Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð
Die gemeinen Schweinsuglein des Hausdetektivs verhrteten sich. »Sie bilden sich wohl ein, ich mte jetzt gleich mit dem Wagen losgondeln? Mitten am hellichten Tag? Ihn vielleicht sogar auf der Canal Street parken?«
Ganz unvermittelt schaltete sich der Herzog von Croydon zum erstenmal ein. »Die letzten Tage waren fr meine Frau eine schwere Nervenprobe. Sie brauchen nicht gleich grob zu werden.«
Ogilvies Miene brtender Skepsis vernderte sich nicht. Er fischte eine Zigarre aus der Rocktasche, betrachtete sie und steckte sie pltzlich wieder weg. »Ich schtze, wir sind alle ein bichen durcheinander. Und so wird's auch bleiben, bis wir die Sache hinter uns haben.«
Die Herzogin sagte ungeduldig: »Das ist unwichtig. Mich interessiert mehr, was im Moment geschieht. Wei die Polizei schon, da sie nach einem Jaguar suchen mu?«
Der mchtige Kopf mit seinen Kinnwlsten bewegte sich langsam von einer Seite zur anderen. »Wenn sie's herausgekriegt haben, erfahren wir's schnell genug. Bei auslndischen Wagen dauert's, wie gesagt, meistens ein paar Tage, bevor sie ihn sicher festnageln knnen.«
»Deutet nichts darauf hin..., da sie die Affre nicht mehr so wichtig nehmen? Es ist doch sehr oft so, da aufregende Ereignisse an allgemeinem Interesse verlieren, wenn nach ein oder zwei Tagen nichts Neues entdeckt wird.«
»Sind Sie verrckt?« Auf dem Gesicht des fetten Mannes malte sich aufrichtiges Erstaunen. »Haben Sie die Morgenzeitung nicht gelesen?«
»Doch«, sagte die Herzogin. »Bei meiner Frage war vermutlich der Wunsch der Vater des Gedankens.«
»Nichts hat sich gendert«, erklrte Ogilvie. »Auer, da die Polizei vielleicht noch schrfer hinterher ist. Von der Lsung des Falls hngt eine Menge fr sie ab, und die Polizisten wissen, wenn sie's nicht schaffen, gibt's Saures, auch fr die oben an der Spitze. Der Brgermeister hat so was angedeutet. Folglich ist jetzt auch die Politik mit im Spiel.«
»Dann drfte das Fortschaffen des Wagens jetzt noch schwieriger sein als je zuvor?«
»Ich will Ihnen sagen, wie's ist, Herzogin. Jeder kleine Schupo wei, falls er den Wagen schnappt, nach dem sie fahnden - Ihren Wagen -, dann kann er sich 'ne Viertelstunde spter einen neuen Streifen an den rmel nhen. Folglich passen sie auf wie die Luchse. Schwierig ist gar kein Ausdruck.«
Ein Schweigen trat ein, das nur von Ogilvies schnaufenden Atemzgen unterbrochen wurde. Es lag auf der Hand, welches die nchste Frage sein wrde, aber sie zu stellen kostete anscheinend berwindung, denn die Antwort konnte sowohl Rettung als auch Hoffnungslosigkeit bedeuten.
Endlich sagte die Herzogin von Croydon: »Wann beabsichtigen Sie aufzubrechen? Wann werden Sie den Wagen nach dem Norden schaffen?«
»Heute nacht«, erwiderte Ogilvie. »Deswegen komme ich.«
Der Herzog stie erleichtert und unberhrbar die Luft aus.
»Wie wollen Sie es anstellen, unbeobachtet aus der Stadt zu kommen?« fragte die Herzogin.
»Ich kann fr nichts garantieren. Aber ich hab' mir so einiges zurechtgelegt.«
»Ja?«
»Am besten fahr' ich gegen ein Uhr los, schtz' ich.«
»Ein Uhr morgens?«
Ogilvie nickte. »Ist nicht viel los um die Zeit. Wenig Verkehr, aber nicht zu wenig.«
»Sie knnten aber trotzdem gesehen werden?«
»Das Risiko besteht immer. Mssen uns eben darauf verlassen, da wir Glck haben.«
»Wenn Sie aus der Stadt sind - wie weit wollen Sie dann noch fahren?«
»Gegen sechs wird's hell. Schtze, um die Zeit werd' ich in Mississippi sein. Hchstwahrscheinlich in der Nhe von Macon.«
»Das ist nicht weit«, protestierte die Herzogin. »Nur auf dem halben Weg durch Mississippi. Noch nicht einmal ein Viertel der Strecke nach Chikago.«
Der fette Mann rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Soll ich vielleicht Vollgas geben? Ein paar Rekorde brechen? Und am Ende riskieren, da eine Verkehrsstreife hinter mir herjagt?«
»Nein, natrlich nicht. Mir liegt nur daran, da der Wagen mglichst schnell weit weggebracht wird. Was werden Sie tagsber machen?«
»Irgendwo in Deckung gehen. Es gibt genug geeignete Stellen in Mississippi.«
»Und dann?«
»Sowie's dunkel ist, brause ich ab. In nrdlicher Richtung durch Alabama, Tennessse, Kentucky, Indiana.«
»Wann ist es sicher? Wirklich sicher?«
»Indiana, schtz ich.«
»Und den Freitag ber bleiben Sie in Indiana?«
»Ich denke schon.«
»So da Sie am Samstag in Chikago sind?«
»Samstag morgen.«
»Schn«, sagte die Hrzogin. »Mein Mann und ich fliegen am Freitagabend nach Chikago. Wir steigen im Drake-Hotel ab und warten dort, bis wir von Ihnen hren.«
Der Herzog wich Ogilvies Blick aus und betrachtete seine Hnde.
