will, mu ich Sie enttuschen. Auerdem darf ich meine Maschine nicht verpassen.«

»Ich hrte von Ihrem Rcktritt und wollte Ihnen sagen, wie leid mir das tut.«

»Na, ich schtze, sie kommen auch ohne mich aus.« Aus dem Groen Ballsaal, zwei Stockwerke ber ihnen, drang Applaus und Hurrageschrei bis zu ihnen hinunter. »Es hat jedenfalls ganz den Anschein.«

»Macht es Ihnen sehr viel aus?«

»Nein.« Der kleine Doktor trat von einem Fu auf den anderen, senkte den Blick und knurrte dann: »Das ist nicht wahr. Es macht mir verdammt viel aus. Dumm von mir, aber es ist nun mal so.«

»Vermutlich wrde es jedem so gehen«, meinte Peter.

Dr. Ingram hob abrupt den Kopf. »Verstehen Sie mich recht, McDermott: Ich bin kein Bankrotteur und hab's nicht ntig, mir wie einer vorzukommen. Ich war ein Lehrer mein ganzes Leben lang und habe eine Menge vorzuweisen. Gute Leute sind aus meinen Hnden hervorgegangen - Jim Nicholas, um nur einen zu nennen, und viele andere, Verfahren wurden nach mir benannt, Bcher, die ich geschrieben habe, gelten als Standardwerke. All das ist etwas Solides, was zhlt. Das andere« - er wies mit dem Kopf in Richtung des Groen Ballsaals - »das ist blo Verzierung.«

»Ich wute nicht... «

»Aber so ein paar Schnrkel tun ja niemandem weh. Schlielich gefallen sie einem sogar. Ich wollte Prsident werden. Ich war froh, als man mich dazu ernannte. Es ist eine Ehrung von Leuten, deren Meinung man schtzt. Wenn ich ehrlich sein soll, McDermott - und ich wei wahrhaftig nicht, warum ich Ihnen das erzhle -, drckt es mir das Herz ab, weil ich heute abend nicht dort oben mittun kann.« Er hielt inne und blickte hoch, als wiederum Lrm aus dem Ballsaal zu vernehmen war.

»Ab und zu jedoch mu man das, was man sich wnscht, gegen das, woran man glaubt, abwgen. Einige von meinen Freunden finden, ich htte mich wie ein Idiot benommen.«

»Es ist nicht idiotisch, fr ein Prinzip einzutreten.«

Dr. Ingram fate Peter fest ins Auge. »Sie haben es nicht getan, McDermott, als Sie die Chance hatten. Sie dachten in erster Linie an das Hotel, an Ihren Job.«

»Das stimmt leider.«

»Na, Sie sind wenigstens so anstndig, es zuzugeben. Ich will Ihnen was sagen, junger Mann. Sie sind nicht der einzige. Es gab Zeiten, wo auch ich die Probe nicht bestanden habe. Aber manchmal bekommt man noch eine zweite Chance. Sollte es Ihnen so ergehen, dann ergreifen Sie sie.«

Peter winkte einen Boy heran. »Ich begleite Sie zur Tr.«

»Nicht ntig.« Dr. Ingram schttelte den Kopf. »Wozu das Getue? Ich mag weder das Hotel noch Sie, McDermott.«

Der Boy sah ihn fragend an. Dr. Ingram sagte: »Gehen wir.«

16

Am spten Nachmittag machte Ogilvie, unweit des Wldchens, in dem der Jaguar verborgen war, noch ein Schlfchen. Er erwachte, als es dmmerte und die Sonne, ein orangeroter Ball, allmhlich im Westen hinter einer Hgelkette versank. Die Hitze des Tages war einer angenehmen abendlichen Khle gewichen. Ogilvie beeilte sich, denn er mute bald aufbrechen.

Zuerst schaltete er das Autoradio ein. In der Fahrerfluchtaffre gab es anscheinend nichts Neues. Befriedigt schaltete er das Radio aus.

Er kehrte zu dem Bach zurck und steckte den Kopf ins Wasser, um sich zu erfrischen und die letzten Spuren von Schlaftrunkenheit zu vertreiben. Dann nahm er einen Imbi zu sich, fllte die Thermosflasche mit Wasser und legte sie zusammen mit etwas Kse und Brot auf den Rcksitz des Wagens. Der Proviant mute die Nacht ber reichen. Er beabsichtigte, bis zum nchsten Morgen durchzufahren und jeden unntigen Aufenthalt zu vermeiden.

Seine Route, die er schon in New Orleans festgelegt und sich eingeprgt hatte, verlief in nordwestlicher Richtung durch Mississippi, bog in Alabama nach Westen ab und fhrte dann durch Tennessee und Kentucky genau nach Norden. Von Louisville aus wrde er Indianapolis anpeilen und Indiana in westlicher Richtung durchqueren. Danach wrde er unweit von Hammond nach Ilinois berwechseln, Richtung Chikago.

