Îòåëü / Hotel Õåéëè Àðòóð
»Sie bekommen drei.«
Es waren harte Bedingungen, aber eine Frist von drei Jahren wrde ihm die Mglichkeit geben, das Hotel wieder wettbewerbsfhig zu machen.
»Also gut«, sagte er widerwillig.
Es klickte in der Leitung, als der Teilnehmer am anderen Ende auflegte.
Trotz eines neuerlichen Anfalls seiner Ischiasschmerzen lchelte Warren Trent, als er die Telefonzelle verlie.
8
Nach der rgerlichen Szene in der Halle, die in der Abreise von Dr. Nicholas gipfelte, fragte sich Peter McDermott beklommen, was als nchstes kommen wrde. Bei nherer berlegung entschied er, da durch eine bereilte Intervention bei den Funktionren des Kongresses Amerikanischer Zahnrzte nichts zu gewinnen war. Falls Dr. Ingram auf seiner Drohung beharrte, die gesamte Tagung aus dem Hotel zu ziehen, so lie sich das ohnehin nicht vor morgen frh bewerkstelligen. Folglich war es sowohl ungefhrlich als auch klug, ein oder zwei Stunden, bis zum Nachmittag, zu warten, damit die Gemter sich abkhlten. Dann wrde er Dr. Ingram und notfalls auch andere Kongreteilnehmer aufsuchen.
Was die Anwesenheit des Zeitungsmannes whrend des unglckseligen Zwischenfalls betraf, so war es offenbar zu spt, den angerichteten Schaden auszumerzen. Um des Hotels willen hoffte Peter, da der verantwortliche Redakteur der Affre keine groe Bedeutung beimessen mge.
In sein Bro im Zwischengescho zurckkehrend, beschftigte er sich fr den Rest des Vormittags mit Routineangelegenheiten. Er widerstand der Versuchung, Christine aufzusuchen, da sein Instinkt ihm sagte, da auch hier eine gewisse Zurckhaltung am Platze war. Aber er begriff, da er irgendwann und ziemlich bald wegen seiner monumentalen Eselei von vorhin Abbitte leisten mute.
Er beschlo, kurz vor zwlf bei Christine vorbeizuschauen, aber sein Vorsatz wurde zunichte gemacht durch einen Anruf des stellvertretenden Managers, der Peter mitteilte, da ein Gast namens Stanley Kilbrick aus Marshalltown, Iowa, in seinem Zimmer ausgeraubt worden sei. Obwohl gerade erst gemeldet, war der Diebstahl anscheinend im Laufe der Nacht verbt worden. Zahlreiche Wertgegenstnde und Bargeld wurden angeblich vermit, und laut dem stellvertretenden Manager war der Gast vllig aus dem Huschen. Ein Hoteldetektiv befand sich bereits am Tatort.
Peter gab eine Nachricht an den Chefdetektiv durch. Er hatte keine Ahnung, ob sich Ogilvie im Hotel befand, da die Dienststunden des fetten Mannes fr alle anderen auer ihm selbst ein undurchdringliches Geheimnis waren. Kurz danach jedoch informierte man ihn, da Ogilvie sich in die Ermittlungen eingeschaltet hatte und so bald wie mglich Bericht erstatten wrde. Zwanzig Minuten spter tauchte er in Peter McDermotts Bro auf.
Der Chefdetektiv deponierte seine Krpermassen sorglich in dem tiefen Sessel auf der anderen Seite des Schreibtischs.
Seine instinktive Abneigung mhsam unterdrckend, fragte Peter: »Was fr einen Eindruck haben Sie von der Sache?«
»Der Bursche, der bestohlen wurde, ist ein Trottel. Er wurde eingeseift. Das hier sind die vermiten Gegenstnde.« Ogilvie legte eine handgeschriebene Liste auf Peters Schreibtisch. »Eine Kopie hab' ich fr mich behalten.«
»Danke. Ich reiche sie bei unserer Versicherung ein. Wie steht's mit dem Zimmer - irgendwelche Anzeichen fr ein gewaltsames Eindringen?«
Der Detektiv schttelte den Kopf. »Ganz sicher ein Schlsseljob. Pat alles zusammen. Kilbrick gibt zu, da er gestern nacht im Viertel gesumpft hat. Schtze, er htte seine Mutter mitnehmen sollen. Behauptet, er hat seinen Schlssel verloren. Ist von seiner Geschichte nicht abzubringen. Ich halt's aber fr wahrscheinlicher, da er von einem Animiermdchen reingelegt worden ist.«
»Begreift er denn nicht, da die Chance, die gestohlenen Sachen zurckzubekommen, fr uns grer ist, wenn er mit der Wahrheit herausrckt?«
»Ich hab' ihm das gesagt, es hat aber nichts gentzt. Erstens kommt er sich im Moment reichlich blde vor, und zweitens hat er sich bereits ausgerechnet, da die Hotelversicherung ihm den Verlust ersetzt. Vielleicht sogar noch ein bichen mehr; er behauptet, in seiner Brieftasche wren vierhundert Dollar gewesen.«
»Nehmen Sie ihm das ab?«
»Nein.«
Na, dachte Peter, der Gast wrde sich wundern. Die Hotelversicherung deckte den Verlust von Gegenstnden im Wert bis zu hundert Dollar, aber nicht von Bargeld. »Was halten Sie von dem Diebstahl? Glauben Sie, da es sich um einen einmaligen Job handelt?«
»Nein«, sagte Ogilvie. »Ich glaube, wir haben's mit einem professionellen Hoteldieb zu tun, und er arbeitet im Haus.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil heute morgen noch was passiert ist - Beschwerde von der Nummer 641. Schtze, es ist noch nicht bis zu Ihnen gedrungen.«
»Falls ja, dann kann ich mich wenigstens nicht daran erinnern«, sagte Peter.