»Sie werden von mir hren«, antwortete der Hausdetektiv bestimmt.
»Brauchen Sie sonst noch etwas?«
»Ja, eine Vollmacht fr die Garage. Fr alle Flle. Damit ich Ihren Wagen nehmen kann.«
»Ich schreibe sie gleich aus.« Die Herzogin ging quer durch den Raum zu einem Sekretr. Sie schrieb hastig eine Zeile auf einen Bogen Hotelbriefpapier und kehrte einen Moment spter mit dem zusammengefalteten Blatt zurck. »Das mte eigentlich gengen.«
Ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, verstaute Ogilvie das Papier in einer Innentasche. Sein Blick klebte am Gesicht der Herzogin.
Nach einem verlegenen Schweigen fragte sie ratlos: »Das war es doch, was sie wollten, oder nicht?«
Der Herzog von Croydon erhob sich und schritt steifbeinig davon. Den beiden anderen den Rcken zukehrend, sagte er mrrisch: »Er will das Geld haben.«
Ogilvies feistes Gesicht verzog sich zu einem slichen Grinsen. »Stimmt haargenau, Herzogin. Zehntausend jetzt, wie wir abgemacht hatten. Den Rest von fnfzehntausend am Samstag in Chikago.«
Bestrzt hob die Herzogin ihre beringten Hnde an die Schlfen. »Ich wei nicht, wie..., das hatte ich ganz vergessen. Es war soviel anderes zu bedenken.«
»Macht nichts. Ich htte Sie dran erinnert.«
»Wir mssen es auf heute nachmittag verschieben. Unsere Bank wird das arrangieren... «
»Bar, in kleinen Scheinen«, sagte der fette Mann. »Nicht hher als Zwanziger, und keine neuen Scheine.«
Sie sah in forschend an. »Warum?«
»Ist auf diese Art nicht nachweisbar.«
»Trauen Sie uns nicht?«
Er schttelte den Kopf. »In einer Sache wie der soll man niemandem trauen. Wre nicht klug.«
»Und welchen Grund htten wir dann, Ihnen zu trauen?«
»Fnfzehntausend stehen noch aus..., das ist ein verdammt guter Grund.« Die absurde Fistelstimme bekam einen Unterton von Ungeduld. »Und denken Sie daran - auch die will ich in bar, und Banken sind am Samstag nicht geffnet.«
»Angenommen, wir bezahlen Sie in Chikago nicht«, sagte die Herzogin.
Das Grinsen, auch jede Andeutung davon, war verschwunden. »Ich bin wirklich froh, da Sie das aufs Tapet gebracht haben. Damit wir uns richtig verstehen.«
»Ich glaube, ich verstehe es ohnehin, aber sagen Sie es mir trotzdem.«
»Was in Chikago passieren wird, Herzogin, ist folgendes. Ich werde den Wagen irgendwo verstecken, aber Sie werden nicht wissen, wo. Dann komme ich ins Hotel und kassiere, und sowie ich das Geld habe, geb' ich Ihnen die Schlssel und sag' Ihnen, wo der Wagen steht.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Darauf komme ich gerade.« Die Schweinsuglein funkelten. »Geht irgendwas schief -, zum Beispiel, wenn Sie mir sagen, Sie htten das Geld nicht, weil die Banken am Samstag geschlossen sind und Sie das verschwitzt haben, dann alarmiere ich die Polizei - genau dort in Chikago.«
»Dann wrden Sie aber fr sich selbst auch eine ganze Menge zu erklren haben. Beispielsweise, warum Sie den Wagen nach dem Norden geschafft haben.«
»Da ist weiter nichts dabei. Ich wrde blo sagen, Sie htten mir ein paar hundert Dollar dafr bezahlt, damit ich den Wagen raufbringe. Sie und der Herzog hier wollten fliegen. Und erst, als ich in Chikago ankam und mir den Wagen nher besah, war' mir ein Licht aufgegangen. Sie sehen....« Er zuckte die Schultern.
»Wir haben nicht die Absicht«, versicherte die Herzogin von Croydon, »unseren Teil der Abmachungen nicht einzuhalten. Aber genau wie Sie wollte ich sichergehen, da wir einander verstehen.«
Ogilvie nickte. »Ich schtze, das ist okay.«
»Kommen Sie um fnf wieder her«, sagte die Herzogin. »Dann liegt das Geld bereit.«
Als Ogilvie gegangen war, verlie der Herzog seine selbst auferlegte Isolierung am anderen Ende des Raumes. Auf einem Bfett stand ein seit dem Abend zuvor wieder aufgeflltes Tablett mit Glsern und Flaschen. Er schenkte sich einen steifen Scotch ein, fgte einen Schu Soda zu und kippte den Drink hastig hinunter.
»Du fngst heute wieder frh an, wie ich sehe«, sagte die Herzogin eisig.
»Es ist ein Reinigungsmittel.« Er go sich einen zweiten Scotch ein, trank ihn diesmal jedoch langsamer aus. »Wenn ich mit diesem Menschen in demselben Raum bin, komme ich mir immer schmutzig vor.«
»Er ist offenbar nicht so empfindlich«, bemerkte seine Frau. »Andernfalls knnte er gegen die Anwesenheit eines betrunkenen Kindesmrders einiges einzuwenden haben.«
Das Gesicht des Herzogs war kreidebleich. Seine Hnde zitterten, als er das Glas abstellte. »Das war ein Tiefschlag, altes Mdchen.«
Sie fgte hinzu: »Der auerdem noch davonlief.«
»Bei Gott - damit kommst du nicht durch!« rief er wtend. Er ballte die Hnde, und eine Sekunde lang sah es so aus, als wrde er zuschlagen. »Du warst es, die unbedingt weiterfahren und nachher nicht umkehren wollte. Du ganz allein! Ich htte angehalten, wenn du nicht gewesen wrst! Du sagtest, es wre sinnlos; man knnte das Unheil nicht ungeschehen machen. Noch gestern wollte ich mich der Polizei stellen. Du warst dagegen! Und jetzt haben wir ihn, diesen... diesen rudigen Hund, der uns auch noch den letzten Rest von Selbstachtung rauben wird...« Die Stimme erstarb.