Die gesamte Strecke betrug noch immer siebenhundert Meilen, eine Entfernung, die in einer Nacht nicht zu schaffen war. Aber Ogilvie rechnete sich aus, da er bei Tagesanbruch in der Nhe von Indianapolis sein wrde, wo er aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mehr zu befrchten hatte. Von da aus hatte er dann nur noch zweihundert Meilen bis Chikago.

Es war vllig dunkel, als er mit dem Jaguar zurckstie, den Schutz der Bume verlie, wendete und vorsichtig auf dem Feldweg entlangholperte. Er grunzte befriedigt, als er endlich in die US 45 einschwenkte.

In Columbus, Mississippi, wohin man im amerikanischen Brgerkrieg die bei der Schlacht von Shiloh Gefallenen zur Bestattung gebracht hatte, stoppte Ogilvie, um zu tanken. Wohlweislich suchte er sich dazu einen kleinen Kramladen am Rand der Stadt aus, vor dem zwei altmodische, von einer einzigen trben Lampe erhellte Zapfsulen standen. Er fuhr mit dem Jaguar so weit wie mglich nach vorn, so da sich der Khler nicht mehr im Bereich der Lampe befand.

Einer Unterhaltung ging er aus dem Wege indem er das »Schne Nacht, nicht?« und »Fahren Sie weit?« des Ladenbesitzers kurzerhand ignorierte. Er bezahlte das Benzin und ein halbes Dutzend Riegel Schokolade bar und fuhr weiter.

Neun Meilen weiter nrdlich berquerte er die Grenze von Alabama.

Er kam an mehreren kleinen Stdten vorbei. Vernon, Sulligent, Hamilton, Russellville, Florence - letztere war, wie ein Schild anzeigte, bemerkenswert durch die Erzeugung von Toilettensitzen. Nach ein paar Meilen gelangte er nach Tennessee.

Auf der Strae war wenig Verkehr, und der Jaguar lief ausgezeichnet. Die Fahrbedingungen waren ideal; es war eine wolkenlose Nacht und Vollmond. Von Polizei war nirgends etwas zu sehen. Ogilvie fhlte sich uerst wohl.

Fnfzig Meilen sdlich von Nashville, bei Columbia, Tennessee, bog er auf die US 31 ein.

Hier herrschte starker Verkehr. Schwere Laster, deren Scheinwerfer wie eine endlse schimmernde Kette die Dunkelheit durchbohrten, donnerten nach Sden auf Birmingham zu und nach Norden in die Industriegebiete des Mittleren Westens. Personenwagen schlngelten sich durch den Strom hindurch, wobei einige Fahrer waghalsige Manver vollfhrten, die ein Lastwagenfahrer nie riskiert htte. Auch Ogilvie berholte gelegentlich ein langsames Fahrzeug, aber er htete sich, die vorgeschriebene Geschwindigkeitsgrenze zu berschreiten. Er hatte kein Verlangen, durch zu schnelles Fahren oder andere dumme Mtzchen die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach einer Weile fiel ihm ein Wagen auf, der etwa im gleichen Tempo hinter ihm her fuhr. Ogilvie verstellte den Rckspiegel, um die Blendwirkung zu reduzieren, und ging mit der Geschwindigkeit herunter, um den anderen vorbeizulassen. Als der andere nicht reagierte, gab Ogilvie unbekmmert wieder Gas.

Einige Meilen weiter vorn beobachtete er, da der Verkehrsstrom ins Stocken geriet. Rcklichter blinkten warnend auf. Den Kopf durchs Fenster steckend, konnte er in der Ferne eine Gruppe von Scheinwerfern erkennen, vor der die zwei Fahrbahnen in eine zusammenliefen. Es sah ganz nach einem Unfall aus.

Dann, als er die nchste Biegung hinter sich hatte, wurde ihm der wirkliche Grund fr die Verkehrsstauung pltzlich klar. Auf beiden Seiten der Strae waren Wagen der Verkehrspolizei von Tennessee stationiert; die roten Lichter auf dem Wagendach pulsierten rhythmisch. Die eine Fahrbahn war gesperrt, auf der anderen bewegte sich eine nicht abreiende Wagenschlange vorwrts. Im gleichen Moment schaltete sich auf dem Wagen, der ihm gefolgt war, auch das rote Blinklicht ein; eine Polizeisirene gellte.

Als der Jaguar langsamer wurde und stoppte, liefen Beamte mit gezcktem Revolver auf ihn zu. Schlotternd hob Ogilvie beide Hnde ber den Kopf.