»Ziemlich zeitig - soweit ich feststellen konnte, im Morgengrauen - lie sich irgendein Bursche mit einem Schlssel in die 641 ein. Der Mann im Zimmer erwachte. Der andere tat, als wre er betrunken, und sagte, er htte es mit der 614 verwechselt. Daraufhin schlief der Mann im Zimmer wieder ein, aber heute frh fing er an sich zu wundern, wieso der Schlssel von der 614 in die 641 pate. Und dann meldete er die Sache.«
»Der Empfang knnte einen falschen Schlssel ausgegeben haben.«
»Knnte, hat aber nicht. Ich hab's nachgeprft. Der Mann von der Nachtschicht schwrt, da keiner der beiden Schlssel ausgegeben wurde. Und in der 614 wohnt ein Ehepaar; es ging gestern nacht zeitig schlafen und blieb im Bett.«
»Haben wir eine Beschreibung des Mannes, der in die 641 eingedrungen ist?«
»Ja, aber sie taugt nichts. Blo um sicherzugehen, brachte ich die zwei Mnner - aus der 614 und 641 - zusammen. Der von der 614 war's nicht, das steht fest. Hab' auch die Schlssel ausprobiert; keiner von beiden pat ins andere Schlo.«
Peter sagte nachdenklich: »Es sieht ganz danach aus, als htten Sie recht mit dem professionellen Dieb. In diesem Fall sollten wir einen Feldzugsplan ausarbeiten.«
»Einiges hab' ich schon in die Wege geleitet. Ich hab' den Angestellten am Empfang gesagt, in den nchsten paar Tagen sollen sie nach dem Namen fragen, bevor sie die Schlssel aushndigen. Wenn ihnen irgendwas faul vorkommt, sollen sie den Schlssel rausgeben und sich den Vogel, der ihn verlangt hat, genau ansehen und dann sofort meine Leute alarmieren. Die Zimmermdchen und die Boys wissen, da sie die Augen ffenhalten sollen, und meine Mnner machen berstunden und patrouillieren nachts durch die Korridore.«
»Das klingt gut.« Peter nickte billigend. »Haben Sie daran gedacht, selbst fr ein oder zwei Tage ins Hotel zu ziehen? Ich lasse Ihnen ein Zimmer reservieren, wenn Sie wollen.«
Peter schien es, als huschte ein Anflug von Besorgnis ber das Gesicht des fetten Mannes. Dann schttelte Ogilvie den Kopf. »Ist nicht ntig.«
»Aber Sie sind doch zur Hand?«
»Sicher, ich bleib' in der Nhe.« Bei allem Nachdruck fehlte es seinen Worten seltsamerweise an berzeugungskraft. Als sei er sich des Mankos bewut, fgte Ogilvie hinzu: »Auch wenn ich nicht immer gleich zur Stelle bin - meine Leute wissen, was sie zu tun haben.«
Noch immer nicht ganz befriedigt, fragte Peter: »Was fr Abmachungen haben Sie mit der Polizei getroffen?«
»Sie schicken zwei Beamte in Zivil rber. Ich werd' mit ihnen reden, und ich schtze, sie werden ein paar Ausknfte einholen, um festzustellen, wer in der Stadt sein knnte. Wenn es ein Bursche mit einschlgigen Vorstrafen ist, haben wir vielleicht Glck und schnappen ihn.«
»In der Zwischenzeit wird unser Freund - wer immer er auch ist - nicht still auf seinem Hosenboden sitzenbleiben.«
»Bestimmt nicht. Und wenn er so schlau ist, wie ich denke, hat er sich ausgerechnet, da wir hinter ihm her sind. Deshalb wird er hchstwahrscheinlich schnell arbeiten und dann verduften.«
»Was ein Grund mehr ist, warum Sie stets greifbar sein mssen«, meinte Peter.
Ogilvie protestierte: »Ich glaube, ich hab' an alles gedacht.«
»Das glaube ich auch. Tatschlich wte ich nicht, was man noch mehr in der Sache tun knnte. Ich befrchte nur, da, falls Sie nicht hier sind, ein anderer nicht so grndlich und rasch zu Werke geht.«
Was immer man auch am Chefdetektiv auszusetzen hatte, dachte Peter, er verstand sich auf sein Geschft, wenn es ihm in den Kram pate, sich damit zu befassen. Aber es war zum Auswachsen, da ihre Beziehungen ihn zwangen, um Dinge zu bitten, die praktisch auf der Hand lagen.
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte Ogilvie. Aber Peter sprte instinktiv, da der fette Mann selbst aus irgendwelchen Grnden beunruhigt war, als er sich aus dem Sessel hievte und schwerfllig hinausstapfte.
Ein oder zwei Sekunden spter folgte ihm Peter, nachdem er im Vorzimmer die Anweisung gegeben hatte, die Versicherung ber den Diebstahl zu informieren und ihr die von Ogilvie aufgestellte Liste der entwendeten Gegenstnde zuzuschicken.
Peter lief das kurze Stck bis zu Christines Bro und war enttuscht, als er sie dort nicht antraf. Er beschlo, gleich nach dem Lunch noch einmal vorbeizuschauen.
Er ging in die Halle hinunter und schlenderte in das Hauptrestaurant. Am regen Lunchbetrieb merkte man, da das Hotel derzeit gut besetzt war. Er nickte Max, dem Oberkellner, der auf ihn zueilte, freundlich zu.
»Guten Tag, Mr. McDermott. Einen Einzeltisch?«
»Nein, ich werde mich zur Strafkolonie gesellen.« Peter nutzte sein Vorrecht als stellvertretender Direktor, im Speisesaal fr sich allein zu sitzen, selten aus. Meist zog er die Gesellschaft seines Mitarbeiterstabs an dem fr sie reservierten groen runden Tisch unweit der Kchentr vor.