»Darf ich annehmen, da du mit deinem hysterischen Ausbruch fertig bist?« erkundigte sich die Herzogin. Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Und darf ich dich daran erinnern, da es mich bemerkenswert wenig berredungskraft kostete, dich zu meiner Meinung zu bekehren? Wre es dir mit deinen Wnschen oder Absichten ernst gewesen, dann httest du dich um mich nicht im geringsten zu kmmern brauchen. Was deine Angst vor der Rude betrifft, so bezweifle ich, da du dich angesteckt hast, da du dich vorsorglich ferngehalten und die Verhandlungen mit diesem Mann mir berlassen hast.«
Der Herzog seufzte. »Ich htte mich gar nicht erst auf einen Streit einlassen sollen. Entschuldigung.«
»Falls ein Streit zur Klrung deiner Gedanken notwendig ist«, sagte sie gleichgltig, »habe ich nichts dagegen.«
Ihr Mann hatte wieder nach seinem Glas gegriffen und drehte es mig in der Hand. »Es ist komisch, aber fr eine Weile hatte ich das Gefhl, als htte uns all dies, so schlimm es auch war, einander nher gebracht.«
Die Worte waren so offensichtlich ein Appell, da die Herzogin zgerte. Denn die Unterredung mit Ogilvie hatte auch sie gedemtigt und erschpft. Sie sehnte sich, im tiefsten Inneren, nach einer kurzen Waffenruhe.
Aber es war seltsam, eine Geste der Vershnung berstieg ihre Kraft. Statt dessen entgegnete sie: »Sollte das wirklich der Fall sein, dann habe ich es nicht bemerkt.« Und sie fgte noch strenger hinzu: »Im brigen haben wir jetzt schwerlich Zeit fr Sentimentalitten.«
»Richtig!« Als wre die Antwort seiner Frau ein Signal, kippte der Herzog seinen Drink und schenkte sich noch einen ein.
Sie sagte beiend: »Ich wre dir zu Dank verpflichtet, wenn du wenigstens einigermaen bei Besinnung bliebst. Vermutlich werde ich mit der Bank verhandeln mssen, aber es wre ja mglich, da sie deine Unterschrift brauchen.«
7
Warren Trent sah sich zwei Aufgaben gegenber, die er sich selbst auferlegt hatte und die beide nicht nach seinem Geschmack waren.
Als erstes wollte er Tom Earlshore mit Curtis O'Keefes Anschuldigungen vom Abend zuvor konfrontieren. »Er betrgt Sie nach Strich und Faden«, hatte O'Keefe von dem ltlichen Barmann behauptet. Und: >Nach allem, was ich gehrt habe, geht es schon sehr lange so.«
Wie versprochen, hatte O'Keefe seine Anklage dokumentarisch belegt. Kurz nach zehn Uhr morgens hatte ein junger Mann, der sich als Sean Hall von der O'Keefe-Hotel-Corporation vorstellte, Warren Trent einen Bericht gegeben -mit detaillierten Beobachtungen, Daten und Zeitangaben. Der unge Mann, der geradewegs in Warren Trents Suite in der fnfzehnten Etage gekommen war, wirkte verlegen. Der Hotelbesitzer dankte ihm und machte sich daran, den siebenseitigen Bericht zu lesen.
Er begann in grimmiger Laune, und sein Groll vertiefte sich, je weiter er kam. In dem Gutachten kam nicht nur Tom Earlshores Name vor, sondern auch der anderer Angestellter, die er fr vertrauenswrdig gehalten hatte. Es wurde Warren Trent schmerzlich klar, da er gerade von den Mnnern und Frauen betrogen wurde, auf die er sich am meisten verlassen hatte, einschlielich jener, wie Tom Earlshore, die er als persnliche Freunde betrachtet hatte. Es war auch offenkundig, da die Korruption im Hotel noch viel weiter verbreitet sein mute, als aus dem Bericht hervorging.
Nachdem er die maschinegeschriebenen Bltter sorgsam zusammengefaltet hatte, verstaute er sie in einer Innentasche seines Jacketts. Wenn er sich nicht zusammennahm, wrde er in Wut geraten, das wute er, und alle, die sein Vertrauen mibraucht hatten, entlarven und zchtigen. Darin mochte sogar eine melancholische Befriedigung liegen.
Aber bermiger Zorn war ein Gefhl, das ihm neuerdings jegliche Kraft raubte. Er beschlo, sich nur Tom Earlshore vorzunehmen und sonst niemanden.
Immerhin hatte der Bericht eine ntzliche Wirkung, dachte Warren Trent. Er hatte ihn von einer Verpflichtung befreit.
Bis zum gestrigen Abend war seine Einstellung zum St. Gregory zu einem guten Teil von der Loyalitt bestimmt, die er seines Erachtens dem Hotelpersonal schuldete. Nun fielen durch die Treulosigkeit, die man ihm gegenber gezeigt hatte, all diese Bedenken weg.