Ein stmmiger Sergeant ffnete die Wagentr. »Lassen Sie Ihre Hnde, wo sie sind, und steigen Sie langsam aus«, befahl er. »Sie sind verhaftet.«

17

Christine Francis sagte versonnen: »Da!... jetzt tun Sie's wieder. Beide Male, als der Kaffee eingegossen wurde, haben Sie die Hnde um die Tasse gelegt. Als ob Sie sie wrmen wollten.«

ber den Dinnertisch hinweg nickte ihr Albert Wells lchelnd zu und erinnerte sie mehr denn je an einen munteren kleinen Sperling. »Sie sehen mehr als die meisten anderen Leute.«

Er wirkte heute abend wieder sehr zerbrechlich und beinahe so bla wie vor drei Tagen. Auch hatte sich im Laufe des Abends mehrmals ein lstiges Husten bemerkbar gemacht, aber das hatte seine Frhlichkeit nicht beeintrchtigt. Er braucht jemanden, der sich um ihn kmmert, dachte Christine.

Sie saen im Hauptrestaurant des St. Gregory. Seit ihrer Ankunft vor ber einer Stunde hatten sich die meisten anderen Gste entfernt bis auf einige wenige, die noch bei Kaffee und Schnpsen verweilten. Obwohl das Hotel voll besetzt war, hatte sich der Hauptspeisesaal nur eines migen Zustroms erfreut.

Max, der Oberkellner, trat diskret an ihren Tisch.

»Haben die Herrschaften noch Wnsche?«

Albert Wells sah Christine fragend an. Sie schttelte den Kopf.

»Ich glaube nicht. Wenn Sie wollen, knnen Sie die Rechnung bringen.«

»Sehr wohl, Sir.« Max nickte Christine zu und bedeutete ihr mit einem Blick, da er ihre Abmachung von heute morgen nicht vergessen hatte.

Als der Oberkellner verschwunden war, sagte der kleine Mann: »Um auf den Kaffee zurckzukommen..., beim Goldschrfen im Norden verschwendet man nichts, wenn man am Leben bleiben will, nicht mal die Wrme von einer Tasse Kaffee, die man in Hnden hlt. Mit der Zeit wird einem das zur Gewohnheit. Ich knnte sie ablegen, schtz' ich, aber ich finde, es ist klger, manche Dinge nicht zu vergessen.«

»Weil es gute Zeiten waren, oder weil das Leben jetzt besser ist?«

Er berlegte. »Ein bichen von beidem, glaube ich.«

»Sie haben mir erzhlt, da Sie Bergmann waren«, sagte Christine. »Ich hatte keine Ahnung, da Sie auch als Prospektor arbeiteten.«

»Wenn man das eine ist, ist man meistens auch das andere. Vor allem auf dem Kanadischen Schild - der liegt im Nordwesten des Landes, Christine, um die Hudson Bay herum. Wenn man da allein ist inmitten der Tundra - die arktische Wste nennen sie sie -, da macht man alles, vom Claimabstecken angefangen bis zum Aufbrennen des Frostbodens. Es ist niemand da, der einem hilft, die meiste Zeit wenigstens, und so ist man auf sich selbst angewiesen.«

»Nach was haben Sie geschrft?«

»Uran, Kobalt. Vor allem Gold.«

»Haben Sie welches gefunden? Gold, meine ich?«

Er nickte. »Viele haben welches gefunden. Im Gebiet von Yellowknife, am Groen Sklavensee. Die Funde begannen in den neunziger Jahren und setzten sich fort bis zum Goldrausch im Jahre neunzehnhundertfnfundvierzig. Aber der grte Teil des Landes war zu unwirtlich zum Abbau.«

Christine sagte: »Es mu ein hartes Leben gewesen sein.« Der kleine Mann hustete, trank einen Schluck Wasser und lchelte abbittend. »Damals war ich ziher. Aber wenn man dem Schild auch nur eine halbe Chance gibt, bringt er einen um.« Er sah sich in dem behaglichen, von Kristallstern erhellten Speisesaal um. »Es kommt einem sehr weit weg von hier vor.«

»Sie sagten, da es meistens zu schwierig war, dort Gold zu schrfen. Aber manchmal klappte es doch?«

»O ja. Es gab welche, die hatten mehr Glck als andere, obwohl auch bei ihnen was schiefgehen konnte. Es lag wohl daran, da der Schild und das dland sie irgendwie durcheinanderbrachte. Manche, die man fr stark hielt - und nicht nur krperlich -, entpuppten sich als Schwchlinge. Und bei manchen, denen man sein Leben anvertraut htte, entdeckte man, da man sich nicht auf sie verlassen konnte. Und umgekehrt. Ich erinnere mich, einmal...« Er verstummte, als der Oberkellner auf einem silbernen Tablett die Rechnung brachte.