Der Rechnungsprfer des St. Gregory, Royall Edwards, und Sam Jakubiec, der untersetzte glatzkpfige Kreditmanager, waren bereits beim Lunch, als Peter an den Tisch trat. Doc Vickery, der Chefingenieur, der einige Minuten vorher gekommen war, studierte die Speisekarte. Peter setzte sich auf den Stuhl, den Max bereithielt, und fragte: »Was knnen Sie empfehlen?«
»Versuchen Sie die Kressesuppe«, riet Jakubiec. »Sie ist wie bei Muttern; sogar noch besser.«
Royall Edwards fgte mit seiner korrekten Buchhalterstimme hinzu: »Die heutige Spezialitt ist Brathhnchen. Wir haben es bestellt.«
Als der Oberkellner verschwand, tauchte geschwind ein anderer junger Kellner neben ihnen auf. Trotz gegenteiliger Instruktionen wurde der Tisch der leitenden Angestellten, die sogenannte Strafkolonie, im ganzen Speisesaal am besten bedient. Wie Peter und andere herausgefunden hatten, war es dem Personal schwer begreiflich zu machen, da die zahlenden Gste des Hotels wichtiger waren als die leitenden Angestellten.
Der Chefingenieur klappte die Speisekarte zu und sphte ber seine dicke Brille hinweg, die wie gewhnlich auf seine Nasenspitze gerutscht war. »Bringen Sie mir das gleiche, Shnchen.«
»Mir auch.« Peter gab die Speisekarte ungeffnet zurck.
Der Kellner zgerte. »Ich wei nicht, ob ich das Brathhnchen empfehlen kann, Sir. Vielleicht nehmen Sie lieber etwas anderes.«
»Na, das htten Sie uns auch eher sagen knnen«, meinte Jakubiec.
»Ich kann die Bestellung leicht umndern, Mr.Jakubiec. Ihre auch, Mr. Edwards.«
»Stimmt etwas nicht mit den Hhnchen?« fragte Peter.
»Vielleicht htt' ich's nicht sagen sollen.« Der Kellner trat unschlssig von einem Fu auf den anderen. »Tatsache ist, die Leute beschweren sich darber. Es scheint ihnen nicht zu schmecken.«
»In dem Fall mchte ich wissen, warum«, sagte Peter. »Lassen Sie also meine Bestellung wie sie ist.« Ein wenig widerstrebend pflichteten die anderen bei.
Als der Kellner davongeflitzt war, fragte Jakubiec: »Ist an dem Gercht, das ich gehrt hab', was Wahres - da unser Zahnrztekongre vielleicht auszieht?«
»Sie haben richtig gehrt, Sam. Heute nachmittag werde ich erfahren, ob es nur ein Gercht bleibt.« Peter lffelte seine Suppe und beschrieb dann den Zwischenfall in der Halle. Die Mienen der anderen wurden ernst.
Royall Edwards bemerkte: »Nach meiner Meinung kommt ein Unglck selten allein. In Anbetracht unserer jngsten finanziellen Verluste, ber die Sie alle im Bilde sind, knnte sich das zu einer neuen Pleite auswachsen.«
»Falls es dazu kommt«, erklrte der Chefingenieur, »wird man vermutlich das Budget fr die technische Abteilung krzen.«
»Oder ganz streichen«, entgegnete der Rechnungsprfer.
Doc Vickery grunzte, durchaus nicht belustigt.
»Vielleicht werden wir alle gestrichen«, sagte Sam Jakubiec, »wenn O'Keefe den Laden bernimmt.« Er sah Peter forschend an, aber Edwards nickte warnend, als der Kellner wieder auftauchte. Die Gruppe schwieg, whrend der junge Mann das Hhnchen servierte, und fr eine Weile war nur Stimmengemurmel im Speisesaal, das gedmpfte Scheppern von Geschirr, das Hin- und Herflitzen der Ober durch die Kchentr zu hren.
Sobald sie wieder allein waren, fragte Jakubiec angelegentlich: »Also, was gibt's Neues?«
Peter schttelte den Kopf. »Ich wei gar nichts, Sam. Auer, da die Suppe verdammt gut ist.«
»Wie Ihnen vielleicht noch erinnerlich ist, haben wir sie Ihnen empfohlen«, sagte Edwards, »und ich mchte Ihnen jetzt noch einen wohlfundierten Rat geben - springen Sie ab, bevor es zu spt ist.« Er hatte in seiner Portion Brathuhn herumgestochert und legte nun Messer und Gabel nieder. »Ich schlage vor, da wir uns ein andermal den Wink unseres Kellners mehr zu Herzen nehmen.«
»Ist es wirklich so mies?« fragte Peter.
»Ziemlich mies, falls Sie nicht gerade eine Vorliebe fr ranziges Fett haben.«
Jakubiec pickte zgernd eine Kostprobe von seinem Teller, whrend die anderen gespannt zusahen. Schlielich erklrte er: »Man kann's auch so ausdrcken: Wenn ich fr das Essen zahlen mte, wrde ich mich weigern.«
Sich halb von seinem Stuhl erhebend, entdeckte Peter den Oberkellner auf der anderen Seite vom Speisesaal und winkte ihn herber. »Max, hat Chef Hebrand heute Dienst?«
»Nein, Mr. McDermott. Ich hab' gehrt, er ist krank. Souschef Lemieux vertritt ihn.« Der Oberkellner fgte besorgt hinzu: »Falls es wegen der Brathhnchen ist, so haben wir bereits Abhilfe getroffen. Sie werden nicht mehr serviert, und bei den Gsten, die sich beschwert haben, wurde das gesamte Men ersetzt.« Sein Blick schweifte rund um den Tisch. »Das gleiche werden wir auch hier tun.«
»Im Augenblick interessiert mich mehr, ieso das passieren konnte«, sagte Peter. »Wrden Sie Chef Lemieux bitte fragen, ob er einen Moment Zeit fr mich hat?«
Da er die Kchentr unmittelbar vor sich hatte, war Peter stark versucht, einfach hineinzustrmen und sich an Ort und Stelle zu erkundigen, warum die Lunchspezialitt ungeniebar war. Aber ein solches Vorgehen wre unklug gewesen.