Damit erffnete sich ihm eine Mglichkeit, die Kontrolle ber das Hotel zu behalten, eine Mglichkeit, die er bisher nie ernsthaft in Erwgung gezogen hatte. Auch jetzt noch erregte sie seinen Abscheu, weshalb er beschlo, sich zuerst der weniger unangenehmen Pflicht zu entledigen und Tom Earlshore aufzusuchen.
Die Pontalba-Bar befand sich im Erdgescho des Hotels und war von der Halle aus zugnglich durch eine ledergepolsterte, mit Bronze beschlagene Schwingtr. Innen fhrten drei teppichbelegte Stufen in einen Raum hinab, der die Form eines L hatte und mit Tischen und bequemen Sitznischen ausgestattet war.
Ungleich den meisten anderen Cocktail-Bars war die Pontalba hell erleuchtet. Infolgedessen konnten die Kunden sich gegenseitig ebensogut beobachten wie die Bar selbst, die sich am Querbalken des L entlangzog. Vor der Bar stand ein halbes Dutzend gepolsterter Hocker fr einsame Trinker, die, wenn sie wollten, auf ihren Sitzen herumschwenken konnten, um einen Blick in die Runde zu werfen.
Es war fnfundzwanzig Minuten vor zwlf Uhr mittags, als Warren Trent von der Halle aus hereinkam. Die Bar war fast leer bis auf ein Prchen in einer der Nischen und zwei Mnner mit Kongreplaketten am Rockaufschlag, die sich an einem Tisch unweit der Tr leise miteinander unterhielten. Der bliche Ansturm zur Lunchzeit wrde in etwa einer Viertelstunde beginnen, und dann war es mit der Gelegenheit fr ein ruhiges Gesprch vorbei. Aber zehn Minuten mten eigentlich fr das, was er vorhatte, gengen, dachte der Hotelbesitzer.
Ein Kellner eilte herbei, aber Warren Trent winkte ab. Tom Earlshore stand, mit dem Rcken zum Raum, hinter der Bar und war in irgendein Revolverblatt vertieft, das er auf der Registrierkasse ausgebreitet hatte. Warren Trent ging steifbeinig hinber und setzte sich auf einen Barhocker. Nun konnte er sehen, da der ltliche Barmann eine Wettzeitung studierte.
»Haben Sie mein Geld auf die Art verpulvert?« fragte er. Earlshore fuhr mit bestrzter Miene herum. Gleich darauf malte sich auf seinem Gesicht mildes Erstaunen und dann augenfllige Freude, als er seinen Besucher erkannte.
»Herrje, Mr. Trent, Sie haben mir einen schnen Schreck eingejagt.« Tom Earlshore faltete die Wettzeitung flink zusammen und stopfte sie in seine hintere Hosentasche. Sein gefurchtes ledernes Gesicht unter dem gewlbten Kahlkopf mit dem weien Haarkranz eines Santa Claus verzog sich zu einem Lcheln. Warren Trent wunderte sich, warum er nie zuvor gemerkt hatte, da es ein schmieriges Lcheln war.
»Sie haben sich aber lange nicht mehr hier bei uns blicken lassen, Mr. Trent. Viel zu lange.«
»Mag sein. Sie beklagen sich doch nicht, oder?«
Tom Earlshore zgerte. »Nun... nein.«
»Man sollte meinen, da Sie hier so unbeaufsichtigt sind, hat Ihnen eine Menge gnstiger Gelegenheiten verschafft.«
Der Schatten eines Zweifels huschte ber das Gesicht des Barkeepers. Dann lachte er, wie um sich selbst zu beruhigen.
»Sie mssen immer Ihre kleinen Scherze machen, Mr. Trent. Oh, wo Sie schon hier sind... ich hab' da was, das ich Ihnen zeigen mchte. Wollte schon lngst in Ihrem Bro vorbeischauen, bin aber nie dazu gekommen.« Er ffnete eine Schublade unterhalb der Theke und fischte einen Briefumschlag heraus, dem er ein Farbfoto entnahm. »Das hier ist Derek - mein dritter Enkel. Gesunder kleiner Bengel - genau wie seine Mutter, die Ihnen so viel verdankt. Ethel - das ist meine Tochter, wie Sie vielleicht noch wissen - erkundigt sich oft nach Ihnen; schickt Ihnen jedesmal ihre besten Wnsche, genau wie alle bei mir zu Haus.« Er legte das Foto auf die Bar.
Warren Trent nahm es und gab es bedchtig zurck, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
»Stimmt irgendwas nicht, Mr. Trent?« fragte Tom Earlshore beklommen und fgte, als er keine Antwort bekam, hinzu: »Kann ich Ihnen etwas mixen?«
Zuerst wollte Trent ablehnen, besann sich dann jedoch anders. »Einen Ramos Gin Fizz.«
»Yessir! Sofort, Sir!« Tom Earlshore griff rasch nach den Zutaten. Es war von jeher ein Vergngen, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Frher, wenn Warren Trent in seiner Suite Gste bewirtete, lie er Tom manchmal heraufkommen, um die Getrnke zuzubereiten, und zwar hauptschlich deshalb, weil seine Technik beim Mixen ein Schauspiel war, das der Qualitt seiner Drinks in nichts nachstand. Er hatte knappe, rationelle Handbewegungen und die Geschicklichkeit eines Jongleurs. Auch jetzt demonstrierte er seine Kunstfertigkeit und servierte den Drink mit einer schwungvollen Geste.
Der Hotelbesitzer nippte an dem Glas und nickte.