»Weiter!« drngte sie.

»Das ist eine lange Geschichte, Christine.« Er drehte die Rechnung um und prfte sie.

»Aber ichwrde sie gern hren«, versicherte Christine, und es war ihr Ernst damit.

Er blickte auf, und in seinen Augen lag ein Schimmer der Belustigung. Er sah quer durch den Raum zu dem Oberkellner hinber, dann auf Christine, zog unvermittelt einen Bleistift hervor und unterschrieb die Rechnung.

»Es war im Jahr sechsunddreiig«, begann er, »um die Zeit, als einer der letzten Booms bei Yellowknife anfing. Ich schrfte in der Nhe vom Groen Sklavensee. Hatte damals einen Partner namens Hymie Eckstein. Hymie stammte aus Ohio. Er hatte als Textilvertreter, Verkufer von Gebrauchtwage n und in einem Haufen anderer Berufe gearbeitet. Er war ein Draufgnger und redete wie ein Buch. Aber er brachte es irgendwie fertig, da die Leute ihn gern hatten. Ich schtze, man knnte es Charme nennen. Als er nach Yellowknife kam, hatte er etwas Geld. Ich war pleite. Hymie bezahlte Ausrstung und Verpflegung fr uns beide.«

Albert Wells trank versonnen einen Schluck Wasser.

»Hymie hatte noch nie einen Schneeschuh gesehen, noch nie von Frostboden gehrt, konnte Schiefer nicht von Quarz unterscheiden. Aber wir kamen von Anfang an gut miteinander aus. Und wir hatten Glck.

Wir waren einen Monat oder zwei drauen. Auf dem Schild verliert man jeden Zeitbegriff. Dann setzten wir zwei uns eines Tages unweit der Mndung des Yellowknife Rivers hin, um uns Zigaretten zu drehen. Beim Sitzen kratzte ich, wie Prospektoren das so an sich haben, auf ein paar Felsbrocken herum und steckte ein oder zwei davon in die Tasche. Spter, am Ufer des Sees, wusch ich das Gestein, und man htte mich glatt ins Wasser schubsen knnen, als sich herausstellte, da es gutes grobkrniges Gold enthielt.«

»Wenn so etwas wirklich passiert, mu es einem wie die aufregendste Sache von der Welt vorkommen«, sagte Christine.

»Vielleicht gibt's Sachen, die einen noch mehr aufregen. Falls es so ist, sind sie mir wenigstens noch nie untergekommen. Na, wir rasten zu der Stelle zurck, wo die Gesteinsbrocken her waren, und bedeckten sie mit Moos. Zwei Tage spter fanden wir heraus, da bereits jemand anders einen Claim darauf hatte. Ich schtze, das war so ziemlich der schlimmste Schlag, der uns beide je getroffen hatte. Ein Prospektor aus Toronto hatte die Stelle abgesteckt. Er war im Jahr vorher drauen gewesen und nach dem Osten zurckgegangen, ohne zu wissen, was er da hatte. Nach dem Gesetz in den Territorien erlischt der Anspruch nach einem Jahr, wenn der Claim nicht bearbeitet wird.«

»Und wie lange war es noch bis dahin?«

»Im Juni hatten wir unseren Fund gemacht. Wenn die Dinge blieben, wie sie waren, wurde das Land am 30. September frei.«

»Konnten Sie nicht einfach den Mund halten und warten?«

»Das hatten wir auch vor. Es war blo nicht so einfach. Erstens lag unser Fund genau in einer Linie mit einer Mine, wo gefrdert wurde, und es waren auer uns noch mehr Prospektoren in der Gegend. Zweitens hatten Hymie und ich kein Geld und keine Vorrte mehr.«

Albert Wells winkte einem Kellner. »Ich schtze, ich trinke doch noch einen Kaffee. Und Sie?«

Christine schttelte den Kopf. »Nein, danke. Erzhlen Sie weiter. Ich mchte den Rest auch noch hren.« Wie seltsam, dachte sie, da die Art Abenteuer, von der manche Leute trumen, ausgerechnet diesem doch offenbar ganz alltglichen kleinen Mann aus Montreal widerfahren war.

»Also, Christine, ich schtze, die nchsten drei Monate waren die lngsten, die zwei Mnner jemals durchgestanden haben. Und vielleicht auch die schwersten. Wir fristeten unser Leben von Fisch und Moos und dergleichen. Am Ende war ich dnn wie ein Streichholz, und meine Beine waren schwarz von Skorbut. Hatte auerdem Bronchitis und Venenentzndung. Hymie war nicht viel besser dran, aber er beklagte sich nie, und ich mochte ihn immer lieber.

Der Kaffee wurde serviert, und Christine wartete.

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