Beim Umgang mit ihren Kchenchefs richtete sich die Hotelleitung nach einem strengen traditionellen Protokoll, das dem eines kniglichen Hofs gleichkam. In der Kche war der Chef de Cuisine - oder in seiner Abwesenheit der Souschef -unbestrittener Knig. Es war undenkbar, da ein Hoteldirektor die Kche unaufgefordert betrat.
Chefs konnten entlassen werden, und wurden es auch manchmal. Aber bis das geschah, war ihr Knigreich tabu.
Einen Chef aus der Kche zu bitten - in diesem Fall an einen Tisch im Speisesaal -, entsprach dem Protokoll. Tatschlich grenzte es an einen Befehl, da Peter McDermott, in Warren Trents Abwesenheit, die Leitung des Hotels innehatte. Es wre fr Peter auch noch zulssig gewesen, an der Kchentr zu warten, bis man ihn hereinbat. Aber angesichts dieser offenkundigen Krise in der Kche wute Peter, da seine Methode die richtige war.
»Wenn Sie mich fragen«, bemerkte Sam Jakubiec, »ist der alte Chef Hebrand lngst pensionsreif.«
Royall Edwards fragte: »Falls er sich zur Ruhe setzt, wrde man den Unterschied berhaupt merken?« Das war eine Anspielung, wie sie alle wuten, auf die zahlreichen dienstfreien Tage des Chefs de Cuisine, in denen er sich mit Krankheit entschuldigte. Heute war anscheinend wieder so ein Tag.
»Das Ende kommt fr uns alle schnell genug«, knurrte der Chefingenieur. »Es ist nur natrlich, da man's hinausschieben mchte.« Es war kein Geheimnis, da die schonungslose Hrte des Rechnungsprfers dem von Natur gutmtigen Doc Vickery zuweilen auf die Nerven ging.
»Ich kenne unseren neuen Souschef noch nicht«, sagte Jakubiec. »Vermutlich hat er seine Nase noch nicht aus der Kche gesteckt.«
Royall Edwards blickte auf seinen kaum berhrten Teller. »Dann mu seine Nase ein erstaunlich unempfindliches Organ sein.«
Im gleichen Moment schwang die Kchentr auf. Ein Pikkolo, der gerade hindurchgehen wollte, trat ehrerbietig zurck, als Max, der Oberkellner, zum Vorschein kam. Ihm folgte in einigen Schritten Abstand eine hochgewachsene, schlanke Gestalt in gestrktem weiem Kittel, mit hoher weier Mtze und darunter einer Miene tiefsten seelischen Elends.
»Gentlemen«, verkndete Peter, »falls Sie einander noch nicht kennen, dies ist Chef Andre Lemieux.«
»Messieurs!« Der junge Franzose blieb stehen und hob die Hnde in einer hilflosen Geste. »Da mir das mute passieren... ich bin verzweifelt.« Seine Stimme klang erstickt.
Peter McDermott war dem neuen Souschef seit dessen Ankunft vor sechs Wochen mehrmals begegnet. Bei jedem Zusammentreffen schlo er den Neuankmmling mehr ins Herz.
Andre Lemieux' Einstellung erfolgte nach dem berstrzten Abzug seines Vorgngers. Der frhere Souschef hatte, nach monatelangen Enttuschungen und innerlichem Schumen, seiner Wut ber seinen Vorgesetzten, den alternden M. Hebrand, Luft gemacht. Normalerweise wre die Szene im Sande verlaufen, da Gefhlsausbrche bei den Chefs und Kchen -wie in jeder groen Kche - sehr hufig vorkamen. Der Zusammensto fiel jedoch insofern aus dem Rahmen des blichen, als der ehemalige Souschef eine Terrine mit Suppe nach dem Chef de Cuisine schleuderte. Glcklicherweise handelte es sich bei der Suppe um Vichys-Soe, sonst wren die Folgen noch ernster gewesen. Es war ein denkwrdiges Schauspiel, als der Chef de Cuisine, vor Nsse triefend, seinen Assistenten zum Personalausgang eskortierte und dort - mit einer fr sein Alter erstaunlichen Energie - auf die Strae warf. Eine Woche spter wurde Andre Lemieux eingestellt.
Seine Qualifikationen waren hervorragend. Er hatte in Paris gelernt, in London - bei Prunier's und im Savoy - und danach kurz in Le Pavillon in New York gearbeitet, bevor er den ranghheren Posten in New Orleans erreichte. Aber Peter vermutete, da der junge Souschef bereits in den wenigen Wochen seit seiner Ankunft die gleichen Enttuschungen erlebt hatte, die seinen Vorgnger zum Wahnsinn getrieben hatten. Die Ursache war M. Hebrands unberwindlicher Widerstand gegen alle Neuerungen in der Kche, obwohl er hufig abwesend war und sich dann von seinem Souschef vertreten lie. Die Situation erinnerte Peter lebhaft an sein Verhltnis zu Warren Trent und erregte sein Mitgefhl.
Peter wies auf einen freien Stuhl am Tisch der leitenden Angestellten. »Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?«
»Danke, Monsieur.« Der junge Franzose nahm gravittisch Platz.
Gleich darauf erschien der Kellner, der, ohne neue Instruktionen einzuholen, alle vier Lunchbestellungen durch Veal Scallopini ersetzt hatte. Er nahm die zwei anstigen Portionen Brathuhn weg, die ein dienstfertiger Pikkolo hastig in die Kche verbannte. Die vier Mnner machten sich ber ihr Essen her, whrend der Souschef lediglich einen schwarzen Kaffee trank.
»So lass' ich's mir gefallen«, sagte Sam Jakubiec anerkennend.
»Haben Sie entdeckt, was die Panne verursachte?« fragte Peter.