Earlshore fragte: »Ist er recht so?«
»Ja«, sagte Warren Trent. »Er ist so gut wie alles, was Sie bisher gemixt haben.« Er sah Earlshore gerade an. »Ich bin froh darber, weil es der letzte Drink ist, den Sie jemals in meinem Hotel mixen werden.«
Die Unruhe hatte sich in Besorgnis verwandelt. Earlshore fuhr sich nervs mit der Zunge ber die Lippen. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, Mr. Trent. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
Die Bemerkung ignorierend, stie der Hotelbesitzer sein Glas weg. »Warum haben Sie das getan, Tom? Warum muten es gerade Sie sein?«
»Ich schwre bei Gott, da ich keine Ahnung habe -«
»Belgen Sie mich nicht, Tom. Sie haben mich lange genug belogen.«
»Aber ich sage Ihnen, Mr. Trent -«
»Hren Sie auf mit dem Theater!« Der scharfe Befehl durchschnitt die Stille wie ein Peitschenknall.
Das friedliche Stimmengemurmel in der Bar verstummte. Der erschrockene Ausdruck in den hin und her huschenden Augen des Barmannes verriet Warren Trent, da sich hinter ihm Kpfe der Bar zuwandten. Er war sich seines stndig wachsenden Zorns bewut, den er eigentlich hatte beherrschen wollen.
Earlshore schluckte. »Bitte, Mr. Trent. Ich arbeite seit dreiig Jahren hier. Noch nie haben Sie so zu mir gesprochen.« Seine Stimme war kaum vernehmbar.
Aus der Innentasche, wo er ihn vorher verstaut hatte, zog Warren Trent den Bericht der O'Keefe-Corporation. Er bltterte zwei Seiten um, kniff die dritte ein und verdeckte einen Abschnitt mit der Hand. »Lesen Sie!«
Tom Earlshore tappte nach seiner Brille und setzte sie auf. Seine Hnde zitterten. Er las einige Zeilen und hielt inne. Er blickte auf. Da war kein Leugnen mehr. Nur die instinktive Furcht eines in die Enge getriebenen Tieres.
»Sie knnen mir nichts nachweisen«
Warren Trent schlug mit der Hand auf die Bar. Gleichgltig dagegen, ob man ihn hrte oder nicht, lie er seiner Wut freien Lauf. »Wenn ich will, kann ich es. Geben Sie sich keinen falschen Hoffnungen hin. Sie haben betrogen und gestohlen und wie alle Betrger und Diebe eine Fhrte hinterlassen.«
Der Barkeeper schwitzte vor Angst. Ihm war, als sei seine Welt, die er fr sicher gehalten hatte, pltzlich mittendurch geborsten. Lnger, als er za denken vermochte, hatte er seinen Arbeitgeber bervorteilt, und so hatte sich schlielich die berzeugung in ihm gefestigt, da er unverwundbar sei. Nie, nicht in seinen schlimmsten Trumen, hatte er geglaubt, da der Tag der Abrechnung kommen wrde. Nun fragte er sich furchterfllt, ob der Hotelbesitzer ahnte, wie unverschmt er ausgeplndert worden war.
Mit dem Zeigefinger tippte Warren Trent auf das Dokument, das zwischen ihnen lag. »Diese Leute sprten die Korruption auf, weil sie nicht den Fehler machten - meinen Fehler -, Ihnen zu vertrauen und Sie fr einen Freund zu halten.« Vorbergehend brachte ihn seine Gemtsbewegung zum Schweigen. Dann fuhr er fort: »Aber falls ich nach Beweisen grabe, werde ich sie finden. Das, was hier im Bericht angefhrt wird, ist nicht alles, nicht wahr?«
Tom nickte niedergeschlagen.
»Nun, Sie brauchen keine Angst zu haben; ich werde Sie nicht anzeigen. Wenn ich's tte, htte ich das Gefhl, ich zerstrte einen Teil meiner selbst.«
Erleichterung flackerte ber das Gesicht des ltlichen Barmanns; er versuchte die Regung rasch zu verbergen. »Ich schwre Ihnen, wenn Sie mir noch eine Chance geben, werden Sie sich nie wieder ber mich zu beklagen brauchen.«
»Sie meinen, nun, da man Sie nach jahrelangen Gaunereien ertappt hat, wollen Sie liebenswrdigerweise mit dem Stehlen Schlu machen.«
»Es ist schwer fr mich, Mr. Trent, in meinem Alter eine Stellung zu finden. Ich habe eine Familie -«
»Ja, Tom, das wei ich«, sagte Warren Trent ruhig.
Earlshore hatte den Anstand, zu errten. Er sagte unbeholfen: »Das Geld, das ich hier verdiente - der Job selbst brachte mir nie genug ein. Andauernd kamen neue Rechnungen; Sachen fr die Kinder -«
»Und die Buchmacher, Tom, die wollen wir nicht vergessen. Die Buchmacher waren stndig hinter Ihnen her, stimmt's? Die wollten in erster Linie bezahlt werden.« Es war eine bloe Vermutung, aber Earlshores Schweigen verriet, da Trent ins Schwarze getroffen hatte.
Warren Trent sagte schroff: »Genug der Worte. Und jetzt verschwinden Sie geflligst, und ssen Sie sich nie wieder im Hotel blicken.«
Immer mehr Gste strmten durch den Eingang von der Halle in die Pontalba-Bar. Das Stimmengewirr hatte zugenommen und wurde lauter. Ein junger Gehilfe war hinter der Bar aufgetaucht und bereitete Drinks zu, die von den Kellnern abgeholt wurden. Er vermied es geflissentlich, zu Trent und zu seinem ehemaligen Vorgesetzten hinberzusehen.