Der Souschef warf einen unglcklichen Blick in Richtung Kche. »Die Pannen, sie 'aben viele Ursach'. Diesmal lag es am schlechten Geschmack des Bratfetts. Aber ich bin zu tadeln, weil ich geglaubt, da Fett ausgewechselt worden ist. Und ich, Andre Lemieux, ich lie zu, da solch ein Essen wurde serviert.« Er schttelte unglubig den Kopf.
»Man kann seine Augen nicht berall haben«, sagte der Chefingenieur. »Wir Abteilungsleiter wissen das.«
Royall Edwards verlieh einem Gedanken Ausdruck, der Peter auch schon gekommen war. »Leider werden wir nie erfahren, wie viele Gste sich nicht beschwerten, dafr aber nicht wiederkommen werden.«
Andre Lemieux nickte dster. Er setzte die Kaffeetasse ab. »Messieurs, Sie werden mich entschuldigen. Monsieur McDermott, wenn Sie fertig gegessen 'aben, wir knnen vielleicht miteinander reden, ja?«
Fnfzehn Minuten spter betrat Peter die Kche durch die Tr des Speisesaals. Andre Lemieux eilte ihm entgegen.
»Es ist nett von Ihnen, zu kommen, Monsieur.«
Peter schttelte den Kopf. »Ich mag Kchen.« Ein Blick in die Runde zeigte ihm, da die erhhte Aktivitt whrend der Lunchzeit allmhlich nachlie. Einige Bestellungen gingen noch hinaus, vorbei an den zwei weiblichen Kontrolleuren mittleren Alters, die wie pedantische mitrauische Schulmeisterinnen hinter Registrierkassen thronten. Aber weit mehr benutztes Geschirr kam aus dem Speisesaal herein, wo Pikkolos und Kellner die Tische abrumten, whrend die Schar der Gste sich lichtete. In der Splkche im Hintergrund, die mit ihren verchromten Schaltertischen und Abfallbehltern wie die Kehrseite der Cafeteria aussah, arbeiteten sechs in Gummischrzen gehllte Kchenhelfer und vermochten der Geschirrflut aus den verschiedenen Hotelrestaurants und dem Kongresaal kaum Herr zu werden. Peter bemerkte, da ein Gehilfe die unberhrten Butterportionen abfing und in einen groen Chrombehlter streifte. Spter wrde die Butter zum Kochen verwendet werden.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen allein, Monsieur. In Gegenwart anderer kann man viele Dinge schlecht sagen, verstehen Sie.«
»Ein Punkt ist mir noch nicht klar«, sagte Peter nachdenklich. »Sie hatten angeordnet, da das Bratfett ausgewechselt wrde, aber die Anordnung wurde nicht befolgt. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Was ist nun eigentlich geschehen?«
Der junge Chef machte ein bekmmertes Gesicht. »Diesen Morgen, ich gebe den Befehl. Meine Nase sagt mir, das Fett ist nicht gut. Aber M. Hebrand ohne mich zu informieren -widerruft den Befehl. Dann M. Hebrand ging nach 'ause, und ich blieb zurck mit dem schlechten Fett.«
Peter mute unwillkrlich lcheln. »Was war der Grund fr den Gegenbefehl?«
»Fett ist teuer - sehr teuer; da 'at M. Hebrand recht. In letzter Zeit wir 'aben es of ausgewechselt. Zu oft.«
»Haben Sie versucht, die Ursache herauszufinden?«
Andre Lemieux spreizte verzweifelt die Hnde. »Ich 'abe vorgeschlagen, jeden Tag, einen chemischen Test - fr freie Fettsure. Es knnte sogar 'ier in einem Laboratorium gemacht werden. Dann wrden wir suchen nach dem Grund, warum das Fett schlecht wird. M. Hebrand ist nicht einverstanden - damit und mit anderen Dingen.«
»Sie glauben also, da hier vieles verkehrt ist?«
»Sehr vieles«, erwiderte Andre Lemieux kurz und beinahe mrrisch, und einen Moment lang hatte es den Anschein, als sei das Gesprch zu Ende. Dann, als wre ein Damm gebrochen, sprudelte er hervor: »Monsieur McDermott, ich sage Ihnen, 'ier ist sehr viel verkehrt. Das ist keine Kche, um mit Stolz darin zu arbeiten. Es ist ein - wie nennen Sie das - ein Durcheinander -schlechtes Essen, alte Methoden, die schlecht sind, neue Methoden, die auch schlecht sind, und viel Verschwendung. Ich bin ein guter Kchenchef; man wird Ihnen das besttigen. Aber ein guter Chef mu glcklich sein bei dem, was er tut, oder er ist nicht mehr gut. Ja, Monsieur, ich wrde vieles ndern, sehr vieles, und es wre besser fr das Hotel, fr M. Hebrand, fr andere. Aber man verbietet mir - wie einem bebe - irgend etwas zu ndern.«
»Vielleicht wird es hier bald groe Vernderungen geben«, sagte Peter. »Sehr bald sogar.«
Andre Lemieux warf sich hochmtig in die Brust. »Sollten Sie damit auf Monsieur O'Keefe anspielen, so werde ich sein regime nicht miterleben. Ich 'abe nicht die Absicht, Koch in einer Schnellgaststtte zu werden.«
Peter fragte neugierig: »Falls das St. Gregory unabhngig bleibt, was fr Vernderungen haben Sie dann im Sinn?«
Sie hatten fast die gesamte Lnge der Kche abgeschritten -ein langgestrecktes Viereck, das die ganze Breite des Hotels einnahm. An jeder Seite des Vierecks fhrten, wie Auslufer aus einem Kontrollzentrum, Tren zu den verschiedenen Hotelrestaurants, zu den Personal- und Speiseaufzgen und Anrichterumen. Einer doppelten Reihe von Suppenkesseln ausweichend, die wie riesige Schmelztiegel brodelten, nherten sie sich dem verglasten Bro, wo sich, theoretisch, die beiden obersten Kchenchefs - der Chef de Cuisine und der Souschef -die Verantwortung teilten. Unweit davon bemerkte Peter den groen Tiefbrater, die Ursache der heutigen Panne. Ein Kchenhelfer lie gerade das gesamte Fett ablaufen; in Anbetracht der Quantitt war leicht zu verstehen, warum ein zu hufiges Auswechseln kostspielig sein mute. Sie machten halt, whrend Andre Lemieux ber Peters Frage nachdachte.
»Welche Vernderungen ich wrde vornehmen, Monsieur? An erster Stelle kommen die Speisen. Fr manche ist das Aussehen eines Gerichts, die fa9ade, wichtiger als der Geschmack. In diesem Hotel vergeuden wir viel Geld fr das decor. berall sieht man die Petersilie, aber in den Saucen ist sie zuwenig. Die Kresse liegt auf dem Teller, aber in der Suppe ist nicht genug davon. Und die bunten Gelatinearrangements!« Der junge Lemieux hob verzweifelt beide Arme.
»Und was die Weine angeht, Monsieur! Dieu merci, der Wein, er schlgt nicht in mein Fach.«
»Ja«, sagte Peter. Er war mit den unzulnglichen Weinvorrten des St. Gregory auch nicht zufrieden.
»Mit einem Wort, Monsieur, all die Schrecken einer minderwertigen table d'hte. Solch kolossale Miachtung fr das Essen, solch ein Geldaufwand nur fr den schnen Schein -man knnte weinen, Monsieur. Weinen!« Er hielt inne, zuckte mit den Schultern und fuhr fort: »Bei grerer Sparsamkeit wir knnten 'aben eine cuisine, die fr den Gaumen ein Genu ist. Jetzt ist sie eintnig und ganz alltglich.«
Peter fragte sich, ob Andre Lemieux in bezug auf das St. Gregory realistisch genug dachte. Als htte er den Zweifel gesprt, fgte der Souschef hinzu: »Natrlich 'at ein Hotel seine speziellen Probleme. Dies 'ier ist kein 'aus fr Feinschmecker, kann es auch gar nicht sein. Wir mssen rasch sehr viele Mahlzeiten kochen und sie Leuten servieren, die zu sehr in amerikanischer Eile sind. Aber innerhalb dieser Grenzen kann man doch eine Art von exellence erreichen, eine excellence, die einen befriedigt. Aber M. Hebrand sagt mir, meine Ideen sind zu kostspielig. Das stimmt nicht, wie ich bewiesen 'abe.«
»Wie haben Sie es bewiesen?«
»Kommen Sie, bitte.«
Der junge Franzose ging voran ins Bo. Das war ein kleiner vollgepackter Glaskasten mit zwei Schreibtischen, mit Karteischrnken und Regalen, die sich an drei Wnden entlangzogen. Andre Lemieux begab sich an den kleineren Schreibtisch. Einer Schublade entnahm er einen groen gelben Umschlag, aus dem er einen Hefter zog. Er reichte ihn Peter. »Sie fragen, was fr nderungen, 'ier steht alles drin.«
Peter McDermott schlug gespannt den Hefter auf. Er war viele Seiten stark, und jedes Blatt war mit zierlichen przisen Buchstaben bedeckt. Mehrere grere gefaltete Bogen waren mit der Hand gezeichnete, sorgsam beschriftete Tabellen. Peter erkannte, da es sich um einen Hauptverpflegungsplan fr das gesamte Hotel handelte. Auf den nachfolgenden Seiten fand er Kostenvoranschlge, Speisekarten, einen Plan zur Qualittskontrolle und einen Entwurf fr die Reorganisierung des Personals. Selbst beim flchtigen Durchblttern war er vom Konzept und vom Verstndnis des Verfassers frs Detail tief beeindruckt.
Er blickte auf. Lemieux sah ihn erwartungsvoll an. »Ich wrde mir das gern genauer ansehen, wenn ich darf.«
»Nehmen Sie es mit. Es eilt nicht.« Der junge Souschef lchelte verkniffen. »Man 'at mir gesagt, keines meiner Pferde wird das Rennen machen.«
»Was mich dabei am meisten berrascht, ist, da Sie in so kurzer Zeit einen so tiefen Einblick gewonnen haben.«
Andre Lemieux zuckte mit den Schultern. »Man braucht nicht lange, um zu erkennen, was 'ier nicht stimmt.« »Vielleicht knnten wir die gleiche Methode beim Tiefbrater anwenden.«
In den Augen des anderen schimmerte es humorvoll auf. »Touche. Es ist wahr - ich 'abe soviel gesehen, aber nicht das 'eie Fett unter meiner Nase.«
»Nein«, wandte Peter ein. »Nach dem, was Sie mir erzhlten, haben Sie das schlechte Fett entdeckt, nur wurde es, entgegen Ihrem Befehl, nicht ausgewechselt.«
»Aber ich 'tte den Grund 'erausfinden mssen, warum es schlecht wurde. Es gibt immer einen Grund. Wenn wir ihn nicht bald finden, werden wir bald noch greren rger 'aben.«
»Wieso?«
»'eute 'aben wir den Brater glcklicherweise nur wenig benutzt. Morgen, Monsieur, mssen wir sechshundert Portionen fr den Lunch der Kongreteilnehmer braten.«
Peter stie einen leisen Pfiff aus.
»Ja richtig.« Sie hatten das Bro verlassen uid standen nun vor dem Tiefbrater, der gerade von den letzten berresten des ranzigen Fetts gesubert wurde.