Tom Earlshore blinzelte. Unglubig protestierte er: »Aber der Lunchbetrieb -«
»Geht Sie nichts mehr an! Sie sind fristlos entlassen.«
In dem Mae, in dem ihm das Unvermeidliche klar wurde, wandelte sich auch der Gesichtsausdruck des Ex-Barmanns. Seine ehrerbietige Miene machte einem verkniffenen Grinsen Platz, als er erklrte: »Okay, ich gehe. Aber Sie, mein gromchtiger Mr. Trent, werden mir ziemlich bald folgen, weil man Sie nmlich auch rausschmeien wird. Das wei hier doch jeder.«
»Was wei hier jeder?«
Earlshores Augen glhten. »Die Leute hier wissen, da Sie ein unntzer, ruinierter alter Trottel sind, der von der Leitung eines Hotels genausowenig versteht wie ein Wickelkind. Das ist auch der Grund, warum Sie das Haus hier nicht halten knnen, und wenn man Sie raussetzt, werde ich einer von vielen sein, der sich darber halb totlacht.« Er zgerte, schwer atmend und bestrzt ber seine Verwegenheit. Aber der Drang, sich zu rchen, war strker. »Lnger, als ich denken kann, haben Sie sich angestellt, als wren wir alle hier Ihr Eigentum. Na schn, vielleicht haben Sie wirklich ein paar Cents mehr gezahlt als andere und den Wohltter gespielt - wie bei mir -, als wren Sie Christus und Moses in einer Person. Aber uns konnten Sie damit nicht zum Narren halten. Sie zahlten hhere Lhne, um die Gewerkschaften rauszuhalten, und wohlttig waren Sie, damit Sie sich als groer Mann fhlen konnten, und so kamen die Leute schnell genug dahinter, da Sie dabei mehr an sich dachten als an sie. Deshalb haben sie hinter Ihrem Rcken ber Sie gelacht und in die eigene Tasche gewirtschaftet so wie ich. Glauben Sie mir, es hat sich 'ne Menge getan - mehr als Sie jemals herauskriegen werden.« Earlshore verstummte, und sein Gesicht spiegelte die Befrchtung wider, da er zu weit gegangen war.
Hinter ihnen fllte sich die Bar schnell. Zwei der benachbarten Barhocker waren bereits besetzt. Im stndig zunehmenden Lrm trommelte Warren Trent nachdenklich mit den Fingern auf die lederbezogene Theke. Seltsamerweise war seine Wut verraucht. An ihre Stelle war eine sthlerne Entschlossenheit getreten - den Schritt, den er vorher in Erwgung gezogen hatte, nun nicht lnger hinauszuzgern.
Er hob seine Augen zu dem Mann, den er seit dreiig Jahren zu kennen glaubte, aber in Wirklichkeit niemals gekannt hatte. »Tom, Sie werden es nie verstehen, aber mit Ihren letzten Worten haben Sie mir einen groen Gefallen erwiesen. Und jetzt verschwinden Sie - bevor ich es mir anders berlege und Sie doch noch ins Gefngnis schicke.«
Tom Earlshore wandte sich ab und ging stumm hinaus.
Als Warren Trent auf dem Weg zum Ausgang nach der Carondelet Street die Halle passierte, bersah er khl die Blicke von Angestellten, denen er begegnete. Ihm war nicht nach Scherzreden zumute, nachdem er an diesem Morgen gelernt hatte, da Verrat ein Lcheln zur Schau trug und sich hinter Herzlichkeit Verachtung verbergen konnte. Die Erffnung, da man ihn wegen seiner Versuche, die Angestellten gut zu behandeln, auslachte, hatte ihn tief getroffen - um so mehr, als sie der Wahrheit zu entsprechen schien. Nun, dachte er, wartet nur ein oder zwei Tage. Wir werden sehen, wer dann lacht.
Als er drauen auf der betriebsamen, sonnenbeschienenen Strae anlangte, sah ihn ein uniformierter Trsteher und trat ehrerbietig auf ihn zu. »Besorgen Sie mir ein Taxi«, befahl Warren Trent. Er hatte vorgehabt, ein oder zwei Blocks zu Fu zu gehen, aber ein stechender Schmerz in der Hfte, als er die Hotelstufen hinunterstieg, brachte ihn davon ab.
Der Trsteher blies in seine Trillerpfeife, und ein Taxi scherte aus dem vorbeiflutenden Verkehrsstrom aus und bremste am Randstein. Warren Trent kletterte schwerfllig auf den Rcksitz, whrend der Mann die Tr offenhielt und respektvoll an die Mtze tippte, bevor er sie zuschlug. Der Respekt war auch nur eine leere Geste, vermutete Warren Trent. Er wute, da er von nun an viele Dinge, die er bisher fr bare Mnze genommen hatte, mit Mitrauen betrachten wrde.
Das Taxi fuhr an, und als er den forschenden Blick des Fahrers im Rckspiegel gewahrte, sagte er: »Fahren Sie mich nur ein paar hundert Meter weiter. Ich mchte telefonieren.«
»Es gibt einen Haufen Telefone im Hotel, Bo«, sagte der Mann.
»Das ist meine Sache. Bringen Sie mich zu einem Mnzfernsprecher.« Der Mann brauchte nicht zu wissen, da der Anruf, den er vorhatte, zu geheim war, als da er die Benutzung einer Hotelleitung riskieren konnte.
Der Fahrer zuckte mit den Schultern. Nach zwei Blocks schwenkte er nach Sden in die Canal Street ein, seinen Fahrgast wieder prfend im Rckspiegel musternd. »Es ist ein schner Tag. Unten am Hafen gibt's mehrere Telefonzellen.«
Warren Trent nickte, froh ber den kurzen Aufschub.
Der Verkehr wurde dnner, als sie die Tchoupitoulas Street kreuzten. Eine Minute spter stoppte der Wagen auf dem Parkplatz vor dem Gebude der Hafenverwaltung. Einige Meter weiter befand sich eine Telefonzelle.
Er gab dem Fahrer einen Dollar und wies das Kleingeld zurck. Dann, im Begriff auf die Zelle zuzusteuern, berlegte r es sich anders und ging quer ber die Eads Plaza zum Flu hinunter. Die Mittagshitze prallte auf ihn herab und sickerte von der betonierten Promenade trstlich durch seine Schuhsohlen. Die Sonne, Freundin alter Knochen, dachte er.
Am jenseitigen Ufer des fast einen Kilometer breiten Mississippi flimmerte Algiers in der Hitze. Vom Flu stiegen heute ble Gerche auf, obwohl das nichts Ungewhnliches war. Gestank, Trgheit und Schlick gehrten zu den Launen des Vaters der Gewsser. Er gleicht dem Leben, dachte Warren Trent; man ist stets von Treibsand und Schlamm umgeben.
Ein Frachter glitt vorbei in Richtung auf den Golf, mit der Sirene einen einfahrenden Schleppzug anheulend. Der Schleppzug nderte den Kurs; der Frachter dampfte weiter, ohne sein Tempo zu verringern. Bald wrde das Schiff die Einsamkeit des Flusses gegen die noch grere Einsamkeit des Ozeans vertauschen. Er fragte sich, ob die Menschen an Bord sich dessen bewut waren oder sich darum kmmerten. Vielleicht nicht. Oder vielleicht hatten sie, wie er selbst, mit der Zeit begriffen, da es keinen Ort auf der Welt gibt, wo der Mensch nicht einsam ist.
Er ging zur Telefonzelle zurck und machte die Tr sorglich hinter sich zu. »Ein Ferngesprch«, erklrte er der Vermittlung. »Nach Washington, D. C.«
Es dauerte mehrere Minuten, und es gab einige Rckfragen, bevor er mit der Person verbunden wurde, die er verlangt hatte. Schlielich kam die rauhe, barsche Stimme eines der mchtigsten - und, wie manche behaupteten, auch korruptesten - Gewerkschaftsfhrers der Staaten durch die Leitung.
»Also los, reden Sie.«
»Guten Morgen«, sagte Warren Trent. »Ich hatte gehofft, da Sie nicht beim Lunch wren.«
»Sie haben drei Minuten«, sagte die Stimme kurz. »Fnfzehn Sekunden haben Sie bereits vergeudet.«
Warren Trent sagte hastig: »Vor einiger Zeit, bei einem Zusammentreffen, machten Sie mir ein vorlufiges Angebot. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr -«
»Ich erinnere mich stets. Manche Leute wnschen, es wre anders.«
»Bei dieser Gelegenheit war ich ein bichen kurz angebunden, was ich bedaure.«
»Das war eine halbe Minute. Ich habe hier eine Stoppuhr.«
»Ich bin bereit, mit Ihnen ein Abkommen zu treffen.«
»Die Abkommen treffe ich. Andere akzeptieren sie.«
»Falls Ihre Zeit wirklich so kostbar ist«, scho Warren Trent zurck, »dann wollen wir sie nicht mit Haarspaltereien vertrdeln. Seit Jahren versuchen Sie im Hotelgeschft Fu zu fassen. Auerdem mchten Sie die Position Ihrer Gewerkschaft in New Orleans verstrken. Ich biete Ihnen eine Chance, die Ihnen beides ermglicht.«
»Wie hoch ist der Preis?«
»Zwei Millionen Dollar - in einer sicheren ersten Hypothek. Dafr bekommen Sie einen gewerkschaftlich gebundenen Betrieb und setzen den Vertrag selbst auf. Das ist nur recht und billig, da Sie Ihr eigenes Geld hineinstecken wrden.«
»Tjah«, sagte die Stimme versonnen.
»Also, werden Sie jetzt die verdammte Stoppuhr abstellen?« erkundigte sich Warren Trent.
Ein Kichern schallte durch die Leitung. »Ich hab' gar keine. Es berrascht mich aber immer wieder, wie der Gedanke die Leute anspornt. Wann brauchen Sie das Geld?«
»Das Geld am Freitag. Eine Entscheidung vor morgen mittag.«
»Bin Ihre letzte Rettung, eh? Nachdem alle anderen Sie abgewiesen haben?«
Eine Lge htte wenig Sinn gehabt. Er antwortete kurz: »Ja.«
»Hatten Sie Verluste?«
»Nicht so starke, da man die Tendenz nicht ndern knnte. Die O'Keefe-Leute beurteilen die Chancen positiv. Sie haben mir ein Kaufangebot gemacht.«
»Wre vielleicht ganz klug, es anzunehmen.«
»Falls ich mich dazu entschliee, ist es mit Ihrer Chance vorbei.«
Ein Schweigen trat ein, das Warren Trent nicht strte. Er konnte spren, wie der Mann am anderen Ende der Leitung nachdachte, Berechnungen anstellte, und bezweifelte nicht im mindesten, da sein Vorschlag ernsthaft erwogen wurde. Seit einem Jahrzehnt versuchte die International Brotherhood of Journeymen die Hotelindustrie zu infiltrieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kampagnen der Journeymen war diese bisher klglich gescheitert. In diesem einzigen Punkt gab es eine Solidaritt zwischen Hotelunternehmern, die die Journeymen frchteten, und den anstndigeren Gewerkschaften, die sie verachteten. Fr die Journeymen konnte der Vertrag mit dem St. Gregory - einem bis jetzt nicht organisierten Hotel - ein Ri im festgefgten Damm des allgemeinen Widerstandes sein.
Was das Geld anbelangte, so war eine Investition von zwei Millionen Dollar - sofern sich die Journeymen dazu entschlossen - nur ein kleiner Happen fr den Gewerkschaftssckel. Sie hatten im Laufe der Jahre fr ihren erfolglosen Kampf um Hotelmitgliedschaft viel mehr ausgegeben.