»Morgen ist das Fett natrlich frisch. Wann haben Sie es zum letztenmal erneuert?«
»Gestern.«
»Erst?«
Andre Lemieux nickte. »M. Hebrand macht keinen Scherz, als er sich ber die 'ohen Kosten beklagte. Die Sache ist ein mystere fr uns.«
»Ich versuche gerade, mir ein paar Tatsachen aus der Nahrungsmittelchemie ins Gedchtnis zurckzurufen«, sagte Peter langsam. »Der Rauchpunkt von frischem gutem Fett liegt bei -«
»Zweihundert Grad. Es sollte niemals strker erhitzt werden, oder es bricht.«
»Und wenn das Fett an Qualitt verliert, sinkt sein Rauchpunkt allmhlich.«
»Ja, sehr langsam - wenn sonst alles in Ordnung ist.«
»Hier braten Sie bei...?«
»'undertachtzig Grad; die beste Temperatur - fr Kchen und fr 'ausfrauen.«
»Solange also der Rauchpunkt bei hundertachtzig Grad bleibt, erfllt das Fett seinen Zweck. Darunter aber nicht mehr.«
»Das ist wahr, Monsieur. Und das Fett gibt den Speisen einen schlechten Beigeschmack. Sie schmecken ranzig wie 'eute.«
Ehemals auswendig gelernte, inzwischen eingerostete Fakten regten sich in Peters Gedchtnis. In Cornell hatte es fr die Studenten der Hotelfachschule einen Kursus fr Nahrungsmittelchemie gegeben. Er erinnerte sich dunkel an eine Volesung... an einem trben Nachmittag in Statler Hall mit wei bereiften Fensterscheiben. Er war aus der schneidenden winterlichen Klte gekommen. Drinnen war es warm, und ein Professor las ber »Fette und Katalysatoren.«
»Es gibt gewisse Substanzen«, sagte Peter versonnen, »die, wenn sie mit Fett in Berhrung kommen, als Katalysatoren wirken und es sehr schnell zersetzen.«
»Ja, Monsieur.« Andre Lemieux zhlte sie an den Fingern ab. »Dazu gehren Feuchtigkeit, Salz, Messing- oder Kupferverbindungen in einem Brater, zu viel 'itze, das l von der Olive. All das 'abe ich nachgeprft, und es ist nicht der Grund.«
Pltzlich fiel Peter etwas ein. Es verband sich mit Beobachtungen, die er eben, sich selbst nicht bewut, bei der Suberung des Tiefbraters gemacht hatte.
»Aus welchem Metall bestehen die Bratroste?«
»Aus Chrom«, war die verdutzte Antwort. Beide wuten, da Chrom dem Fett nicht schadete.
»Ich frage mich, wie stark der berzug ist. Und, falls er nicht gut ist, was darunter ist, und ob er abgenutzt ist?«
Lemieux zgerte; seine Augen weiteten sich. Dann holte er stillschweigend einen der Krbe herunter und wischte ihn sorgfltig mit einem Tuch ab. Sie traten unter eine Lampe und prften die Oberflche des Metalls.
Der Chromberzug war durch langen und stndigen Gebrauch zerkratzt. An einzelnen Stellen war er vllig abgeschabt, und darunter schimmerte es gelblich.
»Es ist Messing!« Der junge Franzose schlug sich mit der Hand an die Stim. »Das ist zweifellos der Grund, warum das Fett ranzig wird. Ich war ein Riesentrottel.«
»Sie brauchen sich wirklich keine Vorwrfe zu machen. Irgendwann, lange vor Ihrer Zeit, wollte jemand sparen und kaufte billige Bratroste. Leider kamen sie uns schlielich ziemlich teuer zu stehen.«
»Aber ich htte von selbst dahinterkommen mssen, Monsieur!« Andre Lemieux schien den Trnen nahe. »Statt dessen kommen Sie in die Kche - aus Ihrer paperasserie - und sagen mir, was 'ier verkehrt ist. Alle werden mich auslachen.«
»Das wird nur geschehen, wenn Sie selbst darber reden«, sagte Peter. »Von mir erfhrt keiner etwas.«
Andre Lemieux sagte langsam: »Man 'at mir erzhlt, da Sie ein guter Mann sind und intelligent. Nun wei ich selbst, da das wahr ist.«
Peter tippte auf den Hefter in seiner Hand. »Ich werde Ihren Bericht lesen und Ihnen sagen, was ich davon halte.«
»Danke, Monsieur. Und ich werde neue Bratkrbe anfordern. Aus rostfreiem Stahl, 'eute abend sind sie 'ier und wenn ich jemandem den Kopf einschlagen mu.«
Peter lchelte.
»Monsieur, da ist noch etwas - nur so ein Gedanke.«
»Ja?«
Der junge Souschef zgerte. »Sie werden mich fr - wie nennen Sie das - fr anmaend 'alten. Aber Sie und ich, Monsieur McDermott - wenn wir freie 'and 'tten -, wir knnten aus dem St. Gregory ein Hotel fabuleux machen.«
Obwohl er laut herauslachte, mute Peter McDermott auf dem ganzen Weg in sein Bro ber Lemieux' Bemerkung nachdenken.
9
Eine Sekunde, nachdem sie an die Tr von Zimmer 1410 geklopft hatte, fragte sich Christine, warum sie hergekommen war. Ihr gestriger Besuch war nach den Ereignissen in der Nacht zuvor und Albert Wells' Kampf mit dem Tode nur natrlich gewesen. Aber nun befand er sich in guter Pflege und war, nach seiner Wiederherstellung, in seine Rolle als normaler Gast unter anderthalbtausend anderen Gsten zurckgeglitten. Daher, so sagte sich Christine, bestand eigentlich kein Anla fr einen zweiten persnlichen Besuch.
Aber sie fhlte sich irgendwie zu dem kleinen ltlichen Mann hingezogen. War es vielleicht seiner vterlichen Gte wegen, und weil sie an ihm Charakterzge ihres eigenen Vaters wahrnahm, mit dessen Verlust sie sich nie ganz abgefunden hatte, selbst nach fnf langen Jahren nicht. Aber nein! Die Beziehung zu ihrem Vater war geprgt durch ihr Vertrauen in seinen Schutz. Bei Albert Wells war es umgekehrt; sie empfand ihn als ihren Schtzling, so wie sie ihn gestern gegen die Folgen zu verteidigen suchte, die seine Entscheidung fr private Pflege haben mute.
Oder vielleicht, dachte Christine, war sie einfach einsam und wollte ihre Enttuschung darber abreagieren, da sie Peter heute abend nicht sehen wrde, wie es ursprnglich geplant war. Und was das anlangte - war es wirklich nur Enttuschung gewesen oder ein strkeres Gefhl, als sie entdeckte, da er statt dessen mit Marsha Preyscott dinieren wrde?
Wenn sie sich nichts vormachen wollte, mute Christine sich eingestehen, da sie heute morgen sehr erbost gewesen war. Immerhin hoffte sie, ihren rger gut verborgen zu haben, obwohl sie sich einige bissige Bemerkungen nicht hatte verkneifen knnen. Es wre ein groer Fehler gewesen, ihr Anrecht auf Peter zu zeigen oder die kleine katzenhafte Miss Marsha im Glauben zu bestrken, sie habe einen weiblichen Sieg errungen, auch wenn sie ihn tatschlich errungen haben sollte.
Auf ihr Klopfen hin hatte sich nichts gerhrt. Da sie wute, da die Pflegerin eigentlich im Dienst sein mte, klopfte Christine noch einmal lauter. Diesmal hrte sie, wie ein Stuhl zurckgeschoben wurde und tappende Schritte.
Die Tr ffnete sich. Albert Wells war voll bekleidet, sah gut aus und hatte Farbe im Gesicht. Seine Miene erhellte sich, als er Christine erblickte. »Ich hatte gehofft, da Sie kommen wrden, Miss. Andernfalls htte ich Sie aufgesucht.«
Sie sagte erstaunt: »Aber ich dachte...«
Der kleine vogelhnliche Mann schmunzelte. »Sie dachten, man wrde mich am Bett festnageln; na, sie haben's sich anders berlegt. Ich fhle mich so wohl, da ich Ihren Hoteldoktor veranlat habe, nach dem Spezialisten zu schicken - dem aus Illinois, Dr. Uxbridge. Das ist ein vernnftiger Bursche; er sagte, wenn Leute sich besser fhlen, dann geht es ihnen meistens auch besser. Folglich haben wir die Pflegerin nach Haus gejagt, und ich bin wieder mein eigener Herr.« Er strahlte. »Kommen Sie herein, Miss.«
Christines erste Reaktion war Erleichterung darber, da nun die erheblichen Kosten der privaten Pflege wegfielen. Sie vermutete, da derselbe Gedanke Albert Wells' Entschlu mit beeinflut hatte.
Als sie ihm ins Zimmer folgte, fragte er: »Haben Sie schon mal geklopft?«
Sie bejahte.
»Dachte mir, ich htte was gehrt. Aber ich war zu sehr in das da vertieft.« Er zeigte auf einen Tisch unweit des Fensters. Auf ihm lag ein groflchiges und kniffliges Zusammensetzspiel, das zu zwei Dritteln vollendet war. »Oder vielleicht glaubte ich auch, es sei Bailey«, fgte er hinzu.
»Wer ist Bailey?« fragte Christine neugierig.
Der alte Mann zwinkerte ihr zu. »Wenn Sie ein Weilchen bleiben, lernen Sie ihn kennen - entweder ihn oder Barnum.«
Verstndnislos schttelte sie den Kopf. Sie ging zum Fenster hinber und beugte sich ber das Puzzlespiel. Aus den bereits eingesetzten Teilchen lie sich auf dem ersten Blick erkennen, da es sich um eine Ansicht von New Orleans handelte - die Stadt bei Anbruch der Dunkelheit, aus der Vogelschau gesehen, vom schimmernden Band des Stromes durchflossen. Sie sagte: »Frher, als Kind, hab' ich mich auch damit beschftigt. Mein Vater half mir dabei.«
»In den Augen mancher Leute ist das vielleicht nicht der passende Zeitvertreib fr einen erwachsenen Mann«, meinte Albert Wells. »Ich mache mich meistens daran, wenn ich ber irgendwas nachdenken mchte. Manchmal entdecke ich das Schlsselteilchen und die Antwort auf mein Problem zur gleichen Zeit.«
»Das Schlsselteilchen? Davon hab' ich noch nie gehrt.«
»Es ist blo so ein Einfall von mir, Miss. Ich schtze, es gibt immer einen Schlssel - fr dieses Spiel hier und fr alle mglichen anderen Probleme. Manchmal bildet man sich ein, man hat ihn gefunden, aber das ist ein Irrtum. Wenn man ihn gefunden hat, sieht man pltzlich alles viel klarer, und alle Teile drumherum greifen ineinander.«
Es klopfte krftig an der ueren Tr. Albert Wells flsterte: »Aha, Bailey!«
Als sich die Tr ffnete, nahm Christine berrascht einen uniformieren Hoteldiener wahr. ber seine Schulter hatte er eine Kollektion von Anzgen an Kleiderbgeln; vor sich her trug er einen gebgelten blauen Sergeanzug, der, seinem altmodischen Schnitt nach zu schlieen, Albert Wells gehrte. Mit gebter Schnelligkeit hngte der Hausdiener den Anzug in einen Schrank und kehrte zur Tr zurck, wo der kleine Mann auf ihn wartete. Mit der linken Hand hielt der Diener die Anzge ber seiner Schulter fest; die rechte schnellte, mit geffnetem Handteller, automatisch nach vorn.
»Sie haben Ihr Trinkgeld bereits bekommen«, sagte Albert Wells mit einem stillvergngten Ausdruck in den Augen. »Als der Anzug heute morgen geholt wurde.«
»Aber nicht von mir, Sir.« Der Hoteldiener schttelte energisch den Kopf.
»Nein, von Ihrem Freund. Das kommt aufs gleiche raus.«
Der Mann sagte stur: »Davon wei ich nichts.«
»Meinen Sie damit, da er Ihnen Ihren Anteil nicht gibt?«
Die ausgestreckte Hand senkte sich. »Ich verstehe nicht.«