Innerhalb der Hotelindustrie - Warren Trent machte sich da nichts vor - wrde man ihn als Verrter brandmarken, wenn die Vereinbarung, die er vorgeschlagen hatte, zustande kam. Und seine eigenen Angestellten wrden ihn in Grund und Boden verdammen, zumindest jene, die gengend informiert waren, um zu begreifen, da man sie verraten hatte.
Nach Lage der Dinge waren es die Angestellten, die am meisten dabei verloren. Falls ein Vertrag mit der Gewerkschaft unterzeichnet wurde, wrde es vermutlich, wie immer unter solchen Umstnden, gewissermaen als anerkennende Geste, zu einer Lohnerhhung kommen. Aber die Erhhung war ohnehin fllig - tatschlich sogar berfllig -, und er selbst htte sie auch gewhrt, wenn es ihm gelungen wre, die Finanzierung des Hotels auf irgendeinem anderen Wege zu arrangieren. Der gegenwrtig bestehende Pensionsplan fr die Angestellten wrde zugunsten des Pensionsfonds der Gewerkschaft aufgegeben werden, aber davon wrde lediglich die Kasse der Journeymen profitieren. Eine besonders einschneidende Vernderung aber war, da die Gewerkschaftsbeitrge -wahrscheinlich sechs bis zehn Dollar monatlich - obligatorisch wrden. Damit war nicht nur die geringfgige Lohnerhhung illusorisch, sondern der Nettolohn der Angestellten wrde sich sogar verringern.
Nun, dachte Warren Trent, die Schmhungen seiner Kollegen in der Hotelindustrie wrde er ertragen mssen. Was das brige anbelangte, so erstickte er seine Gewissensbisse mit der Erinnerung an Tom Earlshore und seinesgleichen.
Die barsche Stimme am Telefon ri ihn aus seinen Gedanken.
»Ich schicke zwei von meinen Finanzexperten los. Heute nachmittag fliegen sie runter. Die Nacht ber nehmen sie Ihre Bcher auseinander. Ich meine, wirklich auseinander; glauben Sie also nicht, Sie knnten mit irgend etwas hinter dem Berge halten.« Die unmiverstndliche Drohung war ein Wink, da nur sehr couragierte oder tollkhne Leute jemals wagten, mit der Journeymen's Union Scherze zu treiben.
Der Hotelbesitzer sagte gereizt: »Ich habe nichts zu verbergen. Sie knnen alle vorhandenen Unterlagen einsehen.«
»Wenn meine Leute mir morgen frh berichten, da alles okay ist, unterzeichnen Sie mit uns einen dreijhrigen Vertrag.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Gut. Natrlich mu dann noch eine Abstimmung unter den Angestellten stattfinden, aber ich bin sicher, da ich mich fr ein gnstiges Ergebnis verbrgen kann.« Beim Gedanken, ob er das wirklich konnte, empfand Warren Trent ein leichtes Unbehagen. Ein Bndnis mit den Journeymen wrde auf Opposition stoen, soviel war sicher. Aber ein groer Teil der Angestellten wrde sich nach seiner persnlichen Empfehlung richten, falls er sie energisch genug uerte. Der springende Punkt war nur: Wrden sie die erforderliche Majoritt liefern?
»Eine Abstimmung findet nicht statt«, sagte der Vorsitzende der Journeymen.
»Aber das Gesetz -«
»Versuchen Sie nicht, mir etwas ber Gewerkschaftsrecht beizubringen!« schnarrte es rgerlich aus dem Telefon. »Ich wei besser darin Bescheid, als Sie jemals wissen werden.« Nach einer kurzen Pause kam die knurrige Erklrung: »Es handelt sich um ein freiwilliges Anerkennungsbereinkommen. Im Gesetz steht nichts davon, da darber abgestimmt werde mu. Folglich wird es keine Abstimmung geben.«
Warren Trent rumte ein, da es genau auf die Art gemacht werden knne.
Die Prozedur wre unmoralisch, aber zweifellos legal. Seine eigene Unterschrift auf einem Gewerkschaftsvertrag wrde unter diesen Umstnden fr alle Hotelangestellten bindend sein, ob es ihnen nun pate oder nicht. Warum nicht, dachte er grimmig; es wrde die Sache wesentlich vereinfachen, und das Endergebnis wre dasselbe.
Er fragte: »Wie wollen Sie es mit der Hypothek machen?« Das war ein kitzliger Punkt. In der Vergangenheit hatten Untersuchungskommissionen des Senats die Journeymen scharf kritisiert, weil sie hohe Summen in Unternehmen investierten, mit denen sie Gewerkschaftsvertrge abgeschlossen hatten.
»Sie stellen einen Schuldschein aus, zahlbar an den Journeymen's Pensionsfonds, ber zwei Millionen Dollar zu acht Prozent. Der Schuldschein ist gesichert durch eine erste Hypothek auf das Hotel. Die Hypothek wird von der Southern Conference of Journeymen fr den Pensionsfonds treuhnderisch verwaltet.«
Das Arrangement war von diabolischer Cleverness. Es verletzte zwar den Geist smtlicher Gesetze, die sich mit der Verwendung von Gewerkschaftsfonds befaten, hielt sich jedoch formell innerhalb der gesetzlichen Grenzen.
»Der Schuldschein ist in drei Jahren fllig und verwirkt, falls Sie zweimal hintereinander die Zinsen nicht zahlen.«
»Mit allem brigen bin ich einverstanden«, murrte Warren Trent, »aber ich mchte fnf Jahre haben